Der Spaß ist was zählt

Erstellt am 15. März 2014 von Markuswaeger @markuswaeger

Für Musiker gibt es die Spielfreude. Gibt es etwas vergleichbares in der Fotografie? Oh ja, ich weiß, dass es das gibt. Ich kenne die pure Freude am Fotografieren. Aber warum wird so wenig darüber gesprochen? Und geschrieben. Statt dessen geht es nur um so ernste Dinge wie Technik und Kunst.

Kunst | Zum Beispiel geht mir die Wichtigtuerei einiger Fotografen um »die Vision« manchmal ziemlich auf den Zeiger. Weder Musiker, noch Maler, noch Schriftsteller nehmen sich diesbezüglich so ernst. Ein Buch erfordert aber beileibe mehr Engagement als ein Foto – ich weiß wovon ich schreibe. Vielleicht mag es bei Architekten angemessen sein von »Visionen« zu sprechen, denn ohne übersteht man die Jahre großer Projekte wohl kaum. Aber Fotografie muss ich zum Glück nicht so bitter ernst nehmen.

Sicher ist die Fotografie ein kreativer Akt. Gute Fotografie lebt von einem guten Auge, guten Ideen, guter Inszenierung und Gestaltung. Fotografie ist mehr als draufhalten und abdrücken. Meinetwegen mag man das als Kunst sehen wenn man will.

Doch was unterscheidet Fotografie von anderen Künsten?

Zum Beispiel, dass in keiner anderen Disziplin die Künstler so in zwei Lager gespalten sind: In jene, die glauben das Wesen der Kunst liege im Werkzeug, und jene, die glauben das Werkzeug sei bedeutungslos.

Technik | Es ist absurd zu glauben die Technik wäre irrelevant. Fotografie war schon immer eine technische Disziplin und ist es digital mehr denn je. Wer die Technik negiert bleibt Gefangener seines begrenzten Fotografiebegriffs. Wer die Technik nicht beherrscht wird von der Technik beherrscht. Oder ist zumindest davon ausgeschlossen die Möglichkeiten ausschöpfen zu können. Negieren der Technik ist eine Art kreativer Kastration. Man darf aber nicht vergessen, dass sie nur Mittel zum Zweck ist!

Dass die Technik nur ein Werkzeug zur Fotografie und nicht ihr Kern ist scheint jedoch vielen nicht bewusst zu sein. Zu vielen. Viel zu vielen. Oft habe ich den Eindruck es gibt beinahe nur jene die ihre Fotografie vor allem durch das Wesen ihrer Ausrüstung definieren.

Es geht darum die Technik zu verstehen und zu beherrschen, nicht darum die neuste Technik einzusetzen. Es ist sicher schön, die neueste, größte und beste Kamera samt teuerster Objektive zu besitzen, samt Sherpa, der das alles auf Location schleppt. Aber ohne dem Herr zu sein bringt es wenig. Und für die Qualität guter Bilder ist das noch nicht einmal zweitrangig. Einmal abgesehen von professioneller Werbefotografie. Allerdings will in der Werbung kaum einer gute Bilder sehen, sondern nur professionelle, aber langweilige Produktfotos und perfekt inszenierte Klischees die von Vision und Kunst so weit weg sind wie Schnee von der Sahara – Ausnahmen bestägiten die Regel.

Selbstverständlich weiß jeder Maler um die Bedeutung guter Pinsel und guter Farben, doch sie stehen nicht im Mittelpunkt. Sie stehen noch nicht einmal annähernd in der Nähe dessen was für den Maler von zentraler Bedeutung ist. Man kauft gute Pinsel, gute Farben – das war’s. Man studiert keine Blogs und kauft keine Testmagazine die sich beinahe ausschließlich mit Pinseln und Farbtuben befassen.

Ebenso wissen Musiker um die Bedeutung ihrer Instrumente. Aber für einen guten Musiker wird das Instrument nie im Mittelpunkt stehen. Klar gibt es Fachmagazine die Instrumente testen. Aber für Musiker steht die Musik im Vordergrund. Musiker lieben ihre Instrumente, doch sie lieben die Musik noch viel mehr. Bei Fotografen habe ich oft das Gefühl sie lieben vor allem ihre Ausrüstung. Manche Musiker sammeln Instrumente, was aber nichts mit der Neigung von Fotografen zu tun hat, nach einem halben Jahr mit einer Kamera schon auf die neueren Modelle zu schielen.

