Der Sinnsucher: Antworten auf die Frage nach dem Sinn im Leben

Von Sebastian Kuehn

Was ist der Sinn des Lebens? Lohnt sich die Suche danach? Wie stark unterscheiden sich die Antworten nach Glaubenskonzept, Einkommensschicht und Kulturkreis? Genau diesen Fragen bin ich nachgegangen. Gefunden habe ich deutlich mehr Gemeinsamkeiten als Widersprüche.

Zwei Wochen lang habe ich Gespräche mit Geistlichen, Wissenschaftlern und Menschen aller sozialen Schichten gesucht. In Kirchen, Unis, Bäckereien und Friseursalons unterschied sich die Wortwahl der Antworten, beinhaltete im Kern aber ähnliche Gedanken.

Während der zweiten Monatshälfte habe ich mich der Nomad Cruise von Barcelona nach Recife in Brasilien angeschlossen. Mit dabei waren knapp 500 digitale Nomaden. Die Fahrt über den Atlantik bot sich bestens für philosophische Meetups und 4-Augen-Gespräche an Buffet und Poolbar an.

Die Antworten, die ich in diesem Monat auf die Sinnfrage bekam, reichten von 42 (Per Anhalter durch die Galaxie) über Wochenende (ein Bauarbeiter an der Theke beim Bäcker), Glück, physische und psychische Gesundheit bis hin zu Nächstenliebe und Mitgefühl.

Einige meiner Gesprächspartner sagten auch, dass der Drang einen Sinn finden zu müssen, schon der erste Schritt ins Leid ist. Sie seien sehr glücklich ohne ein starkes Verlangen nach Sinn zu empfinden.

Bevor ich weitere Eindrücke aus den geführten Gesprächen und meiner Recherche zusammenfasse, müssen wir zunächst zwischen dem Sinn des Lebens und dem Sinn im Leben unterscheiden.

Ersteres setzt voraus, dass es einen universellen Lebenssinn gibt, der für die gesamte Menschheit oder sogar alle Lebewesen gilt. Mein Interesse in diesem Monat galt vielmehr dem individuellen Sinn, dem ein jeder von uns seinem Leben zuspricht.

Auch war es nicht mein Anspruch, eine endgültige und allgemeingültige Antwort zu finden. Diesen Versuch halte ich für vermessen. Es ging mir um die Beschäftigung mit der Frage nach dem Sinn, was an sich schon äußerst bereichernd war. Eine gute Frage ist schließlich oft mehr wert, als die Antwort.

Die Frage nach dem Lebenssinn ist eng geknüpft an das Nachdenken über das Woher und Wohin. Woher kommen wir? Warum sind wir hier? Wohin gehen wir? Um dem Leben einen Sinn zu geben, müssen wir den Grund für unsere Existenz kennen.

Warum ist es überhaupt wichtig, sich mit diesen Fragen zu beschäftigen?

Wer auf eine Reise geht, sollte wissen, wo diese beginnt und wohin sie führt. Sind wir uns dessen nicht bewusst, bleibt nur ein planloses Herumirren. Die großen Fragen der Philosophie stärken unser Selbstverständnis.

Zum anderen hilft die Beschäftigung mit der eigenen Existenz dabei, Krisen und Leid zu überstehen. Ohne Lebenssinn entsteht eine Leere, die wir mit allen möglichen Ablenkungen füllen. Oberflächliche Beziehungen, Drogen, Konsumwahn und vollgepackte Kalender sorgen dann für vorübergehende Abhilfe.

Auf Sinnverlust und Werteverfall folgt Gleichgültigkeit, die dazu führt, dass sich Menschen betäuben, nicht mehr aus dem Bett kommen oder aggressiv werden. Ein starkes Sinnempfinden kann diese Selbstverletzung verhindern.

