Der neue Takt und seine Tücken

Von Nadine

Der Wecker klingelt um 06.30 Uhr. Oder noch früher. Schlaftrunken taumle ich ins Bad, um mich auf Vordermann zu bringen. Es dauert auch nicht lange, bis ich mich einigermaßen wach und frisch fühle. Irgendwo in mir drin schlummert wohl doch noch die Frühaufsteherin von damals. Es fehlt mir dennoch, bis halb acht oder länger im Bett zu liegen. Ich vermisse den gemütlichen Start in den Tag, ganz ohne Eile.

Jetzt muss alles schnell gehen. Sobald ich fertig bin, wird das Kindergartenkind geweckt. Nur selten wird er von allein wach, ist er doch eigentlich ein Langschläfer. Verhältnismäßig. Trotzdem klappt es mit dem Waschen und Anziehen relativ reibungslos, hat er sonst alles dafür getan, um das so lange wie möglich hinauszuzögern. Dann geht es runter in die Küche. Ich stelle ihm ein kleines Frühstück hin und schmiere ein Brot für die Frühstückspause im Kindergarten, dazu Obst oder Gemüse. Während er in der Küche frühstückt, darf er ein Video auf dem Tablet anschauen, denn meistens muss ich ihn dort allein lassen, um seine kleine Schwester fertig zu machen. Dann werden alle in Jacken und Schuhe gepüngelt, Rucksack an und ab ins Auto, alle anschnallen.

Wir machen uns auf den Weg zum Kindergarten im Nachbarort. Wir fahren etwa 7 Minuten.

Währenddessen: „Warum muss ich immer in den Kindergarten, Mama?“ Die anfängliche Euphorie war schnell abgeebbt. Dann folgten tränenreiche Trennungen, womit ich echt zu kämpfen hatte. Nach knapp zwei Wochen war das zum Glück ausgestanden. Trotzdem geht er nicht gern. Weil ich immer wegfahre. Und weil da Erzieherinnen sind.

Wir sind schließlich angekommen. Wieder alle raus aus dem Auto, rein in den Kindergarten. Jacke aus, Hausschuhe an, Treppe runter, Rucksack aufhängen. Bis dahin alles gut. Mein Sohn versteckt sich hinter mir oder kuschelt sich an mich. „Fährst Du jetzt, Mama?“ Ja, ich muss… Zum Abschied winken wir uns immer noch am Fenster und werfen uns Küsschen zu. Das witzige ist, dass die Kleine das auch schon genau weiß und sobald wir zum Tor raus und Richtung Fenster gehen, fängt sie schon an zu winken.

Wieder rein ins Auto und dann geht es nach Hause. Ich habe großen Hunger und es fällt mir immer schwer, das Haus ohne Frühstück zu verlassen. Aber anders kriege ich es zeitlich nicht hin, sonst müsste ich noch früher aufstehen und es passt auch nicht zum 5-Stunden-Rhythmus meiner Diät.

Manchmal muss ich dringend ein paar Teile einkaufen. Das mache ich immer gleich, nachdem ich den Wildfang im Kindergarten abgeliefert habe. Hungrig. Gar nicht gut. Deswegen versuche ich das zu vermeiden, wenn es geht. Zuhause wird also erst einmal gefrühstückt. Um halb zehn bekommt die Kleine dann ihre Zwischenmahlzeit.

Es regnet nicht? Dann geht es jetzt raus. Kind in den Kinderwagen und eine bis eineinhalb Stunden spazieren gehen. Wir laufen durchs Städtchen, durch die Schwalmauen, durch den Wald. Ich genieße es, wieder rauszukommen, in Bewegung zu sein, unter Leute zu kommen. Länger darf ich aber nicht gehen, denn entweder hat die Kleine dann keine Lust mehr, oder sie schläft ein. Beides nicht gut.

Wieder zuhause wird dann ein wenig gespielt, gekuschelt, Bücher angeschaut. Vielleicht auch etwas im Haushalt erledigt. Dann müssen wir auch schon wieder los. Um 12.15 Uhr müssen wir wieder am Kindergarten sein.

Wieder rein ins Auto. Die Kleine schreit oder schläft ein. Oder beides. Ich versuche immer, sie wach zu halten, klappt aber oft nicht. 7 Minuten später wieder raus aus dem Auto. Und da höre ich ihn schon: Den Freudenschrei! Überglücklich, dass ich wieder da bin, schreit und tanzt und singt mein Sohn. Ich höre mir an, dass er und sein Freund den halben Kindergarten unter Wasser gesetzt haben. Oder ständig auf die Klingel gedrückt haben. Oder eben anderen Blödsinn verzapft haben. Dass er allein auf dem Seilgarten geklettert ist. Dass er mehrmals auf dem Klo war. Irgendwas gibt es immer zu erzählen. Dann schnell umziehen, Treppe runter, Rucksack holen, Treppe rauf. Auf Wiedersehen.

Alle wieder rein ins Auto. Mein Arm schmerzt, weil ich die Kleine die ganze Zeit geschleppt habe. Auf der Rückfahrt unterhalten wir uns über den Kindergartentag. Die Kleine starrt ihren Bruder dabei pausenlos an. Die Müdigkeit ist vergessen. Dafür ist er müde. Angekommen, wieder alle raus aus dem Auto, rein ins Haus. Sofort wird der Mittagsbrei angerichtet und die Kleine gefüttert. Gleich danach geht sie ins Bett.

Wenn alles gut läuft, dann haben mein Sohn und ich nun etwa eineinhalb Stunden nur für uns. Manchmal möchte er einen Film anschauen, oft kuschelt er sich dann ganz nah an mich heran. Meistens möchte er aber mit seinen Dinosauriern spielen. Oder lesen. In den Garten. Was immer er möchte – die Zeit gehört ihm.

