Es ist eine weit verbreitete Meinung, dass der (gebarfte) Hund über eine wesentlich aggressivere Magensäure verfügen würde, als der Mensch. Daraus wird abgeleitet, dass die Fütterung von Fleisch für Hunde kaum Gefahren durch Krankheitserreger (z.B. Salmonellen) bergen würde und auch, dass Hunde in der Lage sind, Knochen zu verdauen.
Ich habe mir die Mühe gemacht und einmal etwas aufgedröselt, was es mit der Magensäure des Hundes und den pH-Werten so auf sich hat.
Der pH-Wert
Im nüchternen Magen des Hundes herrscht ein pH-Wert von 0,5-2, im nüchternen Magen des Menschen liegt dieser bei 1,5 bis 2. Kurz nach der Nahrungsaufnahme liegt der pH-Wert beim Hund etwa bei 2-3, beim Mensch bei 2-4. Dann steigt er nach einer Weile beim Hund an auf etwa 6, beim Mensch auf etwa 4-7. Bei der nächsten Mahlzeit sinkt er dann wieder ab auf 2-3 beim Hund und 2-4 beim Mensch*. Der Salzsäuregehalt der Magensäure beträgt beim Hund 0,5-0,6%, beim Mensch 0,3-0,5%.
Diese Werte werden von verschienden Faktoren beeinflusst, dazu gehören z.B. die Muskulatur, das Alter, das Körpergewicht, die Tageszeit, oder auch verabreichte Medikamente.
Was ist das überhaupt - der pH-Wert?
Der pH-Wert ist eine Art Messlatte für die Unterscheidung zwischen basischem, neutralem und saurem Milieu. Das p steht für das lateinische Wort potentia und bedeutet in etwa Gewicht oder Kraft. Das H steht für hydrogenium und heißt übersetzt Wasserstoff. Wasserstoff steht für Wasserstoff-Ionen, auch Protonen genannt. Gemessen wird der pH-Wert in der Konzentration dieser Protonen, also der Wasserstoff-Ionen.
Der pH-Wert sagt also aus, wie hoch die Konzentration der Protonen ist. Je mehr Protonen enthalten sind, desto niedriger ist der pH-Wert.
Ein niedriger pH-Wert sagt also aus, dass die Konzentration der Protonen hoch ist ...
Das ist ja eigentlich ein Widerspruch. Dieser Widerspruch rührt daher, dass die Zahl durch einen negativ dekadischen Logarithmus ausgedrückt wird. Dabei ist der niedrigste Wert der mit der höchsten Konzentration:
7 = neutral
6 = sauer 1
5 = sauer 10
4 = sauer 100
3 = sauer 1000
2 = sauer 10.000
1 = sauer 100.000
0 = sauer unendlich
(basisch wären dann 8-14)
Was haben die Protonen mit der Salzsäure zu tun?
Die Protonen werden in den Belegzellen (Drüsenzellen der Magenschleimhaut) gebildet und sind Bestandteil der Salzsäure. Je mehr Protonen in der Salzsäure enthalten sind, desto niedriger (saurer) der pH-Wert.
Nötig für die Bildung der Salzsäure sind außerdem Chlorid-Ionen, welche der aufgenommenen Nahrung entstammen und zwar vorwiegend aus Salz. Je höher ihr Anteil in der Salzsäure, desto basischer der pH-Wert.
Die Belegzellen, welche quasi die Protonen liefern, werden durch das Hormon Gastrin stimuliert. Das Hormon Gastrin regt also die Bildung der Salzsäure und damit die Sekretion der Magensäure an. Es wird in den G-Zellen des Magen-Darm-Trakts synthetisiert, was sowohl durch bestimmte Zellen im Magen angeregt (bei Nahrungsaufnahme), als auch durch das Nervensystem (Pawlow, Magensaft wird gebildet in der Erwartung von Futter) beeinflusst wird.
Eiweiße, Salze, bzw. Gewürze, hohe Calciummengen (Milchprodukte oder Knochen) und auch Wasser regen die Freisetzung von Gastrin und damit die Bildung der Salzsäure und somit des Magensaftes an.
Haben Hunde einen
Wenn man sich die oben gezeigte Übersicht der pH-Werte näher anschaut, wird klar, woher die Aussage kommt, dass der Salzsäuregehalt beim Hund 10-mal höher sei als beim Mensch. Die Abstufung des negativ dekadischen Logarithmus erfolgt quasi in 10er -Schritten. Wenn der pH-Wert z.B. bei 2 liegt, sind 10-mal mehr Protonen enthalten, als wenn er bei 3 liegt.
→ pH-Wert 3 = Konzentration 1000
→ pH-Wert 2 = Konzentration 10.000 (10 x 1000)
Dabei ist es aber gar nicht der Salzsäuregehalt, der 10-mal höher ist, sondern der Gehalt an Protonen, bzw. deren Konzentration. Die Salzsäure besteht ja nicht nur aus den Protonen, sondern auch aus den Chlorid-Ionen.
