Hauptbahnhof (Berlin)
Der gestrige Tag - vor allem der Abend - ließ das Netz kochen. Und es zeigte sich, wie selbstreferenziell es eigentlich ist; zumindest, wenn man Twitter als Maß nimmt.Das eigentliche, das wirkliche Problem ging dabei meiner Meinung nach im Geschrei und Gewese leider unter.
Was war geschehen?
Ich mache mir jetzt nicht auch noch die Mühe, das auseinander zu klamüsern; das haben Jan Falk und Oliver Koch von den Ruhrnachrichten und Lars Wienand bei der Rheinzeitung schon zu Genüge getan (hier unbedingt die komplette Storify lesen!)
Und was ist daran nun so spannend?
Es geht meiner Meinung nach um weit mehr als nur darum, dass sich ein Großteil der Twittergemeinde blamiert hat. Sondern vor allem darum, dass sich an diesem - inzwischen gar #pofallagate genannten Fall - gezeigt hat, dass Etliche dem frisch gekürten Blogger des Jahres 2013 und Betreiber des Satiremagazins »Der Postillion« mehr Glauben schenken als der gesamten Presse.
Das zeigt deutlich, wie wenig Vertrauen den etablierten Medien noch entgegengebracht wird. Zumindest, was die oft nervöse »Netzgemeinde« betrifft.
Thomas Knüwer bringt es auf den Punkt, wenn er schreibt:
Wir sehen hier, wie schwer es ist, in der zersplitterten Medienwelt des Jahres 2014 die Übersicht zu behalten. Und dass wir lernen müssen – Journalisten wie deren Kunden – den Kontext jeder einzelnen Nachricht einzuschätzen, was uns aber gerade die klassischen Medien immer mehr erschweren.
Was der Postillon getan hat, ist die Umkehrung dessen, was er täglich erlebt. Denn selbst offensichtlichste Satiremeldungen ernten bei ihm massenhaft ernsthafte Kommentare von Menschen, die offensichtlich glauben, eine Internet-Seite mit einem Steckenpferd im Logo sein eine ernstzunehmende Nachrichtenquelle.
Hoffentlich war dieser Jahresbeginn uns allen - Lesern wie Autoren - eine Lehre, seine Quellen noch einmal gegenzuprüfen ehe man sich aufregt.
Die Aufregung sollte ein ganz anderes Ziel haben
Bei allem Verständnis für den Coup, den Der Postillion landen konnte: Es geht dabei fast unter, was zum Beispiel LobbyControl und Transparency International kritisieren: dass nämlich wieder ein Politiker der Spitzenriege ohne Auszeit direkt und hochbezahlt in die Wirtschaft geht (auch wenn die DB ein Bundesunternehmen ist - sie ist ein Unternehmen).
…der ehemalige Kanzleramtschef Ronald Pofalla (CDU) [soll] Vorstand für Unternehmensstrategie und Beziehungen zur Politik bei der Deutschen Bahn AG werden.
Da wird nicht einmal mehr versucht, dem Ganzen ein Mäntelchen der Scham über zu werfen. Im Gegenteil wird deutlich klar, dass es darum geht, den Pofalla als Lobbyisten zu platzieren. Zumal dieser nach bisheriger Informationslage sein Bundestagsmandat behalten möchte. (Und dann vermutlich im Verkehrs-Ausschuss sitzen will.)
Das ist - neben der Ohrfeige, die der Postillion sowohl den Medien als auch deren Lesern versetzt hat - der eigentliche Skandal an der ganzen Geschichte.
Nic
Sehr sehenswert auch der Zusammenschnitt der Pressekonferenz zum Thema. (Das ZDF wird immer besser.) Darin der Satz: »Ich glaube nicht, das er der Spezialist für Eisenbahn im Kanzleramt war.«
Hier mein kleines Storify-Board zum Thema.
[View the story "Pofalla und der Postillion" on Storify]