Fabel von Gotthold Ephraim Lessing
Ein Mann, der das Namenregister der Natur vollkommen innehatte, jede Pflanze und jedes dieser Pflanze eigenes Insekt nennen konnte und das auf mehr als eine Art zu nennen wusste, der den ganzen Tag Steine auflas, Schmetterlingen nachlief und seine Beute mit einer recht gelehrten Unempfindlichkeit spießte, so ein Mann, ein Naturalist (sie hören es gern, wenn man sie Naturforscher nennt) durchjagte den Wald und verweilte schließlich bei einem großen Ameisenhaufen.
Dort fing er ebenfalls an, darin zu wühlen, durchsuchte ihren eingesammelten Vorrat, betrachtete ihre Eier, deren er einige unter sein Mikroskop legte, und richtete, mit einem Wort, in diesem Staat der Emsigkeit und Vorsicht, keine geringe Verwüstung an.
Unterdessen wagte es eine Ameise, ihn anzureden. "Bist du nicht etwa gar," sprach sie, "einer von denen, die man zu uns schickt, dass sie unsere Weise sehen und von uns Fleiß und Arbeit lernen sollen?"
Lehre: Manche Wissenschaft ist mehr zum Unheil als zum Segen
Fabel von Gotthold Ephraim Lessing
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