Der Pate ist zurück: Mafia 2

Der Pate ist zurück: Mafia 2
Den amerikanischen Traum hatte sich die sizilianische Arbeiterfamilie Scaletta anders vorgestellt. Von der ländlichen Armut wirft sie ihr Schicksal von der Hoffnung auf eine bessere Zukunft getrieben in die Gosse Empire Bays. In der fiktiven Bronx eines fiktiven Big Apples hat das Leben Anfang des 20. Jahrhunderts nicht viel übrig für mittellose italienische Einwanderer.
Der Vater schuftet sich im Hafen zum Krüppel und versäuft Abend für Abend seinen Lohn. Mutter, Tochter und Sohn üben sich in Bescheidenheit. Es sind jene Fundamente, die den sizilianischen Albtraum wahr werden lassen. Der Junior lernt die Gesetze der Straße kennen, wird zum Halbstarken, verkommt zum Kleinkriminellen. Der Krieg bricht aus und, um einer Haftstraße zu entgehen, willigt der junge Vito ein, für die neue Heimat die alte Heimat zu befreien.
Als der kampferprobte Sprössling 1945 zurückkehrt, ist er der neue Mann im Haus. Der verstorbene Vater hat nichts als einen Berg Schulden hinterlassen. Mit den Kredithaien im Rücken lockt trotz guter Vorsätze der einstige alte Lebensstil zu sehr: Weshalb sich zum Idioten rackern, wenn das Geld doch scheinbar auf der Straße liegt.
Drei Jahre haben die kreativen Köpfe von 2K Czech daran gearbeitet, Fans des Originals von 2002 eine würdige Rückkehr in den Sumpf des organisierten Verbrechens zu ermöglichen. 10 Jahre im Leben eines Mafioso Ende der 40er- bis Anfang der 50er-Jahre geben den Rahmen, 20 Quadratkilometer erstreckt sich die Spielwiese Empire Bay. Im Streifzug durch Downtown, Little Italy und Chinatown werden Autos geklaut, Läden ausgeräumt und gegnerische Banden aus dem Weg geräumt.
Drei Familien, die Clemente, die Vinci und die Falconi und die Hüter des Gesetzes buhlen um die Vorherrschaft. Der frische Schnee bedeckt die Straßen und Vito ist auf dem Weg nach oben. Arm in Arm mit Joe, dem besten Kumpel aus Kindertagen, dreht Vito von nun an im Auftrag von Boss DeLuca ein krummes Ding nach dem anderen. Aus dem Hinterzimmer bei der Frau Mama wird eine schicke Vierzimmerwohnung, die Lederjacke weicht dem Sakko und die Mütze dem Hut.
So wie Vitos Ansehen und Karriere ändert sich auch das Leben um ihn herum. In der thematisierten Dekade seines Werdegangs erlebt man als aktiver Zuschauer auch den Fortschritt der Zeit. Episodenhaft nähert man sich den 1950er-Jahren und erlebt den Wandel der Mode und der Automobile mit. Aus dem Radio ertönt Big-Band-Musik und die Architektur wird stromlinienförmiger. Der Winter weicht den wärmenden Sonnenstrahlen des Sommers, um Geld braucht sich die Familie schon bald nicht mehr zu sorgen.
Doch das schnelle Leben fordert seinen Tribut. Irgendwann ist das Blut an den Händen nicht mehr abzuwaschen. Auf der Leiter nach oben müssen Kronzeugen erledigt, Polizisten bestochen und stets für die Flucht gesorgt werden. Man lernt mit den Trommelmagazinen der Maschinengewehre und den Lunten der Molotov-Cocktails besser umzugehen, als mit den Gefühlen für die Geliebte. Die glänzenden "Oldtimer" werden nicht für Sonntagsausflüge aufs Land aufpoliert, sondern nach waghalsigen Verfolgungsjagden in Werkstätten umlackiert und unkenntlich gemacht.