Von Sokrates, Darwin und Abraham

„Seien Sie nett zu Ihren Nachbarn, vermeiden Sie fettes Essen, lesen Sie ein paar gute Bücher, machen Sie Spaziergänge und versuchen Sie, in Frieden und Harmonie mit Menschen jeden Glaubens und jeder Nation zu leben." - Monthy Python

Wer eine gute Antwort auf die Sinnfrage geben kann, gewinnt an Macht. Vor dem Aufstieg der Wissenschaft hatte die Kirche ein Monopol auf den Lebenssinn. Sie gab mit der Bibel quasi einen Sinngarant.

Heute sind die Kirchen leerer. Viele Menschen glauben an die Forschung. Das rationale Gehirn kann nachvollziehen, wie aus einer befruchteten Eizelle ein Mensch wird, der genetische Ausprägungen hat. Wenn wir den Menschen einzig als Zufallsprodukt oder intelligentes Tier sehen, besteht der Sinn des Daseins lediglich in der Fortpflanzung.

Ohne Glaube an etwas Höheres bleibt das Streben nach Ruhm, Liebe, Macht oder Sicherheit. Viele meiner Gesprächspartner sagten mir, dass Glücklichsein ihr oberstes Ziel sei. Eine sehr abstrakte und subjektive Antwort. Glück erfordert, dass unsere Wünsche erfüllt werden, das wir bekommen, was wir wollen. Aber geht es dabei um Lustempfinden, Selbsterfüllung oder Wachstum?

Schon die antiken Philosophen strebten nach Glückseligkeit. Sie verstanden darunter die Balance zwischen Vernunft, Mut und Trieben.

Für Hedonisten steht das Erleben sinnlicher Lust im Vordergrund. Sie tun, was kurzfristig glücklich macht und Leid vermeidet. Wie beim Lottogewinner ist dieses Glück von kurzer Dauer.

Sokrates argumentiert, dass echtes Wohlbefinden nur auf dem eudämonischen Weg erlangt wird. Glückseligkeit entsteht im Inneren. Dabei geht es um Selbsterkenntnis, Gerechtigkeit, Eigenverantwortung und das Verfolgen intrinsischer Ziele, die ihrer selbst Willen verfolgt werden.

Kommen wir aus dem Nirgendwo und verschwinden genauso unspektakulär wieder, nachdem der Körper gestorben ist? Machen wir unseren Sinn selbst oder empfangen wir diesen von etwas Unbewusstem?

Weder Wissenschaft noch Theologie können eine Antwort geben, die alle von uns befriedigt. Atheisten und Theisten streiten. Darwinisten erklären. Spiritualisten fühlen.

Nihilisten sagen sich von Gott ab. Das Individuum steht im Vordergrund. Es folgt einzig seinen Trieben und Neigungen. Alles ist erlaubt.

Deterministen halten sich an die Naturgesetze, wodurch sie den Zustand der Welt als unveränderbar sehen, womit sie uns keine Entscheidungsfreiheit zusprechen.

Existenzialisten kennen weder Gott, noch ein Leben nach dem Tod. Das Leben an sich hat keinen Sinn. Jedem Menschen ist es aufgegeben, frei zu wählen und zu entscheiden, was er mit seinem Leben tun will. Frei sein heißt zum Freisein verurteilt sein.

In den abrahamitischen Religionen geht es um die Gemeinschaft mit Gott und die Einhaltung der göttlichen Gebote. Der Grund für unsere Existenz sei es, Gott zu ehren und zu dienen.

Trotz aller Unterschiede von Buddhismus und Hinduismus, ist auch hier die ewige Gemeinschaft mit dem Göttlichen das Ziel. Dieses Ziel erreicht, wer kein Karma mehr hat, wodurch der Kreislauf der Reinkarnationen durchbrochen wird und das Leid ein Ende findet.

So verschieden diese Glaubenskonzepte auf dem ersten Blick erscheinen, widerlegen sie sich nicht zwangsläufig. Voneinander zu lernen, das war auch das Anliegen der meisten meiner Gesprächspartner.

