Der siebte Kontinent: Plastik unsichtbar unsinkbar

Von Uhupardo

Wissenschaftler berechneten, dass in den Weltmeeren sechsmal soviel Plastik wie Plankton umhertreibt. 
Traurige Berühmtheit hat die Plastikwolke im Pazifik erlangt, deren Ausdehnung die Grösse von Deutschland, Österreich, Tschechien, Polen, Luxemburg, Ungarn und der Schweiz zusammen aufweist. Doch handelt es sich bei diesem so genannten ‘siebten Kontinenten’ nicht um fassbare Abfallinseln oder Müllteppiche. Das schwimmende Material folgt komplexen Strömungswirbeln unter der Wasseroberfläche. Dies ist einer der Gründe, weshalb das Phänomen der Plastikansammlungen in Meeren lange nicht entdeckt oder unterschätzt wurde.
Ein weiterer Grund ist die witterungsbedingte oder mechanische Zerkleinerung von Plastikteilchen zu Mikroplastik bis zu Staubkorngrösse, welches von den Meerestieren in die Nahrungskette eingebaut wird. Dies hat verheerende Folgen für sie selbst, wie auch für uns als Endverzehrer.

Biologin Nadia von Moos hat 2012 die zellulären Effekte von Plastikpartikeln in Miesmuscheln untersucht.klick Sie beweist, dass beim Verzehr von Plastikpartikeln sowohl physische (Verletzungen der Organe) wie chemische Schädigungen (Störung des Hormonhaushalts) möglich sind.
Tatsächlich ist Plastiknahrung aus zwei verschiedenen Gründen bedenklich, in seinen Wirkungen jedoch nicht abklärend erforscht:
1. Bedenklich wegen der ‘langlebigen organischen Schadstoffe’ (persistent organic pollutants, kurz POPs) wie PCBHCH oder DDT. Da sie kaum wasser-, aber gut fettlöslich sind, lagern sich POPs im Fettgewebe von Lebewesen ab. Ihre Konzentration nimmt mit jeder aufsteigenden Stufe in der Nahrungskette exponentiell zu (Bioakkumulation). POPs stehen im Verdacht, unerwünschte Nebenwirkungen auf Hormonsystem, Immunsystem und Fruchtbarkeit in Organismen hervorzurufen, ausserdem Verhaltensstörungen und Krebserkrankung zu begünstigen.

2. Bedenklich wegen plastikeigenen Zusatzstoffen wie Phthalaten (Weichmacher) oder Bisphenol A. Die Weichmacher werden über die Nahrung, Speichel, Atemluft oder Haut aufgenommen, zudem lagern sie sich im Hausstaub an. Einige von ihnen haben fortpflanzungsgefährdende Eigenschaften und sind in der EU verboten.
Bisphenol A, als ein Stoff mit hoher Mobilität und hormonartiger Wirkung, kann sich aus Gebrauchsgegenständen ebenso wie aus Beschichtungen lösen und gelangt über Nahrung oder die Haut in den menschlichen Körper, wo sie das Hormonsystem vermutlich schon in geringer Dosierung negativ beeinflusst. Risiken bestehen vor allem in Bezug auf Sexualität und Reproduktionsgesundheit, Diabetes, Übergewicht, Herz-Kreislauferkrankungen sowie geistige Entwicklung und Verhalten. Er ist in Europa als unbedenklich zugelassen, in andern Kontinenten vorsorglich verboten.

Lesend an diesem Punkt angelangt fühlen Sie sich womöglich wie ich mich selbst: klein und hilflos als wie ein Plastikdeckel im Ozean angesichts des eigenen eingeschränkten Wirkungskreises.
Was können wir tun? Was, angesichts von Fastfoodmentalität, Petflaschenalltag, Plastikkleidung und Materialmix in jeder Neuanschaffung?
Antworten bietet die Ausstellung ‘Plasticgarbageproject’ in Zürich.
In Kooperation mit der Drosos Stiftung hat das Museum für Gestaltung in Zürich eine didaktische Ausstellung geschaffen, welche einen vielfältigen Zugang zum Thema Plastikabfall ermöglicht.
Neben der eindrücklichen Ausstellung zur Abfallproblematik der Weltmeere bietet das Museum Forschungsexpeditionen, Ferienprojekte, offene Diskussionsrunden, Ausstellungsgespräche mit Experten, Erzähltheater, Gamedesignwoche und Gestaltungsworkshop mit dem Material Plastik an.

Ziel ist der kreative, aktive Umgang mit einem Werkstoff, dem oft zu wenig Beachtung geschenkt wird und gerade dadurch globale Belastung wird. Nicht die gänzliche Abschaffung, sondern der bewusst sorgsame und kreative Umgang mit Plastik, das Wiederverwerten und verantwortlich Handeln ist die streng riechende Botschaft dieser Wanderausstellung, die durch die Zusammenarbeit mit Stiftung Drosos kostenfrei Einlass zu allen Veranstaltungen gewährt.
Nach Zürich wird die Ausstellung in Arnehm (NL), Hamburg (DE), Tampere (FI) und Kolding (DK) gezeigt werden.

(Thesen von H.U. Obrist, Kurator, London)

Die Antwort der Kunstwelt auf globale Probleme ist eine kreative. Sie ist die Aufforderung , unsere geistigen Plastikdeckel und Netzwerkchen zusammenzulegen zu einem bunt wabernden Teppich der internationalen Kommunikation:
zum achten Kontinent.