Da außerdem der pH-Wert beim Menschen bei 2-4 liegt und beim Hund bei 2-3, kann man auch nicht generell sagen, dass Hunde eine 10-fach höhere Konzentration der Protonen im Magensaft haben. Diese Aussage würde nur stimmen, wenn z.B. Hunde immer einen pH-Wert von 2 im Magen hätten und Menschen immer einen von 3.
Wodurch wird die Konzentration der Protonen beeinflusst?
Die Fütterung von Fleisch (oder auch Salz, Milchprodukte, Knochen) regt zwar die Produktion der Magensäure an, hat jedoch keinen Einfluss auf die Konzentration der Protonen und somit den pH-Wert.
Lt. Meyer/Zentek kann die Aufnahme sehr hoher Eiweißmengen sogar dazu führen, dass der pH-Wert nicht ausreichend gesenkt wird. Dieser Effekt wurde in verschiedenen Versuchen festgestellt. Die Fütterung sehr hoher Eiweißmengen führte dabei sogar zu einem höheren pH-Wert, als die Fütterung von Kohlenhydraten. Trotzdem kann man sagen, dass der pH-Wert quasi festgelegt ist und durch Nahrungsbestandteile wenig bis gar nicht beeinflusst wird.
Und was ist mit den Knochen?
Hunde können Knochen verdauen, wenn entsprechend ausreichend Magensäure gebildet wird. Um die Bildung der Magensäure anzuregen, ist es hilfreich Fleisch mit den Knochen zu füttern, was aber nicht bewirkt dass der pH-Wert sich ändert, sondern lediglich, dass die Sekretion weiter angeregt wird.
Die Auswirkung ist jedoch auch nicht bei allen Hunden gleich. Es gibt durchaus Hunde, deren Magen nicht so gut mit Knochen zurechtkommt, wie andere. Knochen sollten daher nur gefüttert werden, wenn Hund und auch Halter damit gut zurecht kommen.
Können Hunde denn jetzt an Salmonellen erkranken?
Können in diesem Milieu Keime zerstört werden? Ja, viele Keime überstehen dieses saure Milieu nicht. Auch bei den Menschen. Es kommt jedoch sowohl auf den „Säuregrad" als auch auf die Keime an. Ein gutes Beispiel sind die Salmonellen, diese werden häufig als große Gefahr der Rohfütterung genannt.
Salmonellen fühlen sich in einem Milieu mit pH-Werten von etwa 4,5-9 sehr wohl. Erst bei einem pH-Wert unter 4 können sich die Krankheitserreger nicht mehr vermehren. Das heißt aber nicht, dass sie zerstört sind. Ob sie zerstört werden, ist von weiteren Faktoren abhängig und kann nicht generell erläutert werden. Die ganz sichere Zerstörung findet nur bei einer Erhitzung der Nahrung auf über 70°C statt.
Außerdem muss berücksichtigt werden, dass sich der noch im Magen sehr niedrige pH-Wert auf dem Weg durch den Verdauungstrakt verändert. Es werden im Darm durchaus Werte von 6-7 erreicht. Und wenn dann auch noch die Darmflora und das Immunsystem nicht gut aufgestellt sind ...
Das betrifft natürlich auch andere Krankheitserreger. Wie schon gesagt, es kommt immer auf das individuelle Milieu und den individuellen Keim an.
Meine Empfehlung daher zum Umgang vor allem mit Fleisch:
- Achte auf die Fleischherkunft und auf einen einwandfrei hygienischen Umgang mit dem Fleisch.
- Reduziere lieber die Fleischmenge und kaufe dafür teureres Fleisch aus guter Quelle (der Protein-Bedarf kann bei einem ausgewachsenen Hund i. d. R. mit einem tierischen Anteil von 50-60% gedeckt werden. Und nein, der Hundeorganismus zählt nicht nach, ob die mg auch wirklich korrekt sind).
- Wäge gut ab, ob dein Hund roh gefüttert werden soll, bei Erkrankungen empfiehlt es sich häufig, das Fleisch lieber durchzugaren. So wird es 1. leichter verdaulich und 2. werden Krankheitserreger abgetötet.
- Fleisch sollte ohne (!!)Verpackung aufgetaut und im Kühlschrank in offenen Behältern gelagert werden. Bakterien vermehren sich unter Luftausschluss.
* Zu den pH-Werten von Mensch und Hund habe ich auf vielen Internetseiten falsche Informationen gefunden, es werden Äpfel mit Birnen verglichen. Z.B. wird häufig der pH-Wert im nüchternen Zustand dem bei Nahrungsaufnahme gegenüber gestellt.
Quellen u.a.:
Ernährung des Hundes, Meyer/Zentek
Pschyrembel klinisches Wörterbuch, de Gruyter
Anatomie und Physiologie der Haustiere, Loeffler/Gäbel
Lehrbuch für Tierheilpraktiker, Sylvia Dauborn
Oppmannh 2001, Untersuchung Magensäure, Dissertation
Artikel „Extrem saurer Magensaft bei Aasfressern - und Menschen", Wissenschaft aktuell