Lebenssinn im Göttlichen

„Gott hat uns mit dem tiefen Bedürfnis erschaffen, Antworten auf Fragen des Lebens zu bekommen; dazu gehört auch der Wunsch, den Sinn des Lebens herauszufinden" - Matthäus 5:3

Religionen geben eine recht klare Antwort auf die Sinnfrage. Ich habe mich mit katholischen und evangelischen Pfarrern, einem buddhistischen Mönch und praktizierenden Muslimen unterhalten. Dank dieser Gespräche bekam ich einen besseren Zugang zu den großen Weltreligionen.

Eine inspirierende Unterhaltung hatte ich mit dem wohl bekanntesten bayrischen Pfarrer, Rainer Maria Schießler. Er bezeichnet sein katholisches Pfarrerbüro als Werkstatt und sagt, dass er in vielen Kneipen schon mehr über Gott gelernt hat, als in manchen Bibelkreisen.

Die Grundlage für ein gelungenes Leben liegt für ihn in der Frömmigkeit. Indem wir Gott lieben, achten und ehren, begegnen wir ihm in allen Aspekten des Lebens. Besonders betonte Pfarrer Schießler, dass Gott uns als Gestalter erschaffen hat. Unseren Gedanken und Worten müssen Werke folgen.

Pfarrerin Sabine Nagel ist seit 28 Jahren im Dienst der evangelischen Kirchengemeinde und kürzlich von der Münchner Heilig-Geist-Kirche an die Apostelkirche nach Weilheim gewechselt.

Bei meinem Besuch sagte sie mir, dass wir als Ebenbild Gottes unsere Begabungen füreinander einsetzen sollen. Dabei gibt es keine große Lebensaufgabe. Es geht vielmehr um das Loslassen vom Ego. Erst dann können wir uns freimachen für neue Erfahrungen.

Besonders betont hat die Pfarrerin das Miteinander, sowohl das Leben in Beziehungen, Gemeinden und Völkern sowie die Verbindung zu Gott. Sinnvoll ist letztendlich, dass es mir und anderen gut geht. Als Richtlinie dafür dienen die 10 Gebote.

In Gesprächen mit Anhängern des Islam wurden neben der Liebe zu Gott und dem Dienen vor allem betont, dass es laut dem Koran unsere Verantwortung sei, zu hinterfragen. Der Sinn im Leben bestünde darin, durch die Verbindung zu Gott die eigene Wahrheit zu spüren.

Ein Vertreter der buddhistischen Gesellschaft München, der selbst viele Jahre in einem thailändischen Kloster lebte, sagte mir, dass es keine Notwendigkeit gibt, über den Sinn des Lebens nachzudenken. Sein Ziel sei es, sich von Problemen und Leiden zu befreien. Die Beschäftigung mit der Zukunft lenke davon ab, im Moment zu sein und die Daseinszusammenhänge von Ursache und Wirkung zu begreifen.

All diese Antworten sind natürlich subjektiv und sollen keine Verallgemeinerung für komplexe Glaubenskonzepte sein. Als Konfessionsloser haben sie mir jedoch sehr stark dabei geholfen, einen Einblick in die vielen positiven Aspekte der Religionen zu bekommen.

Die Weltreligionen erscheinen mir wie ein leckeres Buffet, an dem ich mich je nach Hunger bedienen kann. Für mich verliert die Bibel nicht an Wert, weil sie nicht mit der wissenschaftlichen Evolutionstheorie übereinstimmt. Genauso finden sich im Buddhismus auch wertvolle Lehren für diejenigen, die nicht an die Wiedergeburt glauben. Ich höre zu, versuche zu verstehen und nehme mit, was sich für mich sinnvoll anfühlt.

Lebenssinn in der Logotherapie

„Das Leben selbst ist es, das dem Menschen Fragen stellt. Er hat nicht zu fragen, er ist vielmehr der vom Leben her Befragte, der dem Leben zu antworten - das Leben zu ver-antworten hat." - Viktor E. Frankl

Sinah Altmann arbeitet als Coach auf Basis der Logotherapie und Existenzanalyse (LTEA), der „Sinnlehre gegen die Sinnleere". In einem Gespräch gab sie mir Einblicke in ihre Arbeit, die hauptsächlich darin besteht, mit ihren Kunden herauszuarbeiten, wie Leben (wieder) gelingen kann.

