Der Stein des Anstosses

Der Stein des Anstosses

Zuerst war es nur ein Kieselstein, aufgelesen von einem Kind, der den Walliser Polizeikommandanten Varone in ein türkisches Gefängnis gebracht hat. Er wurde damit beim Zoll in Antalya geschnappt.

In der Zwischenzeit ist das Steinchen gewachsen. 15 bis 20 cm gross ist er bereits geworden und zu einem Bruchstück einer antiken Statue.

Trotzdem wurde Varone jetzt freigelassen. Wohl auf Intervention aus Bern. Ein gewöhnlicher Bürger müsste im türkischen Gefängnis vermodern.

Er habe die Gesetze nicht gekannt, sagt Varone. Ausgerechnet! Gerade er sollte wissen, dass Unkenntnis nicht vor dem Gesetz schützt.

Die türkischen Gesetze seien unverhältnismässig, wurde in den Zeitungen moniert. Da kann ich diesen Kommentatoren nur empfehlen, im Wallis ein paar Hanfstauden zu züchten. Man wird sie länger wegsperren als jeden Schwerverbrecher.

Jedes Land hat seine Gesetze und wer dort hin reist, hat sie zu respektieren. Es zeugt von Ignoranz und Arroganz, wenn wir glauben, in Antalya müssten unsere Gesetze gelten. Stellt euch vor, jeder Tourist würde einen Varone-Stein mitlaufen lassen. Die antiken Stätten wären im Nu verschwunden.

Auch in der Schweiz sind Steine an gewissen Orten geschützt. Das haben schon viele erlebt, die an einem Fluss ein paar Gartensteine einpacken wollten. Besonders heilig sind die Steine der Bankgebäude. Ein Sprayer, der den UBS-Marmor beschmutzt hatte, wurde in Zürich länger in Untersuchungshaft gesetzt als Varone in der Türkei.

So sind die Gesetze eben. In der Schweiz sind die Banken heilig und besonders schützenswert, in der Türkei die antiken Stätten.

Die Taktik Varones, seinen Rechtsbruch klein zureden und immer gerade soviel zuzugeben wie unvermeidlich, hat er wohl bei den Gesetzesbrechern im Wallis abgeguckt. Ob ihn das als Polizeikommandant besonders geeignet macht?

Mit den Polizisten ist es so eine Sache: die Grenzlinie zwischen Gut und Böse ist sehr schmal und manchmal nicht zu erkennen. Bei einigen lag es nur an der Unachtsamkeit des Schicksals, dass sie zu Polizisten und nicht zu Gangstern geworden sind – oder umgekehrt. Genauso verhält es sich bei den Metzgern und den Chirurgen ;-)

Ob Stein oder Mensch, der Stoff aus dem wir sind, beinhaltet die Geschichte des Universums. Die Steine sind unsere Brüder und Schwestern – am Anfang bestanden wir alle aus dem gleichen Stoff. Euer Traumperlentaucher.



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