Der Klimawandel und die politische Rechte
von Naomi Klein
Der Klimawandel sprengt das weltanschauliche Fundament des zeitgenössischen Konservatismus. Ein Glaubensgebäude, das kollektives Handeln verteufelt und auf die totale Entfesselung der Märkte schwört, lässt sich mit dem Imperativ unserer Tage schlichtweg nicht mehr vereinbaren: mit der Notwendigkeit, in ungekanntem Ausmaß aktiv zu werden und gemeinsam die Marktkräfte, die die Krise herbeigeführt haben, ein für alle Mal zu bändigen.
Auf der Heartland-Konferenz, gewissermaßen dem Gipfeltreffen der Klimawandel-Leugner, sind die Ängste der Konservativen förmlich mit den Händen zu greifen. Joseph Bast, der Präsident desHeartland Institute, verhehlt nicht, dass dieKampagnen seiner Einrichtung der Furcht vor den politischen Folgerungen entspringen, die aus den vorliegenden Forschungsergebnissen zu ziehen wären. „Mit Blick auf dieses Problem sagen wir: Hier haben wir es mit einem Rezept zur massiven Steigerung staatlicher Einflussnahme zu tun. [...] Bevor wir uns zu so etwas entschließen, sollten wir noch einmal genauer hinsehen. So kamen, denke ich, konservative und libertäre Gruppen dazu, ‚Stopp’ zu rufen: Nehmen wir die Forschungsergebnisse nicht einfach hin wie Glaubensartikel – forschen wir lieber selber!“
Dieser Punkt ist entscheidend: Was die Leugner des Klimawandels umtreibt, sind nicht so sehr die wissenschaftlichen Erkenntnisse über den Wandel selbst als vielmehr Widerstand gegen all das, was aus diesen Erkenntnissen für die gesellschaftliche Realität folgt. Was Bast hier – wohl ganz unbewusst – illustriert, ist ein Phänomen, dem sich derzeit immer mehr Sozialwissenschaftler zuwenden, die sich um eine Erklärung für den dramatischen Meinungswandel in Sachen Klimawandel bemühen. Beim Cultural Cognition Project der Yale Law School haben Forscher herausgefunden, dass die Auffassungen von Individuen zum Thema Klimawandel vor allem durch ihr politisch-kulturelles Weltbild geprägt sind – „viel stärker als durch irgendwelche sonstigen individuellen Merkmale“.
Menschen mit ausgeprägt „egalitären“ oder „gemeinschaftsorientierten“ Auffassungen – die sich durch eine Neigung zu kollektivem Handeln und sozialer Gerechtigkeit sowie Misstrauen gegenüber Unternehmermacht auszeichnen – stimmen ganz überwiegend den Forschungsergebnissen zu. Demgegenüber lehnen Menschen mit ausgeprägt „hierarchischen“ und „individualistischen“ Auffassungen den wissenschaftlichen Konsens ganz überwiegend ab. Ihre Haltungen kennzeichnen die Gegnerschaft gegen staatliche Unterstützung für Arme und Minderheiten, starke Zustimmung zur Industrie sowie der Glaube, das jeder bekommt, was er verdient.
Aus jenem Teil der US-Bevölkerung, in dem „hierarchische“ Vorstellungen besonders ausgeprägt sind, beurteilen nur 11 Prozent den Klimawandel als „sehr gefährlich“, während dies 69 Prozent der Menschen mit besonders ausgeprägt „egalitären“ Auffassungen tun. Dan Kahan, Rechtsprofessor in Yale und Hauptverfasser der Studie, führt diese Korrelation zwischen „Weltbild“ und Akzeptanz der Klimaforschung auf die „kulturelle Kognition“ zurück. Das bedeutet, dass jeder von uns neue Informationen filtert, so dass seine „Lieblingsversion der guten Gesellschaft“ keinen Schaden nimmt. In der Zeitschrift „Nature“ erläutert Kahan dies so: „Es verstört die Menschen, wenn sie glauben sollen, dass von ihnen selbst für achtbar gehaltene Verhaltensweisen sozial schädlich sind und dass Verhaltensweisen, die sie selbst negativ beurteilen, der Gesellschaft nützen. Und weil die Anerkennung einer solchen Bewertung eine Kluft zwischen ihnen und ihresgleichen aufreißen würde, verspüren sie den starken emotionalen Drang, das Ansinnen zurückzuweisen.“ Mit anderen Worten: Es ist stets einfacher, die Realität zu leugnen, als das eigene Weltbild zu hinterfragen. Diese Feststellung galt für starrsinnige Stalinisten auf dem Höhepunkt der sowjetischen Säuberungen ebenso, wie sie heute für libertäre Leugner des Klimawandels gilt.
Wenn mächtige Ideologien durch Tatsachen in Frage gestellt werden, sterben sie nur selten aus. Stattdessen nehmen sie für Randgruppen Kultcharakter an. Ein paar echte Gläubige bleiben so stets erhalten – und einer versichert dem anderen, dass das Problem nicht etwa in der Ideologie selbst bestand. Stattdessen lag es meist an schwachen Führern, die die Regeln nicht durchgesetzt haben. Solche Typen gibt es in der stalinistischen Linken wie auch auf der rechten Seite, bei den Neonazis. Gegenwärtig sollte man den Marktfundamentalisten einen ähnlich marginalen Status zuweisen. Ein ähnliches Schicksal bleibt diesen Leuten jedoch nur deshalb erspart, weil ihre Ideen vom schlanken Staat – egal wie sehr sie der Realität auch widersprechen – für die Milliardäre dieser Erde nach wie vor so gewinnträchtig sind, dass sie sie in Think Tanks durchfüttern…