Begründet wurde die LTEA durch den Österreicher Viktor E. Frankl. Ausgehend von der Psychoanalyse Freuds sowie der Individualpsychologie Adlers entwickelte er die sogenannte „Dritte Wiener Schule der Psychotherapie". Ein Konzept, für das er 1926 den Doppelbegriff Logotherapie und Existenzanalyse prägte.

Die Existenzanalyse hat einen hohen psychotherapeutischen Anteil, der präventiv wirkt. Die Logotherapie ist eher Krisenmanagement, das sich der Analyse, Prophylaxe und Therapie von Sinnproblemen widmet.

Frankl ertrug während der NS-Zeit jahrelang die Inhaftierung in vier Konzentrationslagern. Diese Zeit, die keiner seiner Familienangehörigen überlebte, beschreibt er als seine Reifeprüfung. Der Wille zum Sinn spendete ihm Kraft und Motivation, um die KZ-Gräuel zu überleben.

Um Sinn im Leid zu finden, half Frankl eine Distanzierung zu dem, was passierte. Sowohl seine „Trotzmacht des Geistes" als auch Humor haben ihm dabei geholfen. Eine unbedingte Leseempfehlung dazu ist sein Bestseller „ ... trotzdem Ja zum Leben sagen ".

Sein Konzept basiert auf drei philosophischen und psychologischen Grundgedanken:

  • Der Freiheit des Willens: Als geistige Person ist der Mensch nicht nur Produkt seiner Umwelt, sondern ein agierendes Wesen, das sein Leben im Rahmen seiner individuellen Lebensumstände frei und eigenverantwortlich gestaltet.
  • Dem Willen zum Sinn: Die Gestaltungsfähigkeit ist die Grundmotivation des Menschen in der Suche nach Sinn. Kann der Mensch seinen „Willen zum Sinn" nicht zur Geltung bringen, entstehen Sinn- und Wertlosigkeitsgefühle.
  • Dem Sinn im Leben: Das Leben eines jeden Menschen, egal in welcher Situation und unter welchen Bedingungen, hat seinen eigenen, in ihm wohnenden Sinn. Dabei geht es nicht um den Sinn des Lebens, sondern individuellen, situativen Sinn.

Sinah half mir, die Sinnlehre Frankls besser zu verstehen, und sagte mir, dass „ ein Mensch in seinem Leben Werte verwirklicht, also etwas, dass für ihn persönlich bedeutsam ist. Sinnerfahrung erfolgt also nicht direkt, sondern immer über den Umweg der Werteverwirklichung. "

Mehr über die sinnzentrierte Therapie erfährst du in diesem PDF. Zur Arbeit und Unterstützung von Sinah Altmann kannst du dich auf ihrer Website belesen. Mit dem Stichwort „Barcelona" bekommst du auf eine Coachingstunde bei Sinah 10 Euro Rabatt.

Lebenssinn im Leid

„Wer ein Wofür im Leben hat, erträgt fast jedes Wie." - Friedrich Nietzsche

Frankl sagt über seine Zeit im Konzentrationslager, dass ihn der Gedanke daran, etwas oder jemand warte auf ihn, seelisch aufgerichtet hat. Auch wenn seine Frau zu dieser Zeit bereits tot war, gab ihm die Hoffnung auf ein Wiedersehen Kraft. Die geistige Freiheit konnte ihm bis zum letzten Atemzug niemand nehmen, weshalb er selbst die NS-Zeit sinnvoll gestaltete.