Wenn es schlecht läuft, hatte er bis dahin schon drei Wutanfälle. Wegen den kleinsten Kleinigkeiten, die volle Breitseite. Die Wut ist wieder da. War er in den letzten Wochen vor dem Kita-Start so ruhig und ausgeglichen, dass ich glaubte, es sei nun endlich geschafft, ist nun genau das Gegenteil der Fall. Da fällt ihm – nachdem er seinen Teller Nudeln fast leer gegessen hat – ein, dass er doch lieber Suppe wollte und plötzlich geht die Welt unter. Ich versuche dann, ihn zu trösten, zu beruhigen, ihn abzulenken. Manchmal hilft es. Aber genauso oft: Fehlanzeige. Ich mache es dann nur noch schlimmer und irgendwann platzt mir dann schließlich auch der Kragen, so sehr ich auch versuche, mich in Geduld zu üben, Verständnis zu zeigen. So krachen wir regelmäßig aneinander. Dabei war es doch vor kurzem noch so harmonisch. Und jetzt ist alles wieder anders.

Warum das so ist? Trennungsangstmüdigkeitswut.

Das frühe Aufstehen, mehr Förderung, mehr spielen und toben – das macht ganz schön müde. Und wir wissen es ja von uns selbst: Wenn wir übermüdet sind, können wir auch schon mal gern schlechte Laune haben. Nur, dass wir als Erwachsene in der Regel besser damit umgehen können. Den Mittagsschlaf wieder einzuführen, ist jedoch keine Lösung. Zum Einen, weil er das nicht will, zum Anderen, weil er dann Abends nicht vor 22.00 Uhr in den Schlaf findet.

Und dann hat er auch noch damit zu kämpfen, dass ich ihn jeden Tag „allein“ zurücklasse. Am Anfang fand er es sicher noch aufregend, mal ohne Aufsicht von Mama oder Papa zu sein. Doch als ihm aufging, dass er nun jeden Tag von uns getrennt wird, fand er das nicht mehr so lustig. Er ist so traurig, wenn ich gehe und dann sind da ja auch noch die Erzieherinnen, die ihm plötzlich auch etwas zu sagen haben. Tatsächlich spielt er zwar den ganzen Tag schön und ich denke, es gefällt ihm schon, aber fast jeden Tag würde er doch lieber zuhause bleiben. Auch vor Personen, die er eigentlich sehr gern hat, wie seine Omas und der Opa, verschließt er sich neuerdings, will nicht mit ihnen reden, geschweige denn mit ihnen alleine spazieren gehen, was er sonst mit großer Freude gemacht hat. „Ich mag nur Mama und Papa.“, heißt es dann. Jeder Abschied von Mama oder Papa fällt schwer, auch wenn man nur mal für ein paar Minuten weg muss. Das kennen wir gar nicht von ihm.

Ich denke, es strömt gerade einfach zu viel Neues auf ihn ein und ich hoffe, dass er sich bald wieder rundum wohlfühlt und mit Freude in den Kindergarten geht.

Tatsächlich ist es neulich einmal dazu gekommen, dass er wütend und müde war und sich in sein Bett verkrochen hat. Er ist tief und fest eingeschlafen. Nach einer Dreiviertelstunde wollte ich ihn wecken, aber er sagte, er wolle noch weiter schlafen.

Doch normalerweise verbringen wir die Mittagszeit spielenderweise. Wenn die Kleine dann wach wird, gibt es ein zugegebenermaßen spätes Mittagessen. Danach wird gespielt, bei gutem Wetter gerne im Garten. Manchmal bekommen wir Besuch oder fahren zu Freunden.

Das Abendessen haben wir nun auf 18.20 Uhr vorgezogen und gleich danach geht es nach oben. Die Kinder werden beide bettfertig gemacht und dann wird noch eine Weile gespielt, gelesen oder gesungen. Die letzte halbe Stunde des Tages, ist komischerweise immer die entspannteste Zeit. Beide Kinder sind gut gelaunt und es wird viel gelacht.

Um halb acht wird das Tochterkind schließlich ins Bett gebracht. Das macht meistens der Papa und in der Zeit lese ich mit dem Wildfang ein Buch. Ist Papa nicht da, bringe ich die Kleine ins Bett und der Große muss so lange allein spielen. Wenn ich wieder zurück bin, wird anschließend noch ein Buch gelesen und dann geht es auch für ihn ins Bett.

Feierabend. Jetzt ist Zeit für ein Bad. Mein Magen hängt mir schon fast auf den Knien. Also noch schnell etwas essen und dann wird es sich vor dem Fernseher oder manchmal auch mit einem Buch gemütlich gemacht, bis es dann gegen 23.00 Uhr ins Bett geht.

Gute Nacht.

Was mir an dem neuen Tagesrhythmus gefällt: Ich komme wieder öfter vor die Tür und auch an den Tagen, wo mein Mann beruflich unterwegs ist, habe ich nicht mehr so schnell das Gefühl, dass mir die Decke auf den Kopf fällt. Trotzdem ist es komisch ohne den Wildfang. Es ist so verdammt ruhig hier. Und die ganze Fahrerei, Schlepperei, Ein- und Ausladerei ist etwas nervig und anstrengend. Aber ich denke, schon ganz bald ist das alles so in Fleisch und Blut übergegangen, dass es nicht mehr stört. Wir müssen uns alle noch ein wenig an den neuen Takt gewöhnen. Aber das wird schon.

Wie war oder ist es bei Euch, als Eure Kinder in den Kindergarten kamen? Hat sich viel für Euch verändert?