“Der N. schreibt in seinem Buch, daß die Liebe schon zu E...

“Der N. schreibt in seinem Buch, daß die Liebe schon zu Ende geht, wenn die Liebenden anfangen sich zu erinnern….Beginnt so das Ende:…? Wann… Du kommst nach Hause(wir sind verheiratet, behaust, eingerichtet), ich höre deinen Schritt, und mein Herz klopft nicht schneller, du küsst mich auf die Stirn, Neuigkeiten?fragst du, und ich sage: das Übliche, und dabei schiele ich nach deiner Zigarette-du hast eine unerträgliche Manier, die Asche überm Teppich abzustäuben-,und du weißt, daß ich deine Zigarette beobachte und daß ich dich gleich ermahnen werde, dir die Hände zu waschen, und daß Badezimmer überschwemmt ist, wie immer, und natürlich streust du doch die Asche herum, und ich sage. mein Gott, kannst du nicht einen Aschenbecher nehmen, denkst du, ich habe Lust, jeden Tag den Teppich abzubürsten?oder ich sage gar nichts und stelle dir den Aschenbecher hin, stumm und duldend, Stummheit, die dich reizt….

Oder: wir sitzen im Restaurant(wir gehen selten ins Restaurant, zu Haus haben wir´s gemütlicher, Fernsehen und schwedische Sessel und eine gutbestückte Hausbar, Whisky aus Prag oder Rumänien, geschmuggelter White horse: das sind die kleinen Abenteuer, die wir uns noch leisten) du bestellst, du brauchtest mich nicht zu fragen, seit 10 Jahren trinke ich Kaffee schwarz mit Zucker, fragst aber doch, höflicher Ehemann, wir sind immer höflich miteinander, auch unter vier Augen, auch nach einem Streit, erst recht nach einem Streit. von tödlicher Höflichkeit. wir reden, nicht heftig und händefuchtelnd wie in jungen Jahren, immerhin angeregt-Gott sei Dank gehören wir nicht zu diesen Ehepaaren, die steinern schweigen, sich anöden-,natürlich verkrachen wir uns nicht mehr auf Leben und Tod wegen Psychoanalyse, wir wissen seit langem, wo Einigung möglich ist, wo nicht, die Bezirke sind abgesteckt, wir respektieren sie, vernünftige Leute, wir reden also, ich nehme eine Zigarette, du bist zerstreut, vergißt, mir Feuer zu geben, ich sage:

früher…Übrigens nicht etwa zickig, ich lächle bitte, solche Versäumnisse nimmt man nicht tragisch, wir lächeln, wenn wir früher sagen wir sind vernünftig und wissen, daß nicht alles so bleibt wie früher und daß für uns dieselben Gesetze gelten wie für alle anderen……

Nein. Unmöglich Ben, daß uns widerfahren könnte , was anderen widerfährt. Wir werden die Ausnahme von der Regel sein-wenn es denn wirklich eine Regel gibt, nach der das Alter der Entdeckungen aufhört, nach der Geschichten verdorren, die so anheben: Als wir zum erstenmal…”

 

Aus “Franziska Linkerhand” Brigitte Reimann



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