Wenn das Leben einen Sinn hat, muss auch das Leiden sinnvoll sein. Sowohl der Tod als auch Verluste machen diesen Sinn erst komplett. Sehr berührt hat mich die Nachricht von Anja (Name geändert), die in einer Krebsdiagnose Sinn finden konnte. Hier ein paar Auszüge daraus:

„Ich habe jahrelang alle möglichen Ausreden gefunden und immer ein „wenn" vor mein Glück gesetzt. Wenn ich studiere, dann werde ich glücklich sein... wenn ich meinen Traumjob habe ... oder wenn ich auswandere... und immer hakte es an irgendetwas. Es gibt so viele externe Faktoren, die wir nicht beeinflussen können. Wenn ich mein Glück von äußeren Umständen abhängig mache, kann ich mich, wenn ich das möchte, mein ganzes Leben dem Unglücklichsein hingeben. Als ich im Sommer die Diagnose Krebs erhielt, ist diese Idee schließlich vollends zu mir durchgedrungen. Es hat endlich Klick gemacht. Ich wollte und will die neue Herausforderung annehmen und mein Leben mit Glück füllen. Trotz allem. So ein bisschen vielleicht auch aus „Trotz". Jetzt erst recht! Nach der Diagnose war für zwei Monate erstmal keine Zeit und Energie mehr zum Nachdenken. Es gab viel zu organisieren, ein Termin jagte den nächsten. Jetzt, mit drei Monaten Abstand zur Diagnose kommt sogar sowas wie ein bisschen Routine in die Sache. Ich stelle fest, dass dieses innere Feuer „Ich will mich selbständig machen und für andere Menschen einen Mehrwert schaffen" noch größer ist als vorher. Die Menschen, die mir nahe sind, stehen immer noch an erster Stelle, aber dicht gefolgt von diesem Wunsch, der mich nicht mehr loslässt."

Lebenssinn in der empirischen Forschung

„Sinnerfüllung beruht auf einem selbstbestimmten und verantwortungsvollen Ausleben persönlicher Begabungen, das die Bedürfnisse anderer nicht außer Acht lässt und sich selbst nicht über andere stellt." - Tatjana Schnell

Bei einem Besuch im psychologischen Institut der Universität Innsbruck durfte ich Prof. Tatjana Schnell kennenlernen, die in der empirischen Sinnforschung echte Pionierarbeit leistet. Sie beschäftigt sich mit dem individuellen Sinn, den jeder von uns seinem Leben gibt.

Sinn ist kein Gefühl wie Glück oder Trauer, sondern eine Haltung. Er wird bewusst und erfahrbar, erst wenn er fehlt (ähnlich wie die Gesundheit). Um Sinnhaftigkeit zu erleben, braucht es ein grundlegendes Vertrauen darin, dass das Leben sinnvoll ist. Ich kann Sinn nicht gedanklich finden, sondern muss dem Leben einen Vertrauensvorschuss geben.

Prof. Schnell betont, dass es kein falsch oder richtig gibt. Sinnempfinden hängt von unserer Bewertung ab. Sinnvoll ist, was sich stimmig anfühlt. Genau dafür benötigt es übergeordnete Ziele, die intrinsisch motiviert und ausgerichtet an unseren Lebensbedeutungen sind. Wenn wir unsere Sinnquellen von Spiritualität über Selbstverwirklichung bis hin zu Ordnung und Gemeinschaft ausleben, empfinden wir Sinnerfüllung.

Wo für junge Menschen Selbstverwirklichung und Gemeinschaft viel Sinn stiften, werden im mittleren Alter Ordnung und im höheren Alter Selbsttranszendenz immer wichtiger.

Essentiell für ein hohes Sinnempfinden ist die Balance zwischen verschiedenen Lebensbedeutungen. Identifiziere ich mich beispielsweise nur mit der Selbstverwirklichung durch meine Arbeit, ist die Gefahr hoch, dass nach dem Wegbrechen dieser Säule eine Sinnleere oder sogar Sinnkrise folgt.

Die wichtigste Sinnquelle findet die empirische Forschung in der Generativität, was bedeutet, etwas für die Gesellschaft oder Nachkommen zu tun. Das kann durch eigene Kinder, politisches Engagement, künstlerische Aktivitäten oder die Weitergabe von Wissen geschehen.

In der empirischen Sinnforschung wurden übrigens keine Zusammenhänge von Wohlbefinden und Sinnerfüllung gefunden. Die existenziell Indifferenten (Menschen ohne Sinn) sind nicht besonders glücklich, leiden aber auch nicht unter der Sinnleere. Sie gehen davon aus, dass sie wenig Kontrolle über ihr Leben haben. Auch lehnen sie eine Reflexion über das eigene Selbst kategorisch ab. Am häufigsten zu finden ist die existenzielle Indifferenz in wohlhabenden Ländern wie Deutschland, Österreich und Frankreich.

