“Der Mephisto-Deal” – Ein schulisches Drama in fünf Akten

Es ist “Samstag, 18. Mai 2013, 10:00 Uhr. Der Duft frischer Waffeln hing noch in der Luft, als Mephisto mit Faust den Pakt besiegelte. ‘Topp!’, rief er und das Licht des Vollmonds ließ seine schneeweißen Zähne furchterregend aufblitzen. (…) Während Faust sich bemühte, mit seinem nächsten Satz Mephistos Reim zu vollenden, war der Teufel in Gedanken schon längst im Kosmetikstudio, wo er sich… ‘Finn!’ – Hä? Ach ja, Finn. Das bin ich. Hallo. – ‘Finn, was sagst du denn zu dem Teufelspakt?’ – Frau Sommer, unsere Deutschlehrerin und Tutorin sah mich mit einem auffordernden Lächeln an.”

Der_Mephisto-DealSo beginnt, komprimiert, Kaja Bergmanns in fünf Akte gegliederter zweiter Roman “Der Mephisto-Deal”. Etwas verwirrend. Erst eine Handlungsebene Mephisto – Faust. Dann unvermittelt die Handlungsebene um Finn, den Ich-Erzähler in diesem Buch. Samstags in der Schule? Wie denn das? Die Lehrerin war für längere Zeit krank gewesen, so daß ihr Leistungskurs, vier Mädchen und vier Jungen, nun eine Menge Stoff nachzuholen hatten. Nebenbei ist zu erfahren, daß an eben diesem Sonnabend auch noch der Mathe-Leistungskurs von Herrn Udoriwitsch in der Schule war. Um nachzusitzen.

Der Einstieg endet auf Seite 13. u.a. mit diesen Sentenzen. “Für irgendetwas würdest auch du einen Pakt mit dem Teufel eingehen, glaub mir.” (So Nevin zu Tom.) – “Jetzt dachte ich doch darüber nach, worum ich mit dem Teufel wetten würde.” (So Finn in Gedanken.) – “…wir machen jetzt erst mal fünf Minuten Pause und danach befassen wir uns mit der Frage, ob Faust ein geschlossenes oder ein offenes Drama ist.” (So Frau Sommer)

Während dieses wohl für fast jeden Gymnasiasten langweilige Thema debattiert wird, geschieht um 10:11 Uhr etwas völlig unerwartetes: “Ein Knarren drang aus dem Lautsprecher über uns und eine fast ulkig verzerrte Stimme dröhnte: ‘Herr Udoriwitsch und Frau Sommer. Bitte schieben Sie Tafel in ihrem jeweiligen Klassenzimmer hoch. Danke schön.’ – Im ersten Moment war ich einfach nur irritiert. Seit wann war samstags das Sekretariat besetzt? Und warum klang die Stimme der Sekretärin so seltsam?” (S. 27) Die Lehrerin tat wie geheißen. Und was stand an der Tafel in krakeliger Schrift? “Ich will, daß Udoriwitschs Kurs stirbt!” (S. 28)

Einige Minuten später teilt die Lautsprecher-Stimme noch mit, daß die Waffeln, die alle Schüler vor Unterrichtsbeginn gegessen hatten, vergiftet waren. Und nur wenn alle den Satz an der Tafel bis spätestens 12:00 Uhr unterschreiben würden, würden sie das in der Schule versteckte Gegengift bekommen. Und natürlich sei auch dafür gesorgt worden, daß niemand die Schule verlassen könne. All diese schockierenden Ankündigungen kommentierte die Lautsprecher-Stimme höhnisch noch so: “Dann darf ich euch nun beglückwünschen: Ihr habt es geschafft, dem langweiligen Unterricht zu entkommen und ihr dürft euch jetzt auf zwei spannende Stunden freuen.” (S. 30)

Der zweite Akt beginnt um 10:17 Uhr. Zunächst waren alle wie erstarrt, dann rannten Tom und Finn und auch Nevin los. Die anderen blieben in Schockstarre zurück…

Tom und Finn stoßen nur auf verriegelte Außentüren und nicht zu öffnende Fenster. Auch der Feueralarmknopf läßt sich nicht bedienen. Erste Vergiftungserscheinungen machen sich bemerkbar. Die Ausweglosigkeit wird immer sichtbarer und es zeigt sich auch nicht das berühmte “Licht am Ende des Tunnels”. Irgendwann kam die Idee mit den von der Lehrerin eingesammelten Handys… Doch… die waren auf unerklärliche Weise verschwunden…

