Der Stil der Springer-Journaille, der ja genaugenommen eher Stillosigkeit ist, ist die Verknappung, der gestraffte, der abgeknapste Satz. Eine Stillosigkeit, die zuweilen auch in seriöseren Blättern Anwendung findet - Richtschnur soll hierbei der Leser sein, der schnell, umfassend und effektiv informiert werden soll. Die Informationsvermittlung stehe somit im Mittelpunkt, unnötiger sprachlicher Tand wird zurückgewiesen; Springer und seine Nachahmer pflegen ein puritanisches, spartanisches Gepräge - sie frönen der frugalen Phrase, dem genügsamen Nebensatz, wenn es überhaupt einen Nebensatz geben soll.
Adjektive sind ohnehin Ballast, Verben unter Umständen auch - Franz Josef Wagner, derzeit Mann der Stunde bei BILD, rezitiert ausladend, aber nicht unzutreffend darüber. Für ihn zeichne sich der perfekte Satz dadurch aus, dass die Adjektive wegfielen, eventuell auch Verben - Schmodder nennt er das, die dem puren, rohen Satz im Wege stünden. Totale Verknappung sei das Prinzip. Aber gleichzeitig sollte Poesie erhalten bleiben, müsse man Sprachmelodie und Wohlklang einbauen. Wie aber die Ästhetik zu konservieren ist, wenn Eigenschafts- oder Zeitworte entfallen, verrät Wagner nicht - es bleibt sein Geheimnis, wie aus einem Satz, der hauptsächlich aus Nomen zusammengeschustert ist, ein aussagekräftiger, zudem noch schöner Satz entstehen soll.
Denn erstaunlich ist ja auch, dass Wagner zur Rechtfertigung des perfekten Satzes ausgiebig Adjektive benutzt - keine spannenden, keine seltenen fürwahr; Adjektive des Alltags zwar nur, welche wie dick, fett oder roh, aber doch immerhin Adjektive. Ohne diese, so scheint es, wäre ihm die Erklärung, wie er nach dem perfekten Satz jagt, nicht gelungen. Im Stakkato von Nomen hätte er sich vermutlich arg schwergetan, seine Stillosigkeit, die man in der BILD-Redaktion optimistisch Kunst nennt, zu umschreiben.
Bei BILD und Konsorten fallen Adjektive weg, was heißt: die Eigenschaft des Umschriebenen geht verloren, stellt nicht mehr den Gegenstand der Berichterstattung dar. Verben werden, oft durch Bindestrich-Komposita, verschluckt - der Protagonist springerscher Berichte ist damit jemand, der zur Untätigkeit verurteilt ist, weil es ihm am Tätigkeitswort mangelt. Wobei anzumerken ist, dass der Protagonist, Leute wie Guttenberg beispielsweise, durchaus auch Verben erteilt bekommen - der Protagonist (griech.; prótos, "der erste"; ágo, "ich handle") muß buchstäblich handeln; der Antagonist, Arbeitslose oder Ausländer zum Beispiel, klassische Gegenspieler also, sind beraubt des Tätigkeitswortes - sie können nichts mehr tun, sie sind zum Stillhalten verurteilt, wirken in den Berichten Springers daher undynamisch, lahm, faul. Es handelt sich dabei um Stützen-Schnorrer oder Hartz-Betrüger - das Verb wird zum Nomen, die Tätigkeit geht in die Person über; die dargestellte Person tut nicht: sie ist - sie ist an den Bindestrich geschmiedet.
Eine solche Sprache ist nicht nur für die Printmedien zweckdienlich, sie ist vielmehr tendenziell, sie frisiert Umstände, dirigiert das Denken in vorgesehene Bahnen. Wenn der Antagonist nicht mehr handeln kann, sei es nur anhand unzureichender Syntax, dann ist er dazu verdonnert, handlungsunfähig zuzusehen. Zudem treiben ihn die Komposita, mit denen man ihn überzieht, in die Rolle der Personifikation dessen, was er getan haben könnte - das heißt, er ist bereits, was als Vorwurf nur haltlos im Raum steht. Hier wird die Unschuldsvermutung untergraben, hier wird Vorurteil und Vorverurteilung erzeugt.