Der Saubermann

Von Eulengezwitscher @Edda_Eule

Immer schön Hände desinfinzieren: Der ungarische Arzt Ignaz Semmelweis hat jungen Müttern den Tod im Kindbett erspart...

Der ungarische Arzt Ignaz Semmelweis (links) hat die Krankenhaushygiene revolutioniert.

Das Kind kommt. Zack, Puls hoch. Da kann alles tausendmal durchdacht und besprochen sein, geplant und vorbereitet. Trotzdem Aufregung, Vorfreude, auch ein paar Sorgen, eine Extremsituation wie eine Geburt ist ja nicht ungefährlich. Angst vor dem Kindbettfieber ist nicht dabei. Das ist das Verdienst von Ignaz Semmelweis. Der ist knapp 200 Jahre älter als meine zweite Tochter Karla, die vor zwei Wochen gesund und munter zur Welt gekommen ist. Semmelweis verdanken wir, dass sich Ärzte und Hebammen im Kreißsaal die Hände waschen und desinsfizieren. Das Eulengezwitscher stellt eine Biografie dieses Hygienepioniers vor - aus freudigem Anlass: auch Karlas Mama hat das Kindbett gesund und munter wieder verlassen...

Anna Durnová

In den Händen der Ärzte

Ignaz Semmelweis - Pionier der Hygiene

Erschienen im Residenz Verlag im März 2015. 248 Seiten kosten in der gebundenen Ausgabe 22,90 €.


Die Lebensgeschichte

Ignaz Semmelweis hat es nicht leicht. Die Bedenken, die er vorbringt, müssen in den Ohren seiner Ärztekollegen wie blanker Hohn klingen: Die Geburtshelfer sollen dafür verantwortlich sein, dass so viele junge Mütter das Kindbett nicht mehr verlassen? Das tückische Fieber soll auftreten, weil sich die Mediziner nicht die Hände waschen? Grober Unfug! Man tut doch alles, um die unwürdigen Umstände zu beenden, unter denen vor allem unverheiratete Frauen noch im 19. Jahrhundert buchstäblich in der Gosse gebären müssen. Man hat Kliniken gegründet, um die medizinischen Standards zu heben - und man feiert sich dafür. Und da kommt dieser ungarische Quacksalber Semmelweis daher und macht all das madig?

Semmelweis hat allen Grund. Er hat erst zufällig und dann immer wieder beobachtet, wie schnell sich die bislang nicht als Krankheitserreger bekannten Bakterien ausbreiten und eben jene Fieberschübe auslösen, die beinahe jede dritte (!) junge Mutter dahinraffen. Semmelweis schlägt vor, die Hände vor jeder Untersuchung mit Chlorkalck zu desinfizieren. Zeitverschwendung, ätzen die vielen Kollegen, die ihn nicht ernst nehmen (wollen). Semmelweis wird grantig, sieht sich mehr und mehr isoliert, verbittert und stirbt schließlich 1865 im Irrenhaus. Seine Zeitgenossen hat er nicht überzeugen können, die Medizingeschichte dagegen (Gott sei Dank) schon.

Die Biografie

Die Autorin Anna Durnová schickt ihrer Biografie über Ignaz Semmelweis selbst den Bewertungsmaßstab voraus, die die Leser anlegen soll. Das macht stutzig, weil es ein wenig selbstimmunisierend wirkt und Kritik deutlich erschwert. Dabei ist ihre Zielsetzung durchaus nachvollziehbar und sinnvoll: Sie möchte auf die nach wie vor immense Bedeutung von Hygienefragen im Gesundswesen hinweisen und dabei die komplexen Wechselwirkungen von Forschung, Praxis und Politik erhellen. Das ist ehrbar, denn Anna Durnová ist von Hause aus Politikwissenschaftlerin und hat sich mit beachtlichem Erfolg ins medizinische Fachwissen eingearbeitet. Aber der Text ist eben auch näher an der Wissenschaft als am breiteren Publikum, für das sie nach eigenem Bekunden schreiben will. Sie erreicht Fachkundige und von vorne herein am Sujet interessierte Leser mit ihrem zurückhaltenden Schreibstil und einer nüchternen und abwägenden Darstellung. Das weckt und schärft das Bewusststein für die vielen (teils widersprechenden) Perspektiven und Argumente, die in der medizinischen Hygienediskussion eingenommen werden können - insofern: Ziel erreicht. Allerdings hat Anna Durnová darüber das biografische Potential, das in der tragischen Lebensgeschichte von Ignaz Semmelweis durchaus steckt, nicht ganz ausgeschöpft. Sie hätte ihre eigenen Ziele auch mit einer lebendigeren und packenderen Sprache erreichen können. Sie hätte näher an den Menschen Semmelweis heranfahren können, ohne ihrem "Fall Semmelweis" weniger gerecht  werden zu müssen.

Übrigens: Dieser Text ist über intensiven Diskussionen mit Karlas Oma, einer promovierten Medizinerin, entstanden...