Der #Name #Gottes 2/3

Aber selbst dies ist nicht mehr. Wir Menschen sind so oberflächlich geworden, daß wir nicht einmal mehr den Schmerz der zerstörten Worte bewahrt haben. Wir haben die Namen immer rascher gesprochen, immer oberflächlicher, äußerlicher, und immer weniger an das Wesen darin gedacht. Haben sie weiter gegeben, wie man ein Geldstück weitergibt von Hand zu Hand: Man weiß nicht, wie es aussieht, und was darauf steht, weiß nur, daß man soviel dafür bekommt. So sind die Worte eilig von Mund zu Mund gelaufen. Ihr Inneres hat nicht mehr gesprochen; das Wesen des Dinges nicht mehr hervorgeklungen; die Seele hat in ihnen nicht mehr sich selbst bekannt. Wortmünzen waren es nur noch. Sie meinten das Ding, offenbarten es aber nicht. Waren nur noch Zeichen, damit die Anderen wüßten, was man wollte.
So ist die Sprache mit ihren Namen kein ahnungsvoller Verkehr mit dem Wesen der Dinge mehr, keine Begegnung von Ding und Seele. Ist nicht einmal mehr die Sehnsucht nach dem verlorenen Paradies, sondern ein eilfertiges Klappern der Wortmünzen, wie die Zählmaschine mit den Geldstücken wirtschaftet und weiß nichts von ihnen.
Nur manchmal schrecken sie auf. Da ruft es auf einmal aus solch einem Wort zu uns her, wie aus Urgründen herauf. Das Wesen ruft uns an. Oder auf dem Papier steht das Wort, und aus dem schwarzen Zeichen leuchtet es auf. Der „Name“ tritt hervor, das Wesen, de Antwort der Seele. Da fühlen wir wieder das Urerlebnis, daraus das Wort entsprungen ist, in welchem die Seele dem Wesen das Dinges begegnete. Wir fühlen das staunende Schauen, den geistigen Griff, mit dem der Mensch das Wesen des Neuen da vor ihm packte, und es aus dem eigenen Innern herausprägte im Gebild des Namens. Wir schreiten in eine Weite, wir sinken in eine Tiefe, und das Wort ist wieder jenes erste Werk, zu dem Gott den Menschengeist rief. Aber bald versinkt wieder alles, und die Zählmaschine klappert von neuem … (Von heiligen Zeichen; Romano Guardini 1927)