Dennoch gibt die empirische Sinnforschung gute Gründe für die Beantwortung der Sinnfrage. Sinn motiviert nicht nur bei der Arbeit, sondern auch zu einem gesünderen, verantwortungsbewussteren Leben. Hohe Sinnerfüllung senkt das allgemeine Sterblichkeitsrisiko um 23 %. Wer sein Leben als sinnvoll (und damit als wertvoll) erachtet, geht sorgsamer mit seinem eigenen Körper und seinen Mitmenschen um.

Mehr über die Arbeit von Prof. Tatjana Schnell erfährst du unter www.sinnforschung.org und in folgendem Vortrag.

Die Gemeinsamkeiten im Lebenssinn

„Liebe Gott. Liebe Dich selbst. Liebe die Anderen."
"Sinnquellen sind Transzendenz, Selbsterkenntnis und Gemeinschaft.

Die Wahrscheinlichkeiten aus den empirischen Studien bestätigen und ergänzen vieles, dass ich von Geistlichen gehört habe. Wissenschaft und Religion füllen die gegenseitigen Lücken, anstatt unvereinbar zu sein. Wo beispielsweise die Kirche sagt „Liebe Gott, Dich und Andere", findet die Sinnforschung die Wichtigkeit der Transzendenz, Selbsterkenntnis und Gemeinschaft.

So sehr sich die Antworten von Kopf- und Herzmenschen, von wissenschaftlichen und spirituellen Ansätzen auf den ersten Blick unterscheiden, so stark sind meiner Meinung nach die fundamentalen Gemeinsamkeiten.

In allen meinen Gesprächen haben wir dieselben drei großen Themen gestreift:

  1. Selbsterkenntnis: Wer bin ich und warum bin ich hier?
  2. Gemeinschaft: Was ist mein Platz in der Welt und was möchte ich teilen?
  3. Transzendenz: Wie stelle ich eine Verbindung zu Gott her?

Der erste Punkt beschreibt das Bewusstsein über das Selbst. Es ist diese innere Beziehung, die sich auch in allen anderen Beziehungen widerspiegelt. Der Zugang zu und das Wissen über die eigene Persönlichkeit scheint eine wichtige Stütze für hohe Sinnerfüllung zu sein.

Der Mensch ist ein soziales Wesen, der ohne Gemeinschaft nicht lange überlebt. Die Verbindungen mit Gleichgesinnten stiften nicht nur Sinn, sondern sorgen auch dafür, dass wir uns selbst besser kennenlernen. Vor allem das Zurückgeben war ein zentraler Punkt in vielen meiner Gespräche.

Letzterer Punkt variiert je nach Weltanschauung, wobei meinem Eindruck nach alle Menschen mit hoher Sinnerfüllung an etwas glauben, dass das eigene Selbst übersteigt und nicht mit Worten erklärt werden kann.

Diese übersinnliche Macht wird von Plato als ewige Idee, von monotheistischen Religionen als Gott, von östlichen Traditionen als Seele, von Wissenschaftlern als Quantenphysik und von Medizinern als Unterbewusstes bezeichnet. Letztendlich ist es etwas, dass schwer logisch nachvollziehbar ist.

Meine Gedanken zum Lebenssinn

Zum Abschluss der Ausführungen vermischt sich meine Recherche mit eigenen, ganz subjektiven Gedanken. Das spiegelt mein Weltbild wieder, von dem du dir genau so viel oder wenig nehmen darfst, wie dir schmeckt.

Ich denke, Sinn entsteht mit dem Zugang zum Unbewussten. In Träumen, Gedankenblitzen oder dem Bauchgefühl zeigt sich dieser Zugang im Alltag immer wieder mal.

