Der Tag danach – Episode 3

Von Trainbird

Episode 1
Episode 2

Mittwoch, 29.9.
Um kurz nach sieben Uhr wird mir gesagt, ich dürfe nach Hause gehen, weil der Durchfall endlich aufgehört hat. Jetzt wird dann auch erstmals was gegen die Infektion selbst unternommen, was in Form von zwei Spritzen pro Tag, fünf Tage lang geschehen soll. Dazu wird noch ein Berg an Tabletten aufgeschrieben, von denen es eine zurzeit nicht in der Apotheke des Krankenhauses gibt, aber in der Form auch in keiner anderen Apotheke der Stadt, deshalb wird die wohl warten müssen.

Jetzt hätte ich schon beinahe die angekündigte und mit Freuden erwartete Szene mit dem Pflaster vergessen zu erzählen. Kurz vor Verlassen des Hospitals (Ja wann denn sonst? Nachher? ) fängt eine Krankenschwester an, das Pflaster schön vorsichtig und Härchen für Härchen abzuzupfen (Gratisteilarmenthaarung), bis es zum Augenblick der Wahrheit kommt und der Anschluss weg muss. Ich kann schon nicht mehr unterscheiden, wo es wehtut, der gesamte linke Unterarm quält sich. Es geht aber relativ rasch vorbei und schon wird mir der drei Zentimeter lange Schlauch gezeigt, der da seit gestern in meiner Vene gehangen hat. Wer hat sich diese barbarische Methode eigentlich ausgedacht? Und das für zwei Spritzen? Ich weiß nicht …

Naja … zuhause wird erst mal geduscht, was wieder verdammt kalt ist, vor allem, weil die Sonne sich immer noch dick mit Nicoles Wolken zudeckt. Aus Richtung Park hört man jetzt immer wieder Feuerwehrsirenen, die allerdings zurzeit nicht im Katastropheneinsatz sind, sondern Spenden sammeln. Wenig später ist die Spendenaktion auch im lokalen Fernsehen zu sehen. Dort wird beklagt, dass erst ungefähr 5000C$ gespendet wurden, was nicht ganz 200€ sind und damit definitiv zu wenig um auch nur annähernd allen zu helfen. Auch wird eine Planierraupe gezeigt, die irgendwo in Condega einen Erdwall in Richtung reißender Fluss aufschiebt.

Am Abend (leider zu spät für Fotos) gehen wir wieder Hochwasser schauen. Auf der Brücke der Panamericana stehen schon allerhand Schaulustige und auch Autos und Motorräder bremsen immer wieder ab oder bleiben stehen, während andere, vor allem die Monster-LKW Marke USA unverminderter Geschwindigkeit vorbeidonnern und die Brücke erzittern lassen. Wir sehen einen zweiten Bagger, der in Richtung der überfluteten Viertel unterwegs ist, um dort seine Arbeit zu verrichten, denn es werden noch weitere Regenfälle in der Nacht erwartet. Um zu sehen, bis wohin das Wasser am Dienstag schon gestiegen ist, gehen wir noch gen Osten bis zum Fluss, der jetzt zwar einen Meter unterhalb des Erdwalls vorbeirauscht, aber mindestens doppelt so breit wie das Flussbett ist. Auf dem Weg zurück wird mir erklärt, dass das Wasser zwei Häuserblocks mit je 100m eingedrungen ist und daraufhin alle Betroffenen in Windeseile evakuiert wurden. Evakuieren bedeutet auch immer, alles mitnehmen und auf Laster und Pickups packen, was nur geht um es bei Freunden oder Verwandten zwischenzulagern. Aber sobald das Wasser wieder zurückgeht, kehren sofort alle zu ihren Häusern zurück, weil die Angst vor Dieben, die alles, was nicht mitgenommen wurde stehlen – mit Vorliebe Wellblech und Dachziegel – groß ist.

Und jetzt gleich noch zum Donnerstag Vormittag, 30.9.
Beim Frühstück fällt mir ein roter Ausschlag auf den Händen auf. Kurz nachgesehen, auch am Bauch und den Unterarmen sind schon rote Punkterl unterwegs. Nachdem ich in der Früh genau eine Tablette genommen habe, ist relativ flott der Urheber verdächtigt, Martha – immer noch nicht ganz genesen, aber schon wieder ständig unterwegs – drängt mich, sofort zum Doc zu gehen, weil das kann gefährlich werden. Der Doc sagt dann, dass das noch keine Allergie ist, aber ich darf das Medikament nicht mehr nehmen (das war sowieso viel zu bitter …) und verschreibt eine alternative Tablette. Die ist nur noch ein Viertel so groß und weist keinen Geschmack auf und wird offenbar dessen Arbeit übernehmen.

Ich habe also gleich einige Premieren innerhalb beunruhigend kurzer Zeit erlebt: Erster stationärer Klinikaufenthalt überhaupt, erste Infusion, erstes condegianisches Hochwasser, erster nicaraguanischer Spitzname (Radio Fabian – wird sich nicht durchsetzen ), erste allergische Reaktion mit Resultat Hautausschlag, erstes richtiges die-Welt-ist-klein-Erlebnis, …

So, und heute gibt es zur allgemeinen Entspannung keine Cliffhanger mehr, ich steige wieder auf den „normalen“ Modus um