Der Stuhl – eine absurde Erfindung!

Der Autor von diesem Blog vor 50 Jahren beim Flöten. Ich gebe es ja zu: noch heute halte ich oft Dinge mit den Füssen fest. Geht aber besser ohne Socken.

Der Autor von diesem Blog vor 50 Jahren beim Flöten. Ich gebe es ja zu: noch heute halte ich oft Dinge mit den Füssen fest. Geht aber besser ohne Socken.

Eines der erstaunlichsten Phänomene ist der Stuhl.

Viele Leute denken, den Stuhl hätte es schon immer gegeben. Nein, er ist eine Erscheinung der Neuzeit. Kaum zu glauben, nicht wahr? Bei den Römern, bei den Staufern oder Habsburgen ja selbst zur Zeit Luthers war der Stuhl selten – es gab allenfalls den Thron.

Dazu einige Informationen:

Das Wort „Stuhl“ kommt aus der Wortfamilie „stehen“ und bedeutet als Hauptwort eigentlich Gestell. Gemeint war das Gestell über der Letrinegrube, das verhindern sollte, dass man beim Geschäft da reinfällt. Daher gibt es die – für uns Heutigen etwas merkwürdige – Wendung „Stuhlgang“. Das bedeutet nichts anderes als eben der Gang zum Gestell (Gestellgang).

Ganz anders ist es mit dem Thron. Der war schon den Pharaonen bekannt: ein überdimensionierter, pompöser (meist steinerner) Platz, der dem Herrscher ein besonderes Gewicht geben soll. Das Wort kam aus dem griechischen „thrònos“ zu uns, auf den Thron erheben hiess entsprechend „inthronizein“ (altertümlich bei uns noch inthronisieren).

Den Thron kannte man seit tausenden von Jahren für den König, den Richter oder den Hohepriester. Später gab es dann in den Kirchen Chorgestühl für die wohlhabenden Kirchenmitglieder – aber das gemeine Volk stand selbstverständlich in der Kirche, oder es kniete.

Ebenso das Wort Sitzen (gotisch: sitan) bedeutet, sich (auf den Boden) niederlassen, und hatte bald auch im übertragenen Sinne mit dem Eigentumsanspruch zu tun: das was man be-sitzt, oder auch der Vor-sitz (die Gruppe, die man besitzt). Oder eben der Aufsässige – welcher einen urechtmässigen Besitz anmeldet. Ist man versessen auf etwas, so will man es besitzen.

Standen die Leute also immer?

Nein, keineswegs. Wie heute noch in Asien, Afrika oder Südamerika kauerte oder sass man auch bei uns auf dem Boden. Der Schneider und andere Feinhandwerker sassen auf dem Werktisch (bei Grimms „Tapferen Schneiderchen“ noch so beschrieben). Oder aber man sass auf einer langen Bank, die mit Hilfe von einem Brett und zwei Fässern hergestellt wurde. Auf der Bank sassen die Leute gleichen Ranges. Bei uns künstlich nur noch am Bier- oder Gartenfest zu finden.

Das Wort Bank (altgermanisch) meinte einfach eine Erhöhung, daher auch die Sandbank. Dass dasselbe Wort für das Geldinstitut verwendet wird, liegt daran, dass die Italienischen Geldwechsler ihre Tätigkeit an langen Tischen/Bänken nachkamen.

Weshalb hat sich nun der Stuhl so durchgesetzt? Dass er enorme Haltungsschäden verursacht ist ja seit siebzig Jahren bestens bekannt und belegt. Zum Stichwort „Gesund Sitzen“ gibt es über 6 Mio Google Einträge und die ausgefallensten Stuhlangebote. Wenn man gelernt hat, auf dem Boden zu sitzen, ist jede Form von Stuhl absolut unangenehm. Ich selber male, lese, gestalte oder schreibe fast ausschliesslich am Boden – nur mit dem Computer ist das blöd.

Dass alle auf einem Stuhl sitzen wollten begann mit der Aufklärung durch die Überzeugung der Gleichheit der Menschen, die „égalité“ der französichen Revolution. Der Thron ist nun nicht mehr nur für den (abgesetzten) König, sondern für alle und jeden. Ein Indiz für diese Hypothese ist wohl auch, dass viele Firmen (insbesondere solche im Geldgeschäft) klare Regeln über die Grösse des Bürosessels haben. Es soll tatsächlich heute noch Firmen geben, die nur den Mitarbeitern mit Prokura erlauben, Armlehnen zu haben. Man darf sie auch nicht selber kaufen und anschrauben. Das käme einer Selbstinthronisation gleich. Der Stuhl also ein Symbol des Individualismus und gesellschaftlichen Wesensgleichheit – aber auch immer noch ein Symbol der Macht und der Unterschiede.

Was soll man also tun? Alles ist gesünder als der Stuhl:

  • die Römer lagen zu Tische (Jesus laut dem Neuen Testament übrigens auch),
  • die australischen Aborigenes stehen auf einem Bein,
  • die Menschen in Indien sitzen im Lotussitz,
  • die Japaner im Fersensitz,
  • die Afrikaner hocken sich hin
  • die Nepalis kauern,
  • nur die Cowboys bleiben im Sattel.

Einige Sitz-Varianten aus meinem Foto-Archiv:

Zum Betrachten bitte auf das erste Bild klicken.

Priesterin in Kyoto Mitarbeitersitzung Männer warten Frau wartet Tibetischer Händler Mittagessen Workshop in Südamerika Workshop Südpazifik

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