Persönliche Freiheit erlangen
Der Dharma wird gemäß Dzogchen in neun Fahrzeuge oder Pfade eingeteilt, die bloß Stufen auf dem Pfad sind. So wie die geistige Betätigung unaufhörlich ist, kann man sich auch nicht mit all der unfassbaren Anzahl von Fahrzeugen beschäftigen. Wie Aufenthaltsorte, die zum einzig wahren Pfad führen, besitzt ein jedes seinen eigenen zugehörigen Gipfel und sein Ergebnis. Obwohl diese als die individuelle Entsagung eines jeden Fahrzeugs erreichbar sind, welches Ergebnis erreicht man, wenn man nicht in den einen Pfad aller Fahrzeuge eintritt?
Daher hat S.H. Dudjom Rinpoche Jigdral Yeshe in seinem Kommentar „Vollkommenes Verhalten. Das Ermitteln der drei Gelübde“ die Merkmale der grundlegenden Fahrzeuge, die wie Aufenthaltsorte dienen, die die Schüler auf dem einzig wahren Pfad aufnehmen, dargelegt. Obwohl jedes Fahrzeug seine eigenen Ergebnisse bewirkt, dennoch wird das letztendliche Resultat der Buddhaschaft nicht erlangt, daher sollte man ins Vajrayana, eintreten und es praktizieren.
„Gemäß der Tradition der Großen Vollkommenheit sind das Sravakabuddhayana, das Pratyekabuddhayana und das Bodhisattvayana die drei ursächlichen Fahrzeuge mit Merkmalen. Das Kriyatantra, das Ubhayatantra und das Yogatantra sind die drei äußeren Tantras und das unübertreffliche Vater-Tantra des Mahayoga, jenes, das als Mutter-Tantra (Anuyoga) und die nonduale tantrische Klasse des Atiyoga sind die drei inneren Tantras, (die die neun Fahrzeuge vervollständigen).“
Das Sravakayana wird allgemein als der Pfad bezeichnet, bei dem man sich auf die Worte des Lehrers stützt, die dann, wenn man sie verstanden hat, wiederum anderen gelehrt werden. Das Pratyekayana ist der Pfad, auf dem man sich ohne einen spirituellen Mentor bewegt. Hier versucht der Aspirant alleine das Ergebnis des Sieges über die zyklische Existenz zu erlangen.
Es gibt acht Arten der Pratimoksha, die in der Vinaya festgelegt sind: Gelübde für Laien, für Ordinierte und die Fastengelübde für einen Tag (skt. Upavasa). Die Pratimoksha Gelübde (Ordination) werden mit der Motivation der Entsagung, dem Wunsch Nirvana zu erlangen, genommen. Die Laiengelübde für die individuelle Befreiung sind: Sich vom Töten enthalten, sich enthalten vom Diebstahl, sich enthalten von unrechtem sexuellen Verkehr, sich der Lüge und sich von Rauschmitteln zu enthalten. In der Laien‐Pratimoksha kann man ein Gelübde, zwei, drei, vier oder alle fünf nehmen, im letzteren Fall kann man das dritte Gelübde auch als Zölibatsgelübde (Brahmacharya) nehmen. Wer keines der Gelübde nehmen kann, kann diese Laienordination auch nur mit der Zuflucht nehmen. Die Novizengelübde für die individuelle Befreiung gliedern sich in die Vermeidung der vier Arten des Tötens, Stehlen und sexuelles Fehlverhalten zu vermeiden, die 13 Arten der Lüge aufzugeben sowie die 14 Untugenden Kraft den Regeln Buddhas zu vermeiden. Damit die Ordination eines Mönchs oder einer Nonne nicht degeneriert sollte man nicht die Leben eines Laien beibehalten, die Gelübde der Mönche und Nonnen aufgeben oder dem eigenen Abt oder Lehrer Dienste verweigern.
Dies ist ein kurzer Überblick, die volle Anzahl der Regeln der Vollordinierten sehr umfangreich ist. So umfasst das Theravada Vinaya (in Burma, Kambodscha, Sri Lanka und Thailand): 227 Regeln für Bhikkhus (vollordinierte Mönche), 311 Regeln für Bhikkhunis (vollordinierte Nonnen); Dharmagupta Vinaya (in China und Teilen Japans und Koreas): 250 Regeln für Bhikkhus, 348 Regeln für Bhikkhunis. Mulasarvsaravada Vinaya (in Tibet, Indien und Teilen Japans): 253 Regeln für Bhikkhus; 364 Regeln für Bhikkhunis.
Die Freiheit, die anderen nützt
Ngulchu Thogme Zangpo formulierte in den „37 Übungen eines Bodhisattvas“ im Vers 26: „Wenn man ohne ethische Disziplin nicht einmal das eigene Wohl erreicht, Wäre es lachhaft, das Wohl der anderen erzielen zu wollen. Deshalb sollte ich die ethische Disziplin behüten, welche frei von Verlangen nach Weltlichem ist. Dies ist die Übung der Bodhisattvas.“
Bodhisattvas streben danach, ohne Mutlosigkeit oder Befürchtungen, das vollständige Erwachen durch das Erfüllen der Bestimmung der anderen zu erlangen. Diese Art des mutigen Strebens und Bemühens bezeichnet solche Aspiranten als die „Tapferen“, dies ist die Bedeutung von „Bodhisattva“.
Die Bodhisattva-Gelübde nimmt man mit der Einstellung von Bodhicitta. Im Bodhisattvayana gibt es 18 Wurzelgelübde sowie ein große Zahl an Nebengelübden. Die Essenz von allen ist anderen nicht zu schaden, sondern zu helfen, alle Handlungen mit Liebe und Mitgefühl und ohne selbstsüchtige Motivation ausführen.
Aryadeva in den Vierhundert Versen: „Das Geben von Spenden wird Menschen mit geringeren Fähigkeiten empfohlen, ethisches Verhalten Menschen mit mittleren Fähigkeiten, Und Weisheit denen mit großen Fähigkeiten.“
Die Resultate, die durch die Praxis dieser drei Fahrzeuge erlangt werden, sind dem Resultat der Buddhaschaft gleich, aber sie sind nicht das letztendliche Ergebnis. Daher sind sie auch als die Pfade bekannt, die „Merkmale“ besitzen (ähnlich jenen, die das Erwachen erzeugen). Sie werden auch als die drei Ursachenfahrzeuge bezeichnet, weil, obwohl jedes einzelne Fahrzeug seine ihm zugehörigen Ergebnisse hervorruft, diese nicht das Resultat der Buddhaschaft sind.
Frei ohne Anstrengung
Auch der große Lehrer Je Tsongkhapa betonte die Bedeutung der ethischen Disziplin für das Leben der Yogis: „Disziplin macht einen abgelenkten Geist unabgelenkt, Konzentration einen unbalancierten Geist balanciert und Weisheit einen unbefreiten Geist befreit. Sie bringen alle Aufgaben eines Yogis oder einer Yogini zur Vollendung.“
Das Kriyatantra richtet sich in erster Linie auf die Handung aus und das Upatantra (auch bekannt als Ubhayatantra) auf Sicht und Verhalten. Das Yogatantra hat seinen Schwerpunkt auf der inneren Meditation. Diese drei sind vergleichbar mit den drei Fahrzeugen unter ihnen, weil sie spirituelle Verwirklichung von einer äußeren Quelle zu erlangen suchen. Daher werden sie die drei „äußeren Tantras“ genannt. Obwohl es viele Wege gibt, in denen die inneren Tantras erhabener als die äußeren sind, liegt kurz zusammengefasst der Unterschied in der Sicht, Meditation und im Verhalten der inneren Tantras. Diese besitzen eine ungewöhnliche Macht, die sie als unübertroffene Tantras qualifiziert. Das erste innere Tantra ist das Vater-Tantra (Mahayoga), das sich hauptsächlich auf die Methode der Erzeugungsstufe richtet. Das Mutter-Tantra (Anuyoga) richtet sich auf die Weisheitsnatur der Vollendungsstufe. Das nonduale Tantra, Atiyoga (auch als binduyoga bekannt), richtet sich auf die Stufen des untrennbaren Klar-Licht. Jedes dieser drei Fahrzeuge verwirklicht die Sicht, die realisiert, dass Samsara und Nirvana von gleicher Natur sind. Deshalb werden spirituelle Errungenschaften nicht außen gesucht. Aus diesem Grund sind sie als die drei „inneren Tantras“ weithin bekannt.
Im Vajrayana gibt es die 19 Hauptverpflichtungen der fünf Buddha-Familien (6 Vairocana, 4 Akshobhya, 4 Ratnasambhava, 3 Amitabha, 2 Amoghasiddhi). Dann gibt es die 14 Wurzelgelübde des Tantra und die drei Nebengelübde. Die Wurzelgelübde sind: den Vajra-Meister verspotten oder herabwürdigen; die drei Ebenen der Gelübde (= das Wort des Sugata) übertreten; mit den Vajrageschwistern streiten; aus Ärger heraus an unseren Vajrabrüdern und Vajraschwestern Fehler suchen; die Liebe für die fühlenden Wesen aufgeben; den Erleuchtungsgeist – Bodhichitta – aufgeben; unsere eigenen Lehren oder jene, die sich darauf beziehen bzw. andere Lehren verspotten; unreifen (Menschen) vertrauliche Lehren enthüllen; die fünf Aggregate, die uranfänglich rein sind, verschmähen oder verachten; die Leerheit ablehnen bzw. Zweifel in die inneren Lehren der Tantras entwickeln; sich gegenüber Wesen, die beständig negativ handeln (gegenüber der Lehre), liebevoll verhalten; sich Vorstellungen (Konzepte) über die wortlose Natur machen bzw. nicht kontinuierlich über Leerheit meditieren; die, die Vertrauen haben, abschrecken; sich nicht korrekt auf die Substanzen stützen, die einen stark mit der tantrischen Praxis verbinden; sowie Frauen, die ihrer Natur nach Weisheit sind, verspotten oder herabwürdigen. Die drei Nebengelübde des Tantra lauten: die vier grundlegenden destruktiven Handlungen aufgeben, ebenso Alkohol und anderes Fehlverhalten, sich weisen spirituellen Lehrern anvertrauen/widmen und Dharmabegleiter ehren und respektieren; die zehn konstruktiven Handlungen kultivieren, die Ursachen vermeiden, den Mahayana aufzugeben und Gottheiten/Götter, Gegner der Götter, und niedere Geister herabzusetzen oder über ihre Objekte zu steigen.
Weiters gibt es acht bzw. zehn grobe Übertretungen im Tantra. Diese sind: Sich gewaltsam eine Weisheitsgefährtin anzueignen; gewaltsam auf ihren Nektar zurückzugreifen; Geheimnisse nicht vor denen zu verbergen, die ungeeignete Gefäße sind; kämpfen oder Streiten während eines Ganachakra Rituals, falsche Antworten auf Fragen von jemandem zu geben, der Vertrauen hat; sieben Tage mit einem Anhänger des Sravaka‐Fahrzeugs verbringen; sich falsch und arrogant als realisierten Yogi herauszustellen, ohne einer zu sein; ein Einweihungsritual durchzuführen, ohne ein Retreat usw. durchgeführt zu haben (gilt für Einweihung geben und Selbst‐Einweihung, wenigstens Annäherungsretreat und Feueropfer usw.) und ohne guten Grund die Pratimoksha oder Bodhisattva Gelübde übertreten (in der mündlichen Tradition wird hier noch zusätzlich erwähnt: „Entgegen dem Verhalten der Fünfzig Verse der Guru‐Hingabe zu handeln“.)
Weiters gibt es für spezielle Tantras oder Tantraklassen noch zusätzliche bzw. abweichende Gelübde. So hat das Kalachakra-Tantra etwas andere Gelübde, wobei die Grundlage jedoch dieselbe ist. Dabei gibt es auch 25 Handlungsverpflichtungen für das Kalachakra-Tantra. So gibt es für das Mutter-Tantra acht Verpflichtungen. Für das Chakrasamvara-Tantra gibt es weiters noch acht Arten des reinen Verhaltens, für das Hevajra-Tantra gibt es zusätzlich vier Verpflichtungen des Vajra-Verhaltens. Guru Rinpoche hat für die Nyingmapas ein weiteres Gelübde formuliert, nämlich alles als Manifestation des Gurus zu sehen. Weiters gibt es noch die sechs bindenden Praktiken der fünf Buddha-Familien.
Zusätzlich dazu gibt es noch eine Vielzahl an Gelübden, die von den verschiedenen Meistern formuliert wurden. Eine detaillierte Darstellung würde hier den Rahmen sprengen. Daher ist Praktizierende angeraten, die Samayas mit ihren jeweiligen Lehrern zu erörtern. Diese können aus ihrer Erfahrung auch auf etwaige Schwierigkeiten hinweisen und das Verständnis klären.
Alle Pfade, die zur Befreiung führen, finden sich in diesen neun Fahrzeugen. Praktizierende des höchsten Pfades müssen daher nicht nur jene Samayas beachten, die auf ihrer Praxisstufe formuliert wurden, sondern auch alle darunterliegenden Verpflichtungen. Dies zeigt sich auch im Praxistext der Gelübdenahme: „Ich werde niemals, nicht einmal in meinen Träumen, selbst das kleinste Training der Gebote, die meine Pratimoksha, Bodhisattva, und Tantra Gelübde rein halten, übertreten.“ Da es eben eine Vielzahl an Gelübden gibt, werden sie öfters auch in kleinen Merksätzen zusammengefasst. Wie schon der Buddha sagte, ethische Disziplin bestehe „Im Entschluss, keine negativen Handlungen mehr zu begehen.“