Der Preiskrieg um die Leichen

Erstellt am 5. Oktober 2011 von Newssquared @Oliver_schreibt

Der Preiskrieg um die Leichen

Sie werben mit dem tiefsten Tiefpreis und geben einen Teil des Geldes zurück, falls ein Konkurrent doch noch billiger sein sollte. «Preisvergleiche bei Bestattungen sind nicht pietätlos, sondern entsprechen einfach nur dem Zeitgeist», findet etwa der Aeterna Bestattungs-Discount aus Berlin.

In der deutschen Hauptstadt boomt der Kampf der Billigbestatter. Der Preisknaller ist eine anonyme Feuerbestattung für knapp 500 Euro – ohne Trauerfeier, ohne Extras. Der Berliner Anbieter Sargdiscount etwa nutzt ein tschechisches Krematorium, um den Discountpreis anbieten zu können. «Das moderne Krematorium Vysocany wurde am Rande einer liebevoll restaurierten und idyllisch gelegenen Klosteranlage errichtet.» Und weiter heißt es: «Bei uns haben Sie die Wahl: Eine Kremation in Berlin, Brandenburg oder günstiger in Vysocany». Zudem sei die angrenzende Friedhofsanlage sehr gepflegt.

Ganze Busladungen mit interessierten Kunden wurden bereits nach Tschechien gekarrt. Eine Kaffeefahrt ins Krematorium, mit deftigem Mittagessen und einem Info-Rundgang durch das Todes-Areal. Wer will, kann – gegen Aufpreis – die Asche sogar aus einem Heißluftballon in der Höhe über einem Wald- oder einem Wiesengebiet verstreuen lassen. Während in Deutschland der Friedhofszwang herrscht, Urne oder Leichnam also sofort im Boden versenkt werden müssen, sind Bestattungen in Tschechien nicht so streng – und längst nicht so teuer.

Familäre Bindung wird weniger, Geld auch

Auch der Rest der Republik wird nach und nach von den Sarg-Discountern erobert. Jedes achte der 4000 deutschen Bestattungsunternehmen geht auf Discountkurs, berichtet der Branchen-Preisvergleich bestattungen.de. Das Portal schätzt, dass in diesem Jahr jede vierte der erwarteten 869.000 Bestattungen in das sehr günstige Segment fällt.

«Sehr günstig» sind Gesamtkosten von unter 1200 Euro – das ist die Hälfte der durchschnittlichen Bestattungskosten. Laut des Bundes Deutscher Bestatter belaufen sie sich auf 2500 Euro. Diese Summe zu zahlen wird für viele immer schwieriger – auch, weil im Jahr 2004 das Sterbegeld komplett abgeschafft wurde. «Viele Angehörige können sich keine teure Bestattung leisten. Und oftmals legen die Angehörigen auch nicht mehr so viel Wert darauf», erläutert bestattungen.de-Geschäftsführer Fabian Schaaf. Insbesondere in Großstädten seien die Bestattungen aufgrund der geringeren familiären Bindung nicht mehr so relevant wie früher.

Stiftung Warentest: Bestatter sind zu teuer

Traditionelle Bestatter zürnen über die unseriöse Preispolitik der Sarg-Discounter. «Das ist doch Augenwischerei», sagt Bestatter Peter Wilhelm über die Offerten. «Die wollen im Internet nur über den günstigen Preis anlocken. Aber jeder Handschlag, der über das Minimalangebot hinausgeht, muss extra bezahlt werden.» Der Bestatter aus Süddeutschland sagt, dass auch herkömmliche Bestatter den gleichen Preis anbieten könnten wie die martkschreierischen Angebote im Internet. «Wer nachfragt, wird es bekommen.»

Die Stiftung Warentest hatte bereits vor Jahren festgestellt, dass viele klassische Bestatter die emotionale Ausnahmesituation der Kunden ausnutzen und sie über den Tisch ziehen. Die veranschlagten Kosten für eine Beerdigung hätten in einigen Fällen mehr als 1000 Euro über dem offiziellen Mindestpreis gelegen, so die Stiftung. Die meisten Betriebe seien auf den ausdrücklichen Wunsch nach einer preisgünstigen Bestattung gar nicht erst eingegangen.