Es ist daher auch kein Zufall dass "Mafia II" spielerisch vergleichbaren Gangster-Epen wie "GTA IV" oder auch "Red Dead Redemption" zum Verwechseln ähnelt. Statt mit dem Pferd oder dem SUV geht es mit Cadillac und Weißwandreifen zum nächsten Auftrag. Zielpersonen werden erledigt, die Flucht schließt das Kapitel wieder ab. Es ist ein brutaler, spektakulärer, aber auf Dauer auch recht eintöniger Alltag, den man in den Schuhen Vitos da bestreitet. Schleichpassagen und Verfolgungsjagden lockern den Mix etwas auf. Vielspieler dürfte jedoch des öfteren das eine oder andere Dejavu-Erlebnis plagen.
Gerettet wird der rund 15-stündige und lineare Einblick in die Unterwelt durch die überaus bemühte und über weite Strecken wirklich gut geglückte Erzählung. Selbst in der deutschen Synchronisation überzeugen die Charaktere nicht bloß ob ihrer fein gezeichneten Visagen. Die Synchronsprecher für die Hauptcharaktere lullen in das Verbrecherdrama ein und verleihen der Story Kinoflair.
Für so mancher eins dürfte der schnurstrackse Startzielsprint vorbei an Lust und Leichen vielleicht sogar ausreichend sein. Bei einer lebendigen Stadt wie Empire Bay mit 20 unterschiedlichen Stadtvierteln, detailreich ausgearbeiteten Schauplätzen und Innenräumen erschleicht einen allerdings instinktiv das Gefühl, dass hier viel mehr gemacht werden hätte können. Die Designer legen dem Spieler nach dem Sandkastenprinzip die Werkzeuge in die Hand, bieten aber kaum Baustellen dafür an. Es ist wie ein abgedrehter Film, der im Improvisationstheater läuft.
Offensichtlich schien es den Erschaffern wichtiger eine möglichst einnehmende, als eine möglichst vielseitige Kulisse zu kreieren. Die Liebe der Designer zu Kleinigkeiten ist allgegenwärtig. So kann man sich aus dem Kühlschrank etwas zum Essen holen oder mit dem Stundenmädchen kokettieren. Innenräume verzücken genauso wie die dynamische Außenwelt. Die über 50 Fahrzeuge glänzen nicht nur mit ihren farbenfrohen Anstrichen, sondern auch mit ihrem effektreichen Schadensmodell. Untermalende Klänge ertönen aus den Radios der Gefährte. Drei Sender spielen 100 Songs der 40er- und 50er-Jahre, die eigens von der Prager FILMharmonie eingespielt wurden. Auf der anderen Seite erlaubt man sich auch immer wieder technische Aussetzer, wie bei der zeitweise sehr unlogisch agierenden Polizei.
"Mafia II" schwankt acht Jahre nach dem Erscheinen des ersten Teils zwischen Wunscherfüllung und kleiner Enttäuschung. Es ist nicht zu übersehen, dass die Entwickler für die rechtzeitige Fertigstellung sprichwörtlich über die eine oder andere Leiche gehen mussten. Wer sich ein "Gran Theft Auto" im Nadelstreifanzug gewünscht hat, wird von der Geradlinigkeit ernüchtert. Gleiches gilt für das Spielprinzip selbst. 2K Czech hat erst gar nicht versucht das Rad neu zu erfinden, sondern sich ganz deutlich auf den Shooter-Aspekt konzentriert. Hier wird geballert und gesprengt anstatt getrickst.
Doch das Blut fließt und die Fliegen fallen mit einer Konstanz und Bravour, dass man dem Charme des sizilianisch-amerikanischen Roulettes als Genrefan trotz der Makel kaum widerstehen kann. Es ist wie mit einem guten Mafia-Film der 80er und 90er: Alles ist übertrieben, das Wenigste ist echt, die Falschen sind die Helden, man weiß, wer die Guten sind und möchte am Ende doch die Bösen siegen sehen.

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