Für einen Autor ist der Computer und die Software ohnehin relativ belanglos. Eine gute Software um Bücher zu konzipieren ist Gold wert – ich würde nie ein Buch mit Word schreiben. Am wichtigsten ist eine gute Tastatur. Aber sobald das passt verschwende ich keinen Gedanken mehr darüber, sondern verfalle der Schreiberei. Schreiben ist eine besondere Art des Flows – bei mir ist sie wohl nicht von Besessenheit zu unterscheiden.

Spaß | Ich habe den Eindruck, dass bei vielen Leuten bei all der Vision, den neuesten technischen Errungenschaften und dem Pixelzählen von hochauflösenden High-ISO-Aufnahmen in der 100-%-Ansicht am Bildschirm die Freude am Fotografieren an sich abhanden kommt.

Ich weiß schon was gute Bildqualität ist. Ich arbeite wohl schon länger mit 100-%-Ansichten am Monitor wie die meisten Fotografen, denn ich machte schon Bildbearbeitung als Fotografen noch analog fotografierten. Aber gute Fotos haben damit wenig zu tun. Seht euch die Bilder des iPhone Photo Awards an. Ganz große Fotografie. Ich würde schätzen 90% aller Fotos mit High-end-DSLRs jenseits der 1000-Euro-Schallmauer (Body, ohne Objektive) aufgenommen erreichen nicht annähernd die Qualität dieser Bilder (freundlich geschätzt). Beim Pixelzählen wäre die Qualität besser, klar! Aber nicht in der Bildqualität. Und um was geht es denn in der Fotografie? Um Schärfe? Und Rauschfreiheit? Um Megapixel? Nein! Es geht um Bilder.

Ich kann nicht mit dem iPhone fotografieren. Ich finde zwar die HDR-Funktion meines iPhones (4) beachtlich und habe den Eindruck, dass Apples Software diesbezüglich Nikons, Canons und Olympus’ HDR-Funktionen den Schneid abkauft. Aber ich kann trotzdem nicht mit dem iPhone Fotografieren. Weil ich den fotografischen Prozess mit einer richtigen Kamera liebe!

Flow | Ich liebe den Prozess mit einer Kamera zu arbeiten, die gut und satt in den Händen liegt. Hochwertige Materialien die sich gut anfühlen. Ich möchte durch einen Sucher schauen und mit der Kamera verschmelzen, auch wenn ich den Wert eines Klappdisplays für extreme Perspektiven zu schätzen weiß (Handys Klappdisplays keine). Ich will über griffig und gut gerasterte Räder Blende, Zeit und ISO wählen können. Ich will ein Objektiv mit dem ich Zoomen oder an dem ich einen Ring zur Fokussierung drehen kann. Ich möchte darüber nachdenken, welches Objektiv für eine Aufnahme am besten geeignet ist und ich möchte Objektive wechseln – eines entriegeln und vorsichtig von der Kamera schrauben und ein anderes dann anlegen und verriegeln.

Ich will in RAW fotografieren und mit eigenen Händen und meiner Kreativität entscheiden wie das Rohmaterial entwickelt werden soll. Fotografie ist ein kreativer und anspruchsvoller Prozess, den ich von vorn bis hinten genieße. Sie führt mich zu einem Flow, den ich sonst nur vom Schreiben und vom Tanzen kenne, allerdings ohne auszurasten, wie beim Tanzen. Was für mich zählt ist dieser Flow.

Für den Flow brauche ich eine Kamera mit der das Fotografieren selbstverständlich wird; eine Kamera die den Fluss fördert statt ihn zu behindern. Ob diese Kamera die besten messbaren Daten auszuwerfen in der Lage ist, ist mir einerlei.

Nicht Daten zählen. Bilder zählen. Siehe iPhone Photo Award. Kamera und ich müssen in der Lage sein zur Einheit zu verschmelzen. Wenn die Kamera dabei auch noch die bestanzunehmenden Daten beim Pixelzählen erzeugt ist das super. Wenn nicht, kann ich damit leben.

Auch die Kameras die labortechnisch betrachtet nicht die besten Bilder ausspucken, erzeugen heute ausgezeichnete Aufnahmen von denen man vor wenigen Jahren auch am Ende der High-end-Skala nicht zu träumen gewagt hätte. Entscheidend ist die Kamera, die mich die besten Bilder machen lässt, und nicht die, die die beste Bildqualität liefert. Und die besten Bilder macht man nur mit Freude an der Arbeit. Also ist es wichtiger Freude an der Arbeit mit einer Kamera zu empfinden, als dass sie in Laboren und beim Pixelzählen gewinnt. Aber ich weiß, dass die Pixelzähler viel zu sehr mit Pixelzählen beschäftigt sind, als dass sie das verstehen würden.