Hitler-Deutschland hat kapituliert. Der kürzlich verstorbene Bundespräsident Richard von Weizsäcker hat den Deutschen erklärt, dass der 8. Mai 1945 ein Tag der Befreiung war.
"Schauen wir am heutigen 8. Mai, so gut wir es können, der Wahrheit ins Auge." Richard von Weizsäckers Appell ist mutig. Soeben hat er den Deutschen in einer der wichtigsten politischen Reden der Nachkriegszeit erklärt, dass die bedingungslose Kapitulation der Wehrmacht keineswegs nur eine militärische Niederlage war. "Der 8. Mai war ein Tag der Befreiung. Er hat uns alle befreit von dem menschenverachtenden System der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft."
Biografie Richard von Weizsäcker
Weizsäcker, geboren 1920, hat selbst vom ersten Tag an im Zweiten Weltkrieg gekämpft, seinen Bruder Heinrich verloren und selbst Verletzungen erlitten. Nach dem Krieg hat er Jura studiert und in der CDU seine politische Karriere begonnen, die ihn schließlich bis ins höchste deutsche Staatsamt gebracht hat. Wenn Weizsächer am 8. Mai 1985 davon spricht, der Wahrheit ins Auge zu schauen, ist das für ihn auch eine schmerzliche biografische Bürde. Sein Vater Ernst hat im Nationalismus politische Verantwortung getragen und ist nach Kriegsende wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit verurteilt worden. Aber Richard spricht nicht nur über die Vergangenheitsbewältigung, er lebt sie vor. Denn der Tag der Befreiung ist keineswegs ein Tag, an dem man die dunklen Jahre einfach so abschüttelt: "Wir haben wahrlich keinen Grund, uns am heutigen Tag an Siegesfesten zu beteiligen", sagt der Bundespräsident, "aber wir haben allen Grund, den 8. Mai 1945 als das Ende eines Irrweges deutscher Geschichte zu erkennen, das den Keim der Hoffnung auf eine bessere Zukunft barg." Diese Zukunft hat Richard von Weizsäcker maßgeblich mitgestaltet: Als hoher Kirchenrepräsentant, als Regierender Bürgermeister von Berlin, als Bundespräsident. Richard von Weizsäcker hat dieses Amt mit der Würde eines gleichermaßen geschichtsbewussten wie selbstbewussten Deutschen ausgefüllt.