Neulich schrieb ich ja von der symbolischen Regierung, also von einer Staatsführung, die sich besonders auf Symbolpolitik versteht. Man konnte es ja ahnen, jetzt weiß man es: Die merkelistische Flüchtlingspolitik war auch nur so ein symbolischer Akt. Dass man nämlich jetzt ausgerechnet jene Flüchtlingsgruppe »in den Griff« kriegen will, die man bis kürzlich noch als besonders schützenswert kategorisierte, zeigt auf, wie man den Kurs dieser Regierung verstehen darf. Bis neulich sagte man, dass die Syrer ja mit drei Fronten zu tun hätten. Quasi eingekesselt seien. Die Welt schaue schon viel zu lange weg. Das gehe nun nicht mehr. Man sah die Kanzlerin, wie sie in Camps poste, wie sie Flüchtlingen Selfies mit ihr erlaubte und aussah wie eine, die diese Menschen nicht im Stich lasse. Nun hangelt sich ihre Regierung von Vorschlag zu Vorschlag. Zäune und Mauern wurden zunächst abgeschmettert – Fortsetzung folgt sicherlich. Innenminister de Maziéres Einwurf wurde jedoch nur leise entkräftet und gleichzeitig sprach Merkel dem Herrn ihr Vertrauen aus. Warum auch nicht? Man munkelt ja ohnedies, dass der Mann nur sagte, was auf der To-do-Liste der Regierung auf alle Fälle noch stehe: Keine Familien für Syrer.
Und wenn Frau und Kind auch weiterhin im Bürgerkrieg verweilen: Kein Zuzug. Abwarten. Tee trinken. Und fürchten sie auch täglich um Leib und Leben, vermissen den Vater, leiden an den Ängsten, die ein Krieg mit sich bringt und gleichzeitig am Verlust eines geliebten Menschen: Nur die Ruhe. Gemach. Ihr kommt hier nicht rein. Weil die Botschaft einerseits nur mit Eintrittsgeld zu betreten ist. Und weil man nun ganz generell ein Zeichen setzen will: Wer die Flucht schafft, der kommt fürs Erste rein. Wer sie nicht antritt, sollte sich von seinem Partner oder Vater verabschieden. Sucht euch neue Lebensgefährten und Erziehungsberechtigte! Wäre der Herr Gemahl und Papa mal daheim geblieben und nicht getürmt. Das ist Darwinismus pur. Die Starken kommen durch und haben eine Mini-Chance, die dann als Asylantrag abgewiesen werden wir. Die Schwachen bleiben zurück und sind der Not ausgeliefert. Wer nicht selbst den Parcour meistert, bei dem man um Leib und Leben fürchten muss, der wird halt im Bürgerkrieg ausgemerzt.
In Wirklichkeit sind die Zurückgelassenen ja auch Flüchlinge. Wenn auch verhinderte. Es sind eben Leute, die aus welchen Gründen auch immer, eine Flucht nicht antreten konnten. Wie gefährlich eine Flucht zum Beispiel für Kinder sein kann, sah man vor einigen Wochen, als das Bild von dem toten Jungen am Strand um die Welt ging. Wenn man nun den Menschen aus Syrien erklärt, dass der Familiennachzug ausgesetzt wird, man also schon selbst flüchten muss, um mit seinen Lieben wiedervereinigt zu werden, dann nimmt man in Kauf, dass es weitere tote Kinder, Frauen und Männer gibt. Vor einigen Wochen stand diese Politik noch da und vergoss Tränen ob solch tragischer Folgen und Bilder. Sie wollte den Schlepperbanden ans Leder oder – und das sagte man wohl, weil das Bild des toten Kindes drastische Worte des Trostes forderten – deren Markt trockenlegen und irgendwie sichere Routen schaffen. Heute ist das halbwegs vergessen und man sagt den Familienangehörigen unumwunden: »Wenn ihr kommen wollt, geht es nicht offiziell, ihr müsst flüchten wie eure Lieben, die schon da sind. Fragt sie doch mal, wie der Schlepper ihres Vertrauens hießen und handelt einen Massenrabatt aus.«
Gut, fairerweise muss man ja sagen, dass das noch nicht die Agenda ist. Merkel behauptet ja immer noch, nichts von etwaigen Vorschlägen gewusst zu haben. Das kann schon sein. Oder aber auch nicht. Dass sie gestern das sagte um heute etwas völlig anderes zu machen, ist bei ihr ja ständig vorgekommen. Warum also nicht auch jetzt? Sobald sie innerhalb der eigenen Partei ins Schwimmen gerät, wird sie »umdenken«. Und in der eigenen Partei sind es ja nicht wenige, die einen Kurs wie den des de Maizière befürworten. Schäuble. Seehofer. Letzterer sagt sich wohl, er habe seine Familie ja auch nie nach Berlin nachgeholt und es überstanden. Er suchte sich halt eine Übergangsfrau und hat so diese schwere Zeit überbrückt. Man muss eben ein ganzer Mann sein und seine Einsamkeit so gestalten, dass Mann es aushält. Auch ohne Kind und Kegel. Aber das wollen sie ja auch nicht. Vielleicht war de Maizières Äußerung aber auch nur ein Testballon, der einfach mal abchecken und ankündigen soll, was einer der nächsten Schritte sein wird.
Familienpolitik war der Union ja immer wichtig. »Die Familie, in allen ihren möglichen Ausgestaltungen, gilt als fundamentaler Bestandteil des menschlichen Zusammenlebens und bedarf Schutz und Förderung«, schreibt die Junge Union Bayern auf ihrer Webpräsenz. Vater, Mutter, Kind hält man unter Neocons für die Traumkonstellation. Daher ja die Ablehnung gegenüber Mann und Mann, die im Regelfall ja nicht mal ein Kind haben. Aber die Traumkonstellation ist halt auch nur traumhaft, wenn die Leute aus guten Verhältnissen kommen und nicht aus dem Bürgerkrieg. An solchen Vorschlägen zeigt sich, wie ernst solche Leitmotive gemeint sind. Auf Familie kann nun also verzichtet werden. Das hat dann auch den Vorteil, dass man weiterhin predigen kann, dass die Fremden »unsere Frauen« lüstern ansehen. Und das, liebe Deutsche, darf in Deutschland nur der Seehofer.
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