Welche skurrilen Fragen Bestatter Peter Wilhelm in seinem Berufsalltag von Kunden hört und wie viele Menschen er unter die Erde gebracht hat, lesen Sie hier im news.de-Interview.

Peter Wilhelm ist Bestatter in Süddeutschland. Seit 1979 ist er im Gewerbe tätig, zuletzt hatte er ein eigenes Bestattungsinstitut mit mehreren Filialen. Seit 2004 ist er im Ruhestand und schreibt über die Bestattungsbranche in Büchern und in seinem Bestatter-Blog. Jetzt ist sein neues Buch Darf ich meine Oma selbst verbrennen? im Knaur-Verlag erschienen.

Herr Wilhelm, wie viele Menschen haben Sie unter die Erde gebracht?

Wilhelm: Genau kann ich es nicht sagen. Aber es dürften einige Tausend sein.

Discount-Bestattungen liegen im Trend, die Anbieter schießen aus dem Boden. Sehen Sie darin ein ethisches Problem?

Wilhelm: Ich denke, es ist von keiner großen Bedeutung. Die Menschen möchten zwar sparen, scheuen aber andererseits den Discount-Charakter. Hier geht es ja nicht um das billigste Brillenmodell oder das günstigste Handy, sondern um den allerletzten Dienst, den man einem lieben Menschen erweisen kann. Da setzen dann doch die meisten auf Tradition und Erfahrung. In Berlin gibt es ja einige Anbieter, die sehr laut schreien. Die machen vielleicht über die Masse etwas Umsatz, aber einen großen Marktanteil haben sie nicht.

Welche Gründe haben die enormen Preisunterunterschiede bei Bestattern?

Wilhelm: Der Preis hängt vor allem von den Friedhofsgebühren ab: Mancherorts kostet ein ganz normales Reihengrab 1000 Euro, während es das auf dem Nachbarfriedhof bereits für 80 Euro gibt. Grundsätzlich kostet eine Beerdigung zwischen 2000 und 4500 Euro. Am Besten ist es aber, wenn man zu Lebzeiten einfach mal mit einem Bestatter spricht und sich das alles ausrechnen lässt. Dann erlebt man später keine böse Überraschung und kann vielleicht durch eine Sterbegeldversicherung das Schlimmste auffangen.

Wie wird man eigentlich Bestatter?

Wilhelm: Es gibt mehrere Möglichkeiten. Man kann sich einer Ausbildung unterziehen und Bestattungsfachkraft werden. Oder man lernt es im Job selbst und legt verbandsinterne Prüfungen ab. Bei mir stand am Anfang eine kaufmännische Tätigkeit bei einem Unternehmen, das neben Fenster und Türen auch Särge produziert. Früher lag das Bestattungsgewerbe zu 100 Prozent in der Hand der Schreiner.

Sie haben ein Buch geschrieben, in dem Sie die skurrilsten Fragen schildern, die Sie als Bestatter gehört haben. Wann sind Ihre Lieblingsfragen?

Wilhelm: Meine Lieblingsfrage ist immer noch die: «Kann ich einen Nichtschwimmer auf See bestatten lassen?» Auch gut ist diese Frage: «Kann ich meine Oma selbst verbrennen?» Ich stelle mir dabei vor, wie die Leute das zu Hause versuchen, wo der Kachelofen steht. Und es gab mal einen Kunden, der wollte die Asche seiner Eltern zusammenschütten, weil sie sich im Leben so geliebt haben.

Eine Doppelurne, geht das denn?

Wilhelm: In den Niederlanden gibt es so etwas. Dabei werden zwei Aschekapseln in eine Urne gestellt. Aber es ist recht utopisch, denn meistens sterben die Eltern ja nicht am selben Tag. Und in Deutschland herrscht ja Friedhofszwang – die Urne muss sofort beigesetzt werden.

Quelle:
Nachrichten -
Gesellschaft Nachrichten -
Discount-Bestatter – Der Preiskrieg um die Leichen

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Tags: Aeterna Bestattungs-Discoun, Doppelurne, Sargdiscount

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