Nicht nur in Arabien gibt es nicht mehr für möglich gehaltene Umwälzungen. Auch in Deutschland. Mit Roland Jahn ist erstmals ein jemand zum Chef der Stasiunterlagen-Behörde gewählt worden, der den Unrechtsstaat DDR, und die Aufgabe seiner Behörde, konsequent von den Stasiopfern her denkt. Weil er selbst Dissident in der DDR gewesen ist.
Zu den vermeintlich nicht mehr zu korrigierenden Geburtsfehlern dieser Behörde gehörte die Beschäftigung mehrerer ehemaliger Stasispitzel. Das bedeutete: Wenn ein Stasiopfer zur Behörde ging, um dort Einsicht in seine Akte zu nehmen, begegnete ihm bereits am Eingang ein ehemaliger Stasimitarbeiter. Und auch drinnen konnte es ihm passieren, dass er sein Anliegen einem ehemaligen Stasi erklären musste. Und auch die Recherche selber konnte von einem Ex-Stasi durchgeführt werden.
Die bisherigen Behördenchefs behandelten die Kritik der Stasiopfer an diesem Missstand stets halbherzig und bürokratisch. Noch im letzten Interview vor ihrer Verabschiedung verwies Marianne Birthler darauf, dass die Arbeitsverträge dieser ehemaligen Stasimitarbeiter halt keine Änderungen zuließen. Mit anderen Worten: Die ehemaligen Opfer müssten dies so hinnehmen und die Behörde so nehmen wie sie ist oder auf Akteneinsicht verzichten.
Das war falsch, wie der neue Chef nun in seinem ersten Interview bekannt gegeben hat: Er finde es unerträglich und er wisse von vielen Opfern, dass diese sich genau deshalb nie in die Behörde getraut hätten. Es sei unzulässig, einseitig von den Opfern einen Schlusstrich zu verlangen. Den Zeitpunkt, ab wann Schluss sei, und eine Versöhnung möglich, bestimmten einzig und allein die Opfer. Und dazu sei eine offene, ehrliche Reue der Täter nötig. Bis dahin sei es einem Stasiopfer nicht zuzumuten, in der Behörde, die das Wissen um die Taten der Stasi berge mit ehemaligen Stasiangehörigen zu tun zu haben.
Das sollte doch eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein, wurde aber nie gelebt.
Aber Herr Jahn redet nicht nur. Er handelt unerschrocken. Weil die Behördenangestellten Arbeitsverträge mit dem Bund, und nicht spezifisch mit der Behörde hätten, will er die Ex-Stasimitglieder alle aus der Behörde weg versetzen lassen. In Brandenburg macht er sich auch schon bemerkbar. Ausgerechnet im Wahlkreis von Frank-Walter Steinmeier fliegen nun immer mehr SPD-Mitglieder in Amt und Würden mit Stasi-Vergangenheit auf, weil Jahn die Erkenntnisse seiner Behörde öffentlich macht.
Radiotips:
"Den Zeitpunkt der Versöhnung können nur die Opfer bestimmen" Dradio, 24.4.2011
"Neuer Stasunterlagen-Chef will Rolle der SED klären", Dradio, 28.01.2011