Der Organisator der Gaswagenmorde oder: Wer war Walther Rauff?

Von Vergangenheitsverlag

Buchvorstellung in der Topographie des Terrors (Bericht von Lars Diedrich)
Wie wird man, was man wird, und wie wird man damit fertig?Diese Frage stellte sich Heinz Schneppen, als er die Biographie von WaltherRauff rekonstruierte. Sie leitete ihn bei der Recherche über das Leben einesMannes, der – als ganz „normaler Deutscher“ - maßgeblich an der Entwicklung vonmobilen „Gaswagen“ im Nationalsozialismus beteiligt war, und sich derVerantwortung seiner Taten Zeit seines Lebens entzog, indem er nach Südamerikafloh.
Bereits zum dritten Mal innerhalb von sechs Jahren stellte Schneppenin den Räumen der Stiftung Topographie des Terrors ein neues Buch vor. Diesmalbetonte der bereits 80-jährige Autor allerdings, dass es nun das letzte Mal sei.Mit „Walther Rauff. Organisator der Gaswagenmorde. Eine Biographie“ setztSchneppern seine Forschungen zur Geschichte der SS und ihrer Mitglieder nach „Odessaund das Vierte Reich“ (2007) und „Ghettokommandant in Riga. Eduard Roschmann.“(2009) fort.
Walther Rauff wurde 1906 in Köthen in Anhalt als Sohn einesBankprokuristen geboren. 1924 trat er der Reichsmarine bei und brachte es dortbis zum Kapitänsleutnant. 1937 trat er aufgrund der Scheidung von seiner Frauaus der Wehrmacht aus. Über eine Empfehlung seines ehemaligen Marine-KameradenDieter von Jagow bei Reinhard Heydrich gelangte Rauff 1938 in die SS. Dort wurdeer im Reichssicherheitshauptamt in der Abteilung Technik eingesetzt. Im AuftragHeydrichs entwickelte er „Gaswagen“, mit denen die SS die Nerven ihrerErschießungskommandos schonen wollte, und mit denen schließlich mindestens500.00 Menschen ermordet wurden. Die Lastwagen waren so konstruiert, das dieAbgase über einen Hahn direkt in den eigens dafür konstruierten, luftdichten Aufbaugeleitet wurden. Mit diesen Wagen wurden die Opfer abgeholt und während derFahrt zur jeweiligen Beerdigungsstätte umgebracht. Oft fuhren die Wagen dabeidirekt durch Stadtgebiete.
Anhand von CIA-Berichten und den Aussagen ehemaligerSS-Mitglieder rekonstruierte Heinz Schneppen Rauffs weiteren Lebensweg. Dieserfloh 1946 mit Unterstützung – man staune - der katholischen Kirche aus US-amerikanischerKriegsgefangenschaft in den Nahen Osten. Dort war er bereits während desKrieges stationiert gewesen. Seine Erfahrungen und Kontakte aus dem Krieglegten den Grundstein für seine neue Tätigkeit: Er arbeitete für den syrischen Geheimdienst,für den Vorläufer des Mossad, den BND und den britischen Geheimdienst. Anfangder 1950er-Jahre setzte er sich dann nach Chile ab.
1960 leitete die Staatsanwaltschaft Hannover einErmittlungsverfahren gegen das ehemalige SS-Mitglied Rauff ein und erließ einenHaftbefehl. Die Bundesrepublik Deutschland stellte daraufhin einenAuslieferungsantrag an Chile. Diesem wurde aber nicht stattgeben, da die TatRauffs nach chilenischem Recht bereits verjährt war. Auch spätere Versuche von BeateKlarsfeld und Simon Wiesenthal, die chilenische Regierung zur Auslieferung Rauffszu bewegen, scheiterten, so dass Walther Rauff unbehelligt 1984 in Chile starb.
Doch wie ist Rauff mit seiner Vergangenheit fertig geworden?Anscheinend sehr gut. Denn bis zu seinem Tod bereute er seine Taten nicht. Erverwies stattdessen auf den Befehl Heydrichs und dass er keine andereMöglichkeit gehabt habe, als diesen auszuführen. Die Bundesrepublik bezahlteihn bis in die 1960er-Jahre als Informant für den BND. Bei seiner Beerdigung inChile nahmen über 400 Menschen Teil, darunter der chilenische Ex-BotschafterMiguel Serrano, der Walther Rauff mit Hitler-Gruß und einem „Sieg Heil“ amGrabe verabschiedete.
Der ehemalige Diplomat Heinz Schneppen hat mit derBiographie einen interessanten Beitrag zur Geschichte des Nationalsozialismusgeliefert. Detailliert und anhand zahlreicher Geheimdienst- und Gerichtsaktenhat er die Vergangenheit Walther Rauffs und dessen Rolle als kleines, abermaßgebliches Rädchen im der nationalsozialistischen System aufgearbeitet.Spannender aber noch erscheint das, was nach 1945 passierte. Rauffs Biographieist auch ein Lehrstück darüber, wie unbehelligt NS-Täter sogar mit Hilfe namhafterPersönlichkeiten und Institutionen ein ganz normales Leben weiter führenkonnten. Erneut tauchen hier Fragen an den BND auf. Um so spannender wirddessen Geschichtsaufarbeitung sein, die nunmehr sogar in Angriff genommenworden ist: http://www.taz.de/!67919/
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