Der Politikwissenschaftler als Rätsellöser

Robert Lorenz' biografischer Essay über Oskar Lafontaine

Foto: Dirk Vorderstraße, Lizenz: CC-BY-3.0

Dieses Buch ist die vorläufige Rückschau auf ein gewaltiges politisches Leben. Eine Rückschau ist es, weil der Porträtierte von der Berliner Bühne abgetreten ist. Vorläufig ist die Rückschau, weil  sie von Oskar Lafontaine berichtet - und bei dem kann man nie wissen, ob und wann er wieder in die erste Reihe drängt. Das ist auch einer der Gründe, warum Robert Lorenz sein Buch als "Portrait eines Rätselhaften" bezeichnet. Diesem Rätsel geht er mit einem biografischen Essay nach, einem Format, das vielversprechend daherkommt: Ein gut lesbarer  Text mit der analytischen Tiefe einer renommierten Parteienforscherschmiede.

Der Politikwissenschaftler als Rätsellöser

Robert lorenz

Oskar Lafontaine

Die Biografie

Erschienen bei Monsenstein und Vannerdat im Juli 2013. 196 Seiten kosten in der gebundenen Ausgabe 11,80 €.


Robert Lorenz kann seine akademische Herkunft nicht verleugnen. Der Autor arbeitet am Göttinger Institut für Demokratieforschung, dass vom Politikprofessor Franz Walter geleitet wird. Eines von Walters Markenzeichen (neben der unverwechselbaren Frisur) ist die gleichermaßen pointierte und fundierte Politik(er)analyse. Mit seinem Lafontaine-Buch eifert ihm Robert Lorenz genau darin nach. Allerdings hat er Walters stilistische Geschliffenheit noch nicht ganz erreicht (beispielsweise beginnen sehr viele Sätze mit Und). Auch sein Umgang mit Methoden und Selbstverständnis wirkt nicht ganz so leicht und spielerisch wie beim routinierten Walter. So tastet sich Lorenz ein wenig unbeholfen an den Charakter des eigenen Textes heran. Als klassische Biografie will er sein 200-Seiten Buch schon wegen des geringen Umfangs nicht verstanden wissen (warum eigentlich? - es gibt sehr gute kurze Biografien). Auch eine streng wissenschaftliche Studie sei sein Buch nicht (Lorenz stützt sich tatsächlich sehr stark auf Presse- und Onlinequellen). Dennoch liefert er eine recht wissenschaftstypische Legitimation umreisst den Forschungsstand, erläutert die Relevanz biografischer Arbeiten im Allgemeinen und zieht die  Biografiewürdigkeit Lafontaines im Speziellen als Begründung heran. Auch im weiteren Verlauf des Buches ist der essayistische Stil häufig vom sozialwissenschaftlichen Duktus durchbrochen:

Während des Studiums traf Lafontaine auf vielfältige Sozialkontakte, die ihm Einblicke in unterschiedliche Bereiche der Gesellschaft gewährten. [...] Diese Phase seines Lebens gab ihm die Gelegenheit, reichlich gesellschaftliches Kontextwissen zu sammeln [...].

Zwar dröselt Lorenz akribisch den Werdegang und die Persönlichkeit seines Protagonisten auf, es fehlt ihm aber etwas der Mut, Lafontaine in all' seinen Launen, seinem Temperament, seiner Begeisterungsfähigkeit, seinem teils herrischen Umgang und seiner mangelnden Kritikfähigkeit aufleben zu lassen. Ein bisschen mehr Reportageelemente hätten dem Text gut getan. Von solchen Unsicherheiten im essayistischen Schreiben darf man allerdings nicht auf die Qualität der politischen Analysen schließen, mit der Robert Lorenz Lafontaine enträtselt. In dieser Hinsicht enthält das Buch einen kleinen Bruch. Etwas enttäuschend und knapp gehalten sind der politische Aufstieg und die wichtigen Jahre in der SPD-Spitze angehandelt. Die beste (und zugleich umfangreichste) Passage des Buches allerdings entschädigt für den nicht ganz gelungenen ersten Teil. In ihr setzt sich Lorenz mit Lafontaines Comeback bei der Linkspartei auseinander. Flüssig und schlüssig erläutert Lorenz nun das Phänomen Lafontaine. Gemessen an dessen gesamter poltischer Laufbahn sind die Jahre an der Seite von Gregor Gysi und Genossen sicher eine kurze Spanne. Lorenz genügen diese Jahre allerdings, um kenntnisreich und detailliert und strukturiert Lafontaines Motive, Stärken und Schwächen aufzuschlüssen. Insofern Lorenz möglicherweise besser daran getan, sein Buch über "Lafontaine und die Linke" zu schreiben. 

Streng genommen ist das Lafontaine-Buch von Robert Lorenz weder so richtig biografisch noch ein Essay. Der Göttinger Politikwissenschaftler hat sich vor allem auf die Darstellung und Deutung von Lafontaines Zeit in der Linkspartei konzentriert. Dieser Schwerpunkt des Buches ist gelungen und plausibel. Ebenso richtig ist es in solchem Rahmen sowohl die  Vorgeschichte der PDS als auch die die Vorgeschichte Lafonataines einzubinden. Beide hat Lorenz bedacht - die eine mehr die andere weniger gelungen.  So fallen die ersten 50 Seiten im Vergleich zum Rest des Buches qualitativ  ab, was den guten Gesamteindruck schmälert, mit dem man das Buch aus der Hand legt.

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