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GTL | 24.8.2013 | Kommentare (0)
Der Piratenwähler
Ich fand meinen Gesprächspartner in tiefer Verzweiflung an: Das WLAN war down. Er ist Anfang zwanzig, hat die Walddorfschule, in die ihn seine grünalternativen Eltern gesteckt haben, weil er mit seinem ADSH in der Regelschule scheiterte, so recht und schlecht abgesessen und selten sitzengeblieben.
„Ich war etliche Jahre lang Pfadfinderführer in der Gruppe 39 – Ober Sankt Veit, dann Bachelorstudium Innovationsmanagement und M.A. Informatik, OK, nicht ganz abgeschlossen, so wie bisschen BWL und Schienenfahrzeugtechnik in Graz auch nicht so ganz.“
Also zum „Hofrat“ wird der „Pirat“ wohl nie, schoss es mir durch den Kopf, aber das scheint aktuell ohnehin nicht seine Absicht. Ob und wenn dann welche Planung in antreibt, das kontne ich aber auch nicht ganz herausfinden.
„Zu den Piraten kam ich über ein „World of Warhammer Forum“ (ein MMORPG = multiplayer online role-playing game für die Uneingeweihten). Eine meiner ersten Aufgaben in der Piratenpartei war es Moderator im Bundesforum zu werden, nachdem ich Tage „gegrillt“ wurde, zuerst pseudonym mit dem Avartar „Liquid Delegate“. Ich habe mich damals echt sehr darüber gefreut, dass ich diese Aufgabe übernehmen durfte. Die Tätigkeit habe ich zwischen September 2012 und April 2013 innegehabt und bin durch so machen Shitstorm gegangen, habe fünf Abwahl-Versuche und ungezählte Flashmobs überlebt. Dennoch bin ich nicht zufrieden wie sich die Kommunikation in dem Forum seitdem entwickelt hat. Vielleicht ist es etwas, was man technisch lösen kann, z.B. durch ein gefiltertes LiquidFeedback, dass sowohl „top down“ als auch „bottom up“ über breit delegierte „Oligrachen“ moderiert wird und das „Dissen“ der „Ochlokratie“ algorithmisch ausblendet, in mir keimt aber immer mehr der Verdacht, dass es menschliche Probleme wirklich gibt, bzw. oftmals auch Verständnisprobleme, weil manche Leute nicht wissen wie man sich schriftlich ausdrücken soll, sodass andere Menschen einen verstehen und andere Leute wiederum Probleme damit haben Texte vollinhaltlich zu verstehen.“
Mit brummt der Schädel.
„Sarkasmus und schwarzer Humor sind auch Dinge, die nicht jeder Mensch verstehen kann. Für Diskussionen mit gewissen Personen ist das Forum also geeignet, andere Leute sollte man lieber auf Ignore stellen, mit diesen zu reden ist verschwendete Zeit.“ Er fügt jedoch sogleich hinzu, dass er „Natürlich niemanden auf „ignore“ stellt!“
Mein Gesprächspartner, der verzweifelt während unseres Gesprächs an den Zugangscripts herumbastelt, ist derzeit „stark im Wiener LV“ engagiert, arbeite jedoch auch „stark mit den Bundesvorständen, sowie anderen engagierten Menschen“ zusammen. Egal welche Position man inne hat in der Piratenpartei, helfe ich überall mit, wo man was Positives voran bringen möchte oder negative Dinge verhindert.“
Natürlich hasst er FB (Facebook), hat aber ebenso natürlich einen pseudonymen Account dort, um wahllos jeden „als Freund zu akzeptieren“ der ihn anschreibt, um der NSA und der Werbeindustrie eine falsche Fährte über seinen tatsächlicher Freundeskreis zu legen. Gefinkelt, das hat ihm wohl kaum die Walddorfschule beigebracht. Kommunizieren tut er über Twitter nur „Trolliges“, den Rest über Identica (Open-Source Alternative).