Kurz vor viertel 12 (es ist bereits der 3. Akt) verkündet die Lautsprecher-Stimme eine neue Regel und fordert – wie Mephisto in Goethes Faust – zu einem Pakt, zu einer Wette, heraus. Damit gibt jetzt eine zweite Rettungsmöglichkeit neben der bisher geforderten Unterschriftsleistung. Finn soll wie Faust sein Leben einsetzen…: “Finn darf die Klasse verlassen und das Atropin suchen. Findet er es rechtzeitig, seid ihr alle gerettet, herzlichen Glückwunsch. Findet er es nicht, stirbt er, unabhängig davon, ob ihr noch unterschreibt.” (S. 104)

Und so beginnt um 11:32 Uhr der 4. Akt… Finn macht sich auf die Suche… Währenddessen beratschlagen – ganz demokratisch – Klassensprecher Tom und fünf der Schüler gemeinsam mit der Lehrerin, ob sie unterschreiben sollen und somit ihr eigenes Leben retten können, aber damit dann das Leben des anderen Kurses – und auch das ihres Freundes Finn – opfern müssen…

Um 12:03 (!) Uhr endet der 4. Akt… Noch ist Finn am Leben. Und es beginnt der 5. Akt… Wie geht er aus? Gibt es eine Rettung für Finn? Gibt es Rettung für die anderen?

Und… es folgt sogar noch ein (stummer) Epilog: Das Rezept von Nepomuks und Mirandas Brombeerkuchen…

Kommt es zur Katastrophe oder doch noch zu einer Rettung? Das soll hier offen bleiben, das soll spannend bleiben. Finns letzter Gedanke in Morsezeichen deutet auf ersteres hin. Ein Einschub im 3. Akt mit einem Sonntagsdatum um 17:38 Uhr und dazu auch noch eine Textstelle ebenfalls im 3. Akt in Verbindung mit dem Epilog lassen jedoch auch eine Rettung nicht ganz unwahrscheinlich sein.

Was war das Motiv für den samstäglichen Mephisto-Deal anno 2013? Eine spannende Frage… Die Antwort hierfür aber muß jeder Leser selbst herausfinden.

Nicht ganz uninteressant ist auch die Namenswahl für einige der Akteure. Ein Blick ins Vornamenbuch kann daher nicht schaden.

Und auch dies sei noch erwähnt: Es gibt im “Mephisto-Deal” einige dezente An- und Nachklänge zu Kaja Bergmanns Debüt-Roman “Gabriel”, obwohl es sich hier keinesfalls um eine Forsetzung handelt.

Die 22jährige Germanistik-Studentin Kaja Bergmann zeigt sich auch in ihrem zweiten Buch wortmächtig, sie läßt ihrem Erzähltalent freien Lauf. Und sie nutzt einige bemerkenswerte Gestaltungsmittel. So mit den unterschiedlich langen Finn-Gedankeneinschüben auf Extraseiten. Zweimal sogar in Form von Morsezeichen. So vor allem aber mit der Gliederung nicht die üblichen Buch-Kapitel, sondern in fünf Akte, wie für Theaterstücke der Fall. Unterstrichen wird dies noch durch detaillierte Zeitangaben:

  1. Akt von 10:00 bis 10:16 Uhr (24 Seiten lang);
  2. Akt von 10:17 bis 10:57 Uhr (31 Seiten lang);
  3. Akt von 10:58 bis 11:31 Uhr (36 Seiten lang);
  4. Akt von 11:32 bis 12.03 Uhr (50 Seiten lang);
  5. Akt ohne jede Zeitangabe (20 Seiten lang) plus
    eine Seite Epilog.

Ja, was hat Kaja Bergmann hier nun erzählt, was ist ihr Anliegen? Das ist nicht ganz eindeutig, ist aber wohl auch nicht von so großer Bedeutung… Handelt es sich nur um einen Alptraum der Autorin oder des Ich-Erzählers? Ist es eine zwar fiktive, aber dennoch vorstellbare unglaubliche Begebenheit? Oder ist es nur eine – überaus gekonnte – Fingerübung mit dem Hintergrund: Wie schreibt man heutzutage ein geschlossenes Drama unter Beachtung der klassischen Regeln?

Auf jeden Fall dürfte dies Buch mit seinen weniger als 200 Seiten Text beim Durchschnittsschüler größeres Interesse finden als Goethes “Faust” im Original. Nicht nur weil Kaja Bergmanns Roman-Drama wesentlich dünner im Umfang als Goethe ist. Und auch nicht nur wegen ihrer modernen Sprache und Erzählweise – in einem übrigens gepflegten Hochdeutsch. Nein, wohl vor allem, weil ein solch dramatisches Geschehen, ein solcher Pakt mit “dem Teufel”, mittlerweile an bundesdeutschen Schulen leider durchaus vorstellbar ist. Man denke da nur an die diversen Amokläufe der letzten Jahre.

Kurzum: Dieses Buch ist nicht nur “packend, rasant und gnadenlos spannend”, wie es im Klappentext heißt. Es ist auch tatsächlich, