Der Rassismus und das „N-Wort“

Wie inklusiv kann Sprache sein? Aufhänger der heutigen Diskussionsrunde der Heinrich Böll Stiftung Hessen im Haus am Dom: Die Diskussionen zu Rassismus- und Sexismus, z.B. der #Aufschrei im Internet oder die taz-Debatte „Meine Damen und Herren, liebe N-Wörter und Innen!“

Interessant war vor allem der Anfang der Veranstaltung: Gastgeberin Krannich benutzte für ihre Begrüßungsrede, ohne Mikro begonnen, nicht etwa das Standmikro vorm Podium, sondern setzte sich für ihren 5minütigen Vortrag an den Platz der Moderatorin Tina Adomako von den Neuen Deutschen Medienmachern, die derweil neben ihr rumstand wie ein unartiges Schulkind. Mit dieser geradezu genialen Krannichschen Intervention war die Frage der Diskussionsrunde bereits beantwortet und der praktische Beweis erbracht, dass es auf Sprache zur Inklusion nicht in erster Linie ankommt.

Dann durfte Tina Adomako sich wieder setzen und die beiden Menschen auf dem Podium vorstellen: Frau Lann Horscheid, Professx für Gender Studies an der HU Berlin, sollte einen Vortrag halten, den Marc Fabian Erdl, Autor eines Buches über die Legende von der politischen Korrektheit – bei Insidern als PC bekannt, nicht etwa mit dem Rechner zu verwechseln – kommentieren sollte. Sich selber positionierte sie mit der Aussage, wenn sie schon diskriminiert werde, dann solle das nicht unter Ausländerfeindlichkeit laufen, sondern unter Rassismus. Schließlich sei sie Inländerin.

Als wäre das so einfach! Der anschließende Vortrag von Lann Horscheid war ein Paradebeispiel für PC: Begonnen mit dem wohlfeilen Bekenntnis zum privilegierten Weißsein, folgte viel in atemloser, engagiertester Geschwindigkeit vorgetragener Text über die sprachlichen Strukturen von Sexismus und Rassismus, darin eingestreut die häufige Erwähnung des Begriffs „N-Wort“ und das Angebot an Tina Adomako, auch den Begriff „Ausländer“ auf den Index zu setzen. Das kommentierte Marc Fabian Erdl, als er endlich zu Worte kam, mit „Sprachidolatrie!“ und der mehrmals eingestreuten, lustvoll vorgetragenen Vollversion des „N-Wortes“: Neger, Neger, Neger!

Im Publikum hob darob Stöhnen an, Gefühle wurde verletzt, eine junge weiße Frau hielt sich die Ohren zu, Gastgeberin Krannich eilte ans Podium und teilte Erdl ins Ohr mit, er habe den Begriff „N-Wort“ für Neger zu verwenden. Der machte ein erstauntes Gesicht. Dem verspätet eingetroffenen HipHopper Philipp Khabo Koepsell war offenbar auch nicht bekannt, dass in der Heinrich Böll-Gesellschaft neuerdings eine Sprachpolizei waltet. In seinem Text kamen Titten vor, nicht etwa das „T-Wort“, was im Publikum natürlich einiges Stirnrunzeln hervorrief.

In der Debatte ging es endlich auch um die soziale Wirklichkeit der Ausgrenzung, und wie der abzuhelfen wäre: Quoten für Frauen, für Türken, für Russen, für Schwarze, für Juden, für Homosexuelle und überhaupt für alle Minderheiten? Ein solides Jein von den Podiumsgästen, denen es wahrscheinlich gut geht mit der derzeitigen Lage. Tina Adomako war auffällig still die ganze Zeit, und wenn sie denn sprach, dann auffallend lieb und leise. Ob sie eine Antwort gehabt hätte auf meine Fragen, die ich nicht stellte: Wurden die Betroffenen gefragt, als das Wort Neger zum Tabu-Begriff umfunktioniert wurde, als wäre es ein Begriff für Sexualität oder Ausscheidungen? Ist beispielsweise die Initiative Schwarzer Menschen in Deutschland gefragt worden? Könnte die Lage der deutschen Schwarzen oder der deutschen Migranten durch sprachliche Manipulationen verbessert werden, wenn sich sonst nichts ändert?


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