Der Besprechung von Will Selfs neuem Roman “Regenschirm”, die in Kürze hier zu finden sein wird, möchte ich heute schon den Hinweis auf einen kürzlich publizierten Artikel des Autos vorausschicken:
Unter dem Titel “The novel is dead (this time it’s for real)” druckte The Guardian einen verwirrenden, kontroversen Text von Will Self ab, der das Ende der Gattung Roman verkündet. Seine Reiter der Apokalypse sind Kindles, iPads und andere elektronische Lesegeräte, die aufgrund ihrer Internetverbindung die Leser angeblich von ihrer Konzentration auf einen Text abhalten und zu endlosem Surfen in den Weiten des Netzes verleiten . Aus diesem Grunde beschwört er das Ende des Romans herauf.
“There is one question alone that you must ask yourself in order to establish whether the serious novel will still retain cultural primacy and centrality in another 20 years. This is the question: if you accept that by then the vast majority of text will be read in digital form on devices linked to the web, do you also believe that those readers will voluntarily choose to disable that connectivity? If your answer to this is no, then the death of the novel is sealed out of your own mouth.”
Viele Leser und Leserinnen, die Kommentare abgegeben haben waren nur schon durch Selfs kompliziertes, fremdwortreiches Englisch abgeschreckt. Doch auch wenn man sich – Wörterbuch stets zur Hand – durch den dichten Sprachdschungel gekämpft hat, bleibt der Artikel konfus, die Aussagen nur schwer nachvollziehbar. Und weil sich Self dann auch noch erlaubt, einen Doktoranden, dessen Dissertation er betreut hat, blosszustellen, mischt sich zuletzt gar eine gewisse Antipathie gegenüber dem Autor mit in die Lektüre.
Es ist nichts Neues, dass die britische Leserschaft alles, was Self sagt und schreibt sehr kritisch betrachtet. Er ist einer, der polarisiert. Einer, dessen Meinungen häufig nicht akzeptiert und noch häufiger gar nicht verstanden werden. 2011 äusserte sich dazu der irische Regisseur Graham Linehan auf Twitter:
Whenever I can understand Will Self, he seems to be wrong.
— Graham Linehan (@Glinner) 8. Juli 2011
Mit diesem diskussionswürdigen Artikel im Hinterkopf geht es nun an die Lektüre des fünfhundertseitigen Romans, der in deutscher Fassung dieses Jahr bei Hoffmann & Campe erschienen ist. Ich gebe es gerne zu: ich habe eine gedruckte Version des Textes vor mir liegen. Gebunden, Hardcover, Schutzumschlag, Papier: ein sogenanntes Buch, ja. Will Self, in einem kurzen Wüten gegen die Literaturkritik, unterstellt in seinem Artikeln den Kritikern eine “inability to think outside of the papery prison within which they conduct their lives’ work”. Danach zitiert er dazu Marshall McLuhans “Die Gutenberg-Galaxis: Das Ende des Buchzeitalters” aus 1962. An dieser Stelle enthalte ich mich eines weiteren Kommentars, möchte Feuer nicht mit Feuer bekämpfen – eine Diskussion aber anregen:
Was denkt ihr? Sind mit dem Internet verbundene Lesegeräte wie iPad, Kindle usw. tatsächlich eine Bedrohung für die literarische Gattung Roman? Oder ist Selfs These, dass der Tod des Romans besiegelt sei, sofern Leser nicht freiwillig die Internetverbindung trennten, komplett an den Haaren herbeigezogen?