„Offline Piraten sind sicher ebenso wichtig wie Online Piraten, jedoch sollten sie was onlinespezifische Themen angeht auf die Expertise der “Onliner” vertrauen. Nicht alle Dinge in der Offline Welt sind 1:1 ins Online zu übertragen und umgekehrt.“
Ich nicke betreten.
Meine Frage nach seinen Sprachkenntnissen beantwortet er mit einer Aufzählung aller mir bekannten Computersprachen bis zu denen, die ich erst über Google von einem innerafrikanischen Slang zu unterscheiden lernte.
Seine Person charakterisierte er auf Nachfrage mit „transparent, flauschig offen und ahoi“.
Hackeln hat er nicht wirklich gelernt, dafür hackt er wie ein junger Assange, nur halt mit weniger Sexualkontakten. Er ist für das Gute, soweit haben ihn seine Eltern sozialisiert, solange es gratis im Netz verfügbar ist und rettet den Wald, indem er nichts ausdruckt dafür ist starben bereits ein Dutzend chinesischer Bergleute, weil er alles auf den Seltenen Erden seiner Solid State Disks speichert.
Eigentlich ist er mir nicht unsympathisch und gerade die Enthüllungen der letzten Wochen, die uns bewiesen, dass uns die Mächtigen dieser Welt das scheinbare Paradies des Internet nicht ohne Hintergedanken und keinesfalls nur für das kostengünstige Masturbieren zur Verfügung gestellt haben, zeigten, dass seine Vorstellungen gar nicht einmal so weit weg von unseren aktuellen gesellschaftspolitischen Problemen sind, nur fehlte mir der Glaube, dass er uns von seiner Parallelwelt aus in unserem Universum wirklich helfen könnte, auch wenn er mit einem befriedigenten „drinn bin i“ kommentierte, dass er seinen WLAN Zugang wieder erzwungen hat. Zwar ins Netz des Nachbarn, aber was solls, ich habe aus dem Gespräch viel gelernt:
Unter A-Hörnchen, B-Hörnchen und C-Hörnchen versteht man Mitarbeiter, deren Namen aus Datenschutz- und sonstigen Gründen noch nicht genannt werden dürfen
Arrr sagten Piraten, warum werde ich noch nachliefern.
Aye heißt, dass man den Job annimmt.
BarCamp ist ein Treffen, auf dem man sich über verschiedene Themen und Projekte austauscht, wenn es sein muss auch offline
bashen tun die Bösen einen Blackhat, also einen Hacker der “dunklen” Seite, nur weil er eine bislang unbekannte Sicherheitslücken nutzt
Club-Mate, ein bis vor kurzem nur in Argeninien verbreiteten koffeinhaltigen Getränk, ist das Viagra für Nerds
Eichhörnchen sind Platzhalter für allgemeines Ablenkungs- und Defokussierungsmanöver: “Ein Eichhörnchen sein”/”Eichhörnchen sehen” = leicht ablenkbar sein, “Eichhörnchen haben” = sich grade ablenken lassen, “Eichhörnchen fangen/dressieren/jonglieren/schießen” = viele verschiedene Dinge gleichzeitig tun, die einen von den wirklich wichtigen Dingen abhalten. Eine andere Bedeutung hingegen hat transsexuelles Eichhörnchen.
Den „Motherfucker“ der Piratenszene nennt man „Internetausdrucker“.
Selten habe ich mich so als politischen Noob (= Neuling) gefühlt, wie in diesem Interview. „plus1“ (Zustimmung/gefällt mir) zu vielem, aber ich benötige jetzt dringend Ponytime (Unterbrechung durch eine Folge von “My little Pony” – dient der Beruhigung erhitzter Gemüter) um wieder zu downen um als „Transsexuelles Eichhörnchen“ (= legitime Ersatzbezeichnung für Pirat / Piratin / Piratenbraut / Mitglied der Piratenpartei als Antwort auf die Gender-Debatte) nach einem kurzen „twoff „ (=Offline) endlich auf „42“ zu kommen (= die Antwort auf die Frage nach dem Leben, dem Universum und dem ganzen Rest).