„Lernen heißt, sich erinnern" soll Sokrates gesagt haben. Diese unterbewussten Erinnerungen bezeichnen wir als Intuition, Gewissen, Stimme des Herzens, schicksalhafte Fügungen, Energie oder das Göttliche. Es ist eine innere Stimme, die uns leitet, wenn wir sie denn lassen.

Um diese Stimme in der Stille zu hören, müssen wir uns eingestehen, dass wir im Dunkeln tappen. Solange wir das nicht können, bedienen wir uns lediglich vorgefertigten Antworten von Religion und Wissenschaft.

Vielleicht sind wir ein kleiner Mikroorganismus von viel größeren Lebewesen, genauso, wie Zellen ein Teilorganismus unseres Körpers sind. Vielleicht spielt eine höhere Intelligenz mit uns in der Matrix. Vielleicht befinden wir uns in Platos Schattenwelt. Einzugestehen, dass wir etwas nicht wissen oder erklären können, ist der erste Schritt zur Sinnfindung.

Beispielsweise war ich während meiner Sinnsuche zu Besuch bei Scientology. Viel habe ich in der Vergangenheit über die Kirche gehört, die in Deutschland nicht anerkannt ist. Medienbeiträge zu Scientology sind zu 100% negativ, weshalb ich mir selbst ein Bild machen wollte.

Mir wurden ein paar Filme gezeigt, die natürlich das krasse Gegenteil von dem zeigten, was ich sonst über Scientology höre. Ich hatte angenehme, unaufdringliche Gespräche. Einiges räsonierte mit mir, anderes stieß auf innere Widerstände.

Ich frage mich, warum so viele Menschen ihr Glück hier finden und gleichzeitig so viel Schlechtes innerhalb von Scientology geschieht? Ein anschließender Facebook Post hat zu erhitzten Diskussionen geführt.

Wenn ich in diesem Jahr der Lifestyle X Experimente eines gelernt habe, dann ist es Offenheit. Ich möchte nicht verurteilen, auch nicht beurteilen. Schon gar nicht, wenn meine Meinung nicht auf eigenen Erfahrungen basiert.

Um der Sinnfrage auf den Grund zu gehen muss ich ausprobieren, verstehen und fühlen. Erst dann komme ich meiner Wahrheit näher. Ich möchte herausfinden, warum ich hier bin.

Ich denke, dass wir alle in eine Rolle im Leben einnehmen. Wir werden mit unterschiedlichen Erbanlagen, Begabungen und Neigungen geboren, die den Rahmen für die Aufgabe im Leben vorgeben. Wir haben die Wahl, diese Rolle anzunehmen oder eine Maske zu tragen.

Der freie Wille kann uns fernab von diesem idealen Pfad führen, was in Leid und Ohnmacht endet. Oder die Selbsterkenntnis führt uns auf den Pfad, der zu unserer Rolle passt. Letzterer ist sicher nicht der einfache Weg, aber er erfüllt mich mit Sinn.

Anstatt zu fragen, warum das Leben so oder so ist, frage ich mich, warum ich hier bin. Was lehrt mich dieses Leben, mit all den schönen und auch schmerzhaften Erfahrungen? Diese Einstellung macht aus einem passiven Opfer einen aktiven Gestalter.

Nicht nur Glücklichsein, sondern vor allem Bewusstsein, halte ich für erstrebenswert. Unser Geist will Sinnvolles schaffen und erleben. Er will entdecken und reifen. Dafür ist es nötig, mich selbst zu kennen. Wenn ich Neid, Gier und egoistische Triebe loslasse, dringe ich zu meinem natürlichen Selbst durch.

Was ist nun also der Sinn des Lebens? Ich habe keine Antwort, aber neue Fragen. Diese Fragen quälen nicht, sie sind hilfreich. Ich finde es extrem wichtig, sich auf die Suche zu machen, denn Sinn treibt an.

Ob mein Lebenssinn dann im Wochenende oder der Erleuchtung besteht, ist nicht entscheidend. Wichtig ist, dass es am Ende des Lebens gepasst hat. Dass ich meinen Werten gefolgt bin und mein eigenes Leben gelebt habe.