Die Body-Cam rüstet die Polizei immer mehr zu einer Truppe um, die sich vom Bürger distanziert. In Hessen sind Polizisten meist in Schutzwesten unterwegs. Sie sehen aus, als seien sie sofort einsatzbereit, als warteten sie nur eine Gelegenheit, sich nicht völlig umsonst in Schale geworfen zu haben. Das hemmt. Jedenfalls jenen Teil der Bürger, die kein Problem mit der Kontrolle ihres Gewaltpotenzials haben. Aber wenn da ein Polizist mit Kamera auf der Schulter auf einen zugeht, dürfte die Hemmnis noch viel größer werden. Schließlich könnte jedes Wort gegen einen verwendet werden. Noch heißt es, dass man die Aufzeichnungen nach Dienstende löscht. Aber wer garantiert und überwacht das? Und wann wird der erste Präzedenzfall geschaffen, weil ein Bürger vielleicht etwas sagte, was der Polizei nicht so gut gefallen hat?
Schutzwesten und Body-Cams: Mehr und mehr nehmen die Beamten hier Züge der Borgs an, wie man sie aus »Star Trek« kennt. Ein Cyborg, ein Maschinenmensch, der aber wesentlich mehr Technik als Menschliches an sich hatte. In gewisser Weise entmenschlicht sich die hessische Polizei auch optisch. Sie nimmt das Aussehen eines Menschen an, der seiner Umwelt bedrohlich technisch entgegentritt. Der einen Schutzpanzer trägt, den er sich technologisch vergoldet. Der sich vom Menschlichen abhebt, dem er auf der Straße begegnet. Das schafft Distanz.
Wie gesagt, diese Kamera schafft zwar sicherlich für viele Menschen eine Barriere, mag aber in bestimmten Fällen auch zur Eskalation führen. Man denke nur an die Aggression, die Polizisten zuweilen mit Schlagstock und Schild ausgerüstet nur durch ihre Präsenz erzeugen. Menschen sehen es im digitalen Zeitalter mitunter als Bedrohung an, ohne ihr Einverständnis zu Film- oder Bildmaterial gemacht zu werden. Einen Beamten anzugreifen, weil er mit dem blinkenden Ding auf der Schulter auftritt, dürfte für einige »einschlägige Leute und Gruppen« eine Art Legitimation sein. Schließlich hat die Polizei angefangen unfaire Mittel aufzufahren. Und außerdem ist der Cyborg ja sowieso kein richtiger Mensch, oder nicht?
Die Bilder, die eine am Körper montierte Kamera liefert, sehen überdies in etwa so aus wie jene, die in Independentfilmen wie »Blair Witch Project« zu sehen waren. Den hatte man mit einer Handkamera gefilmt, gezielt auf das Stativ verzichtet, um einen dokumentarischen Anschein zu erzeugen. Deshalb wirkte alles verwackelt. Wenn die Protagonisten rannten, wippte man als Zuschauer von links nach rechts, sah dort einen Baum, huschte hinüber zu einem Strauch, sah plötzlich bloß das Laub am Boden. Es konnte einem regelrecht schlecht dabei werden. Erkenntnisse über Abläufe bekam man eher nicht. Man sah Abschnitte von Szenen. Mehr nicht. Plötzlich stand zum Beispiel der Gegenüber ganz nah. Aber als Zuschauer wusste man nicht so richtig, wie das geschah. Kurzum, die Aufnahmen, die eine solche Kamera liefert, können einen Tathergang gar nicht lückenlos dokumentieren. Sie können also ganz leicht missinterpretiert werden. Man sieht einen Mann, der sich angenähert hat, eine kurze Aufnahme seines Gesichts, das nach Wut aussieht und dann wackelt alles. Vermutlich hat sich der Beamte stark in Bewegung gesetzt. Aber wieso? Mit etwas Phantasie wird daraus ganz leicht ein Angriff, auch wenn man darüber gar nichts Genaues sagen kann.
Die hessische Politik und ihre Institutionen geben sich gerne zukunftsweisend und innovativ, merken dabei aber gar nicht, wie ihnen die Bürger abhanden kommen. Oder es ist ihnen schlicht egal. Diese Body-Cam ist ein fataler Irrtum. Sie entspricht nicht den Mitteln des Rechtsstaates und der Demokratie. Sie ist ein polizeistaatlicher Aspekt: Interpretativ, eskalierend, bedrohlich und unangemessen. Bürgernähe stellt man so nicht her. Man weist nur in eine Zukunft, in der Staatsbehörden immer stärker zur Bedrohung werden.
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