Der perfekte Mitarbeiter

Drei Monate – ja wirklich, sogar ein bisschen länger als drei Monate – hat unser Sohn mir im Homeoffice Gesellschaft geleistet. Was hatte ich Bammel vor dieser Zeit. Ich war mir ehrlich gesagt ziemlich sicher, dass das Experiment „zu Hause Arbeiten mit Kind“ mächtig in die Hose gehen würde. Man könnte jetzt sagen: Wer nicht wagt, der nicht gewinnt. Aber das würde es nicht treffen. Ich habe nichts gewagt, ich hatte einfach keine andere Wahl. Und unser Kleiner auch nicht. Denn mit dem Schritt nach Heidelberg, haben wir auch Einiges aufgegeben. Dazu gehörte auch, dass unser Sohn Abschied von seinem Kindergarten nehmen musste.

Auf der Suche nach einem Kindergarten

Als im Raum stand, dass wir nach Heidelberg gehen, gab es eine Bedingung für mich: Wir brauchen einen Kindergartenplatz für unseren Sohnemann. Ich wäre bereit gewesen, meinen Job aufzugeben. Aber unser Sohn ist es gewohnt und liebt es, in den Kindergarten zu gehen. Unsere höchste Priorität war also, einen Kindergartenplatz zu finden. Haben wir auch. Leider am anderen Ende der Stadt und erst rund drei Monate nach unserem Umzug. Ich redete mir ein, dass die Zeit absehbar ist, dass es zur Not Großeltern gibt, die uns unterstützen. Aber vor allem habe ich versucht, das Ganze nicht zu zerdenken, auf mich zukommen zu lassen. Ist nicht so einfach, wenn man dazu neigt, sich über jeden Fitzel den Kopf zu zerbrechen. Die schlaflosen Nächte, die Mutmaßungen – all das hätte ich mir sparen können. Denn unser Kleiner ist der perfekte Mitarbeiter.

Zuerst die Arbeit, dann das Vergnügen

Stundenlang hat er in seiner Höhle, die er sich mit Tüchern unter seinem Hochbett gebaut hat, Peppa Wutz‘ Abenteuern gelauscht. Wenn ich schreiben musste, hat er gabastelt, gemalt, gepuzzlet. Sobald das Telefon klingelte, war Stille angesagt. Muchsmäuschenstill war er dann. Die größte Probe war meine wöchentlich stattfindende Telko, die gerne mal eine gute Stunde dauert und bei der wirklich nichts dazwischen kommen sollte. Ich kann es immer noch nicht glauben: Nie kam was dazwischen. Kein Mucks, rein gar nichts. Und obwohl es alles so gut lief, fieberten wir beide dem Kindergartenstart entgegen. Es ist nicht schön, das eigene Kind dauernd zu bitten, leise zu sein. Ihn zu ermahnen, nicht zu doll zu spielen, weil man sich konzentrieren muss. Ihm zu sagen, dass wir erst in ein paar Stunden auf den Spielplatz gehen können und zwar dann, wenn die Arbeit getan ist. Fühlt sich doof und keineswegs richtig an, wenn die Arbeit irgendwie Priorität hat. Aber er hat es verstanden, irgendwie. Hat sich über unser Frühstücksritual gefreut, über unsere Skateboard-Mittagpausen, über den Feierabend.

Erwartungen an den Kindergarten

Als der Kindergarten dann losging, kam ziemlich schnell die Ernüchterung. Wir hatten uns viel von der Einrichtung erhofft, die einen großen Außenbereich haben sollte, viel Wert auf Zeit an der frischen Luft, auf Naturmaterialien und Nachhaltigkeit legen sollte. Es ist ein schöner Kindergarten, aber nicht das, was wir uns erhofft und für unseren Sohn gesucht haben. Das Risiko sind wir eingegangen, denn die Einrichtung hat gerade erst aufgemacht, eine Besichtigung war also nicht möglich. Klarer Fall von Katze im Sack gekauft.

Trotzdem: Unserem Sohn hat es auf Anhieb gefallen. Die planlos wirkenden Erzieherinnen – wobei wir die Planlosigkeit damit rechtfertigten, dass die Einrichtung gerade erst eröffnet hat – waren super nett und motiviert. Aber der Weg einmal quer durch die Stadt war weit und wir gefühlt die einzigen, die nicht in unmittelbarer Umgebung wohnten.

Und dann kam eine ziemlich erfreuliche Nachricht: Wir haben einen Nachrücker-Platz in einem Kindergarten direkt bei uns um die Ecke bekommen. Aber erst in ein oder zwei Monaten. Schon wieder ging das Fragenkarussell los: Was machen wir? Wie machen wir es? Was ist gut für unseren Sohn? Kann er einen erneuten Wechsel verkraften? Brechen wir die Eingewöhnung ab und starten eine neue Homeoffice-Zeit? So unsicher ich mir bei all den Fragen war: Die letzte Frage konnte ich klar mit „NEIN“ beantworten. So gut das alles geklappt hat, eine Wiederholung wäre sowohl für mich als auch für unseren Sohn nicht gut. Wir haben die Zeit gut gemeistert, die Nähe und gemeinsame Zeit genossen, aber es hat gereicht. Er soll spielen dürfen, wenn er möchte. Soll laut sein, wenn er das Bedürfnis hat. Soll rennen, tollen und toben und das am besten mit anderen Kindern.

Kindergarten-Eingewöhnung: Hoffentlich zum letzten Mal

Der „alte“ Kindergarten, den wir nun in absehbarer Zeit verlassen werden, betrachten wir als eine Art Ferienfreizeit. Mit unserem Sohn haben wir das alles besprochen. Er weiß, dass es bald schon wieder einen Neuanfang geben wird. Er nimmt es gelassen. Er möchte ganz klar in den Kindergarten gehen bis der neue anfängt. Er möchte nicht wieder mit mir zu Hause bleiben, das hat er ganz klar gesagt. Er schläft gut, kommt gut zur Ruhe. Seine neuen Fußballschuhe interessieren ihn mehr als der Kindergarten-Wechsel. Das ist für uns das Zeichen, dass die Situation für ihn in Ordnung ist.

Trotzdem fragen wir uns, ob wir ihm zu viel zumuten? Kann sein. Wären wir auch in der jetzigen Einrichtungen glücklich geworden? Wir Eltern glauben das nicht. Und deswegen haben wir so entschieden. Mit flauem Bauch, vielen Zweifeln und Sorge, die falsche Entscheidung getroffen zu haben. Wieder mal ein neuer Weg, ein Weg, den wir unsicher betreten, der uns aber eine große Last genommen hat. Wohin er führt? Das wir die Zeit zeigen.


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