ISBN 9783852188324
Haymon-Verlag
Preis: 9,95€
Taschenbuch
Alfred Irgang ist Einzelgänger. Er lebt allein in seiner Wohnung und hat doch keinen Platz. Sein Schlafplatz ist ein Sessel... wenn er ihn denn erreichen kann. Denn Alfred ist ein Messie. Er sammelt, was die anderen bewusst oder unbewusst wegwerfen. Um all seine Schätze unterzubringen, hat er, in der Stadt verteilt, Kellerräume angemietet. Am Geld dafür soll es nicht mangeln.
Kommt man in seine Wohnung, weiß man nicht, was einen zuerst sprachlos macht: Der Gestank oder die Berge von Müll. Alte Zeitungen, durchnummerierte Joghurtbecher, die von Sonntags in rot beschriftet, Gebisse, Wäsche, ein altes Damenmieder wirkt wie ein Stillleben. In der Küche werden die toten Kakerlaken liebevoll in Streichholzschachteln bestattet. Es kann nur noch durch ein Fenster ein wenig Tageslicht in die Wohnung eindringen, Wände sind verschwunden hinter neuen Wänden, gestapelt aus Pappschachteln. Eine alte, zungenlose Frau hilft ihm bei seinen Streifzügen durch die Stadt, und verteilt seine Schätze gegen Bares in seine Kellerräume.
Es gibt nur eine kleine Gruppe von Menschen, mit denen er sich regelmäßig trifft.
Sie sind Studierte, eine Schriftstellerin, die seine Geschichte gern festhalten möchte, eine Sozialpädagogin, ein Philosoph und Historiker und ein Angelist.
Gern möchten sie Alfred helfen, ihn gesellschaftsfähig machen, ihn in ihre Schiene stecken, damit alles passt.
Als Alfred wegen einer schweren Infektion in's Krankenhaus muss, schreiten sie zur Tat und tun ihm das Schlimmste an, was ihm passieren konnte.
Meine Meinung
Schon Berichte im Fernsehen über Messies haben mich von jeher interessiert. Nicht diese Doku-Soaps bei den Privaten, eher die eine oder andere Dokumentation bei den Öffentlichen.
Und auch auf dieses Buch hatte ich mich schon gefreut. Leider wurde meine Begeisterung erstmal ordentlich eingebremst, denn das Buch beginnt nicht mit Alfred, sondern den Personen, mit denen er sich regelmässig trifft. Ihre Gespräche erreichten mich so überhaupt nicht, sie langweilten mich eher.
Es ging zwar schon um Alfred, aber es war mir einfach zu viel an unnötigen Informationen. Hochtrabende Fachsimpelei, nein Danke, ohne mich.
Erst nach ca. 25 Seiten wurde es für mich interessant. Sie zeigen Alfred auf seinen Sammelwegen, mit seinen Fundstücken und seinen Gedanken, auch viel aus seiner Kindheit und als Jugendlicher. Schon früh begann er mit dem Sammeln, sortieren, ordnen, was ihn bald zum Einzelgänger machte.
Dieser Werdegang hat mich gefesselt, mir gezeigt, wie lang sein Problem schon bestand, wie es langsam gewachsen ist.
Seine Ignoranz dabei, und sich seinen Willen zu erhalten, das "Nicht sehen wollen", wie er sich mehr und mehr einigelte, ist erschreckend. Alle Versuche, ihn aus dieser Situation herauszuholen, scheitern, weil er nicht will. Das wird natürlich nicht akzeptiert, man will ihm mit aller Gewalt den Willen der Gesellschaft aufzwingen. Ich hatte schon beim Lesen die Befürchtung, dass es den "Helfenden" in erster Linie um ihr eigenes Gewissen ging, Hauptsache sie hätten alles getan, egal, wie es dabei Alfred geht. Er müsste doch einsehen, dass es so viel besser ist. Seinen entsetzlichen Schmerz dabei können sie nicht verstehen, sie haben es doch nur gut gemeint.
Unterm Strich
Die immerwiederkehrenden Treffen waren mir zu lang und zu hochtrabend, das hat mich regelrecht gestört. Die Anteile, in denen es allein um Alfred und seinen Sammelwahn ging hingegen habe ich förmlich verschlungen. Insgesamt vergebe ich 4 Sternthaler.
Evelyn Grill, geboren 1942 in Garsten, lebt als freie Schriftstellerin in Freiburg im Breisgau. Mehrere Veröffentlichungen, u.a. die Romane Ins Ohr (2002), Winterquartier (2004) und Das römische Licht (2008). Ihr Roman Vanitas oder Hofstätters Begierden war für den Deutschen Buchpreis (2005) nominiert, für Der Sammler wurde sie mit dem Otto-Stoessl-Preis (2006) ausgezeichnet.Quelle: Haymon Autorenseite