Die Freien (Markt-)Liberalen, die mit der historischen Erscheinung des Liberalismus ungefähr gar nichts gemeinsam haben, wackeln flott aus allen Parlamenten. Ihre Wählerschaft läßt sich bald an einer Hand abzählen. Sie galten in den letzten Jahren als das Gesicht des Neoliberalismus in Deutschland. Das Geschwafel um Steuersenkungen für Reiche, Klientel- und Kopfpauschalenpolitik und Analysen, die römische Dekadenzen freilegen: die Freien Marktliberalen, die unter ihrem Kürzel FDP ins Parlament strebten, hatten nur einen kurzen Frühling. Man nahm sie als das Übel war, als die Vertreter der neoliberalen Egomanie - und nun werden sie gegangen, möglicherweise aus sämtlichen Parlamenten, die dieses Land zu bieten hat. Ein Ende des Neoliberalismus aber ist nicht in Sicht.
Der große Irrtum
Es war so herrlich einfach, in die FDP die ganze Misere zu projizieren. Sie vertrat demnach nicht den ultraliberalen Marktradikalismus und die Diktatur der Renditen, sie war das System selbst. So anspruchslos konnte man es sich machen. Wenn erst mal die FDP taumelt, nahm man optimistisch an, so wäre auch dieses System in Bedrängnis. Die Kanzlerin, so schrieb es der etablierte Journalismus in uniformer Biederkeit, sei durch den Koalitionspartner in den Liberalismus gedrängt. Die Freien Marktliberalen seien es, die das Programm grenzenloser Profiterei zulasten sozialer und Menschenrechte aufrechterhielten. Sie waren der Teufel.
Der Teufel stirbt nun - das klingt zu brav, wird der Situation nicht gerecht. Er stirbt nicht, er verreckt geradezu jämmerlich. Freudestrahlend verfolgt man dieses öffentliche Krepieren. Immerhin stirbt mit der FDP auch ein Stückchen Neoliberalismus, eventuell sogar das gesamte morsche System. Ändert sich nun etwas, da man nur noch auf die restlose Beseitigung der Freien Marktradikalen wartet? Verändert sich die Denkweise der anderen Parteien? Sagt man, am Niedergang der FDP erkennt man nun als Union, als SPD oder als Grüne, dass man etwas ändern muß? Die asoziale Politik der FDP wurde abgestraft, hört man aus Kreisen der Opposition - stimmt ja: sie war ja der Neoliberalismus! Selbst war man es nie. Nicht vormals, zu Zeiten Schröders, nicht jetzt, da man für die Politik Schröders immer noch wirbt.
Die FDP war nicht das Gesicht des Neoliberalismus - sie war nur die hässliche, die verpickelte Fratze dieser Weltanschauung. Dieselbe Weltsicht hat auch schönere, gepflegtere Gesichter zu bieten. Deswegen sind es aber trotzdem Gesichter, die aus dem Schlund der Egomanie strömen, trotzdem Vertreter einer asozialen, ja diktatorischen Anschauung.
Die Sprache bleibt
Ganz anders wie die Zahnarzt-Partei sei man, betonen Sozis und Grüne leidenschaftlich. Die FDP war stets der Ausbund der Hölle, die Partei der Schlimmsten der Schlimmen. Das neoliberale Gerüst, auf dem die Ideologie aufgeknüpft war. Seit zwei Jahren, seitdem man den Zenit der Beliebtheit bei der Bundestagswahl überschritten hatte, straucheln die Jünger des totalen Marktes - erst fielen die Umfragewerte, dann purzelten die Koalitionen mit gelbem Gehalt, jetzt wird man sogar für die Tore der Landesparlamente verbannt. Aber die Ideologie bleibt. Sie ist fest verankert im politischen Diskurs. Man spricht von Wettbewerben, davon, dass Profit unser aller Wohlstand sichert, benutzt die Arbeitslosigkeit als Knute und macht Arbeitslosen ein schlechtes Gewissen, um das Märchen von einer Vollbeschäftigung mit satten Gehältern aufrechtzuerhalten, um den prekären Arbeitsmarkt zu vertuschen - und natürlich: der Markt, er ist der große Weltenlenker. Das Vokabular steht auch jetzt noch, nachdem die FDP nicht mehr steht.
Das Vokubular stand vorher schon. Der kritische Bürger, der den Aufschwung der Freien Marktliberalen angewidert beobachtet hat, muß sich vorwerfen lassen, dass er wie die Opposition auch, eine Weile dazu tendierte, die FDP mit dem Neoliberalismus gleichzusetzen.
Sie ist neoliberal - natürlich! Aber die anderen sind es auch. Sie brauchen die FDP nicht, um sich in Neoliberalisch zu unterhalten, um die Normen dieser egomanischen Ideologie am Leben zu erhalten. Fragt denn irgendeiner auch nur im Ansatz nach, ob die Profiterei denn ein hehres Ziel für das Allgemeinwohl hat? Sieht sich auch nur ein Sozi oder ein Grüner dazu bemüßigt, mal ganz offen und ungeniert nach dem Sinn eines Wettbewerbs zu fragen, der Menschen nur gegeneinander in Stellung bringt und ein friedliches Leben stört? Das sind neoliberale Prämissen - und das sind die Prämissen aller politischen Parteien.
Die Alternativlosigkeit des Systems wurde von der FDP auch propagiert - natürlich! Bieten alle anderen Alternativen - bieten sie Alternativen, jetzt, da die FDP nur noch als Wahlzettel-Auffüller dient? Auch die SPD, auch die Grünen, die Union sowieso, sind davon überzeugt, dass es außerhalb des Neoliberalismus nichts geben kann. Die Linken unter diesen Parteien glauben an einen Neoliberalismus light - andere Visionen haben sie schon nicht mehr. Es kann ohne Wettbewerb nicht gehen, sagen sie - es kann ohne Profit zum Wohlstand aller nicht funktionieren, erklären sie - es kann ohne dem Kurzhalten derer, die keine Arbeit mehr finden, nicht laufen, meinen sie. Man braucht keine FDP, um neoliberal zu sein.
Die FDP betrieb Privilegiertenpolitik - natürlich! Aber hierzu braucht man sie auch nicht, das haben die anderen mit oder ohne sie auch ganz gut bewerkstelligt. Elterngeld ging auch ohne FDP. Hartz IV auch. Steuersenkungen für Konzerne, wie damals unter dem Dreigestirn Schröderfischermüntefering: wo war da die FDP? Applaudierend in der Opposition! Von der Oppositionsbank aufrührend, noch weiter zu kürzen, noch mehr Spielräume für Konzerne zu schaffen. Die FDP ist weg - der Neoliberalismus bleibt da.
Die FDP entschuldigte das Asoziale mit der Globalisierung und der Wettbewerbsfähigkeit - natürlich! Die Sozialdemokratie etwa nicht, als sie ihr Asoziales in die Sozialpolitik trugen? Das haben sie gemacht, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Hat jemand einen Politiker außerhalb der FDP je fragen gehört, ob die Globalisierung nicht etwa ein Konstrukt ist, ein Feigenblatt zur Mehrung des Profits? Nicht wir kürzen bei euch, sagten auch die außerhalb der FDP zu uns, es ist die globalisierte Welt, die es tut.
Man denkt zuweilen zu statisch
Die politische Linke muß es sich vorwerfen lassen: dort, wo sie noch am Werk ist - und das ist sie selten genug -, denkt sie zu statisch. Die Freien Marktliberalen galten für sie in den letzten Monaten als Prellbock. Sie verhielten sich eklig, keine Frage. Aber sie waren nur die Charaktermaske des Neoliberalismus, man schob sie vor, verdeckte damit, dass dieselben Denkmuster auch in anderen Parteien krassieren. Sicherlich, die besonders fiesen Radikalos sind bei SPD und Grünen weg. Fischer kariolt als ökologische Litfaßsäule über den Globus; Metzger hat seine politischen Ambitionen via Christdemokratie vermetzgert; Clement ist heute offiziell, was er immer war: Sprachrohr der Wirtschaft; Schröder hat seinen Lebensraum im Osten vergoldet. Aber die, die geblieben sind, die vom Schröderianismus bereinigten Hinterbliebenen, teilweise vom linken Parteiflügel, die stützen ihre Prämissen und ihre Lösungsvorschläge auf neoliberal vorgefertigte Wahrheiten. Pragmatisch Politik betreiben, nennen sie das. Das tun, was unter diesen Umständen, möglich ist, entschuldigen sie sich. Dass damit jede Alternative unmöglich wird, ist die Wahrheit, die keinen findet, der sie ausspricht.
Die FDP alleine ist nur der Neoliberalismus, wenn man statisch denkt. Die NPD ist im heutigen sozialen Klima dieses Landes nur Rassismus, wenn man statisch denkt. Die sattsame Linke, nennen wir sie die taz-Linke, eine Linke, die sich für arg links ansieht, dabei aber neoliberalen Prämissen nachhechelt und die Institutionen durchwandert hat, bestreitet ein statisches Weltbild. Hier FDP - Neoliberalismus; dort NPD - Rassismus. Die taz sieht sich in der Pflicht, gegen Faschisten ins Feld zu ziehen - das ist gut! Aber sie berichtet dabei beinahe nur von NPD, Republikanern und der DVU. Dieselben Tendenzen, die man bei Sozis, Grünen und den Christdiktatoren vermehrt erkennt, tut man als Einzelfälle ab. Wer statisch denkt, muß zwangsläufig dergestalt abwiegeln. Dasselbe Szenario gilt für die Freien Marktliberalen, die man mit dem Zeitgeist assoziert. Aber der braucht die FDP gar nicht - lassen wir uns da nicht täuschen!