Der stille Beobachter

Wer meinen Blog kennt, weiß, dass das Muttersein für mich nicht die absolute Erfüllung gebracht hat, die ich mir erhofft oder sogar erwartet hatte. Das ist eine Realität, die nichts damit zu tun hat, dass ich meine Kinder liebe und sie ins Leben begleiten möchte. Über die Jahre habe ich mich zwar besser in die Mutterrolle eingefunden, habe viele starre Vorstellungen über Bord geworfen, bin geduldiger und leidensfähiger, manchmal sogar eine richtige Löwenmama geworden und habe mich mit vielen im Moment nicht änderbaren Dingen arrangiert. Ich bin sukzessive besser angekommen im Mamasein, nach langer Zeit und vielen mühsamen und schmerzhaften Erfahrungen. Trotzdem merke ich in vielen kleinen Situationen, dass ich nicht hundertprozentig darin aufgehe und auch wohl nie aufgehen werde. Das mag man merkwürdig, traurig oder bedauernswert finden, es ändert aber nichts an den Empfindungen.
In vielen Momenten mit den Kindern stehe ich wie neben mir und beobachte mich von oben. Momente, die manchmal harmonisch, manchmal lustig, manchmal stressig und nervenaufreibend, aber oft einfach normal sind, durchlebe ich quasi doppelt, einmal als die beteiligte Mama, die mittendrin steckt und mehr oder weniger gut mitmacht und funktioniert, und zum anderen als die beobachtende Person, die aus einer Zeit vor den Kindern (oder ohne Kinder) stammt und hämisch lacht, den Kopf schüttelt, die Stirn in Falten legt oder leise weint. Die sagt: "Was zum Teufel machst Du da?!" Leider hat diese Hintergrundstimme meist keine guten Auswirkungen, weil sie die Naivität aus vermeintlich schönen, unbeschwerten Situationen entfernt und schwierige Augenblicke noch verstärkt. Ausschalten kann ich sie aber auch nicht. Das wäre so, als würde ich zu meinem Sohn sagen (was ich nicht tue), er braucht keine Angst vor dem Hund zu haben. Die Angst geht ja davon nicht weg.
Der stille BeobachterQuelle: PixabayEinige Beispiele:
1. Letzte Woche hatte ich neue Laternen zum Basteln gekauft. Nachdem sie fertig gebastelt waren, wollten die Kinder unbedingt mit uns in der Wohnung Laterne laufen. Wir löschten also alle Lichter, nahmen jeder eine Laterne in die Hand und zogen singend durch die Wohnung. Die Kinder freuten sich sehr! Das war eine durchaus schöne, lustige, harmonische Situation und alle hatten Spaß. Doch der stille Beobachter meldete sich auch hier und grummelte, wie weit es mit mir schon gekommen sei, dass ich so etwas nicht nur mitmachen würde, sondern auch noch Spaß daran hätte! Dem Blick meines Mannes nach zu urteilen, dachte er dasselbe;)
2. Wenn meine beiden Kinder gleichzeitig auf der Toilette sitzen (die Kleine auf der Kindertoilette) und ich vor ihnen auf dem Badfußboden hocke, um darauf zu warten, ihnen die Popos abzuwischen, und sie sitzen und sitzen und grinsen und sitzen, und ich warte und meine Lebenszeit verrinnt, aber wehe, ich gehe weg, dann wird gebrüllt, dann sagt die Stimme, wie erniedrigend das Mamadasein doch ist und warum ich mir das antue. Und doch kann ich natürlich nichts anderes tun, als dazusitzen und zu warten und meine Mama-Aufgabe zu erfüllen.
3. Ich vermisse ja viele Aktivitäten, Ausflüge und Abwechslungen, die wir früher ohne Kinder gemacht haben, und versuche immer, wenigstens einen klitzekleinen, kinderkompatiblen Teil davon im Wochenende unterzubringen. Inklusive Beachtung der Schlafenszeiten, des Hungers, der möglichst kurzen Autofahrt und der für Kinder interessanten Aspekte kommen da leider nicht viele Dinge aus meinem früheren Leben infrage. Wenn ich dann die Kinder befrage und sie einen Ausflug zu den Pferdekoppeln aus verschiedenen Möglichkeiten auswählen, ich mich dann halbkrank (wie oft in letzter Zeit) aufraffe und wir den wunderschönen, bekannten, früher schon geliebten Weg entlang der Pferdekoppeln zu einem kleinen See spazieren, ein Kind aber nur am Nölen und Meckern ist, man ihm nichts recht machen kann und es damit allen die Laune verdirbt, weil wir eben alle nicht so dickfellig sind, als dass uns das nicht beeinträchtigen würde, dann wird der stille Beobachter wieder lauter und konstatiert, wie undankbar, sinnlos und kräftezehrend das ist, was ich mache.
Das waren einige wenige Beispiele aus unzähligen Situationen, die im Leben mit Kindern entstehen. Da rede ich gar nicht von täglichen Situationen wie, dass immer ein andersfarbiges Besteck gewünscht wird, zum Abendbrot nichts gegessen, aber eine halbe Stunde später über Hunger geklagt wird, man manchmal von den Kindern hin und her gescheucht und dirigiert wird wie ein Diener, man sich zum 50. Mal am Tag anhören darf, dass man eine böse Mama resp. ein blöder Papa ist, man extra vor dem Kitaabholen noch zum Bäcker eilt, das gekaufte Teilchen dann aber genau das Falsche ist, man mit einer Engelsgeduld (meist) jeglichen Marotten und Attitüden begegnet, Tobsuchtsanfälle an der Supermarktkasse aushält usw. Die Liste lässt sich beliebig fortsetzen, und sicherlich kennt jede Mama/ jeder Papa viele solcher Situationen. Das ist dann immer Wasser auf die Mühlen meines stillen Beobachters, der hämisch lacht, ungläubig zuschaut und vorwurfsvoll fragt: "Was zum Teufel machst Du da?!"
Das führt dazu, dass ich so gut wie keine Situation mit den Kindern richtig genießen kann. Abgesehen davon hat meine Fähigkeit zu Genießen sowieso mit der Anzahl und Länge der Gelegenheiten abgenommen. Der Unterschied zu früher ist, dass die Stimme des Beobachters zwar immer präsent ist, aber sich nicht mehr so in den Vordergrund drängt wie früher und mich deshalb auch weniger hadern lässt, als es lange Zeit der Fall war. Trotzdem bleibt sie mir auch nach 4 1/2 Jahren Mutterseins konstant erhalten. Kennt ihr das? Geht das mal weg oder wird mich das weiterhin begleiten? Geht ihr völlig in dem auf, was ihr mit den Kindern und für die Kinder macht, und seien es die aberwitzigsten, skurrilsten, ekligsten oder undankbarsten Dinge? Unterdrückt ihr die Stimme eures früheren Ichs, oder meldet sie sich gar nicht? Gebt mir mal ein Feedback, ob ihr euch auch manchmal so von außen beobachtet.

wallpaper-1019588
[Comic] Eight und Crane [3]
wallpaper-1019588
LEONINE Anime bringt Ghibli-Klassiker als DVD in der White Edition heraus
wallpaper-1019588
ProSieben Maxx zeigt 3. Staffel von Dr. Stone im Dezember
wallpaper-1019588
Nintendo Switch-Verkäufe liegen unter den Erwartungen