Fakt ist: In Marcoule wird tatsächlich seit Jahren kein Atomstrom mehr hergestellt. Fakt ist aber auch, dass in der Anlage die Abfälle aus der Atomtechnologie gelagert und behandelt werden: Schwach- bis mittelaktiv verstrahlte Geräte aus allen möglichen nuklearen Anwendungen – nicht nur, aber zu einem grossen Teil aus der Atomindustrie.
Genau an dieser Stelle wird das Unglück, bei dem ein Arbeiter laut Medienberichten «innert Sekunden» verbrannte und vier weitere verstrahlt wurden, zur Definitionssache. Bei dem Vorfall habe es sich um einen «Industrieunfall» und nicht um einen Atomunfall gehandelt, meldete die Lobbyorganisation Nuklearforum schon knappe sechs Stunden nach der Explosion, ganz im Einklang mit den französischen Behörden.
Bloss: Was macht einen Unfall in einer Anlage der Atomindustrie zu einem reinen Industrieunfall? Allein die Tatsache, dass – angeblich – keine Radioaktivität ausgetreten ist? Oder vielmehr die Tatsache, dass selbst in Frankreich die Atomindustrie ein Imageproblem befürchtet, wenn schon wieder Atomunfall vermeldet werden müsste (und das Nuklearforum, das der Atomausstiegsdebatte im Ständerat entgegenfiebert, sowieso)?
Eine Explosion, ein Toter und vier verstrahlte Arbeiter: Auf der international gültigen, siebenstufigen INES-Skala für die Bewertung von nuklearen Ereignissen gilt dies mindestens als Vorkommnis der Stufe 2 («Störfall»), wenn nicht gar der Stufe 3 («Ernster Störfall»). Ein «Industrieunfall» sieht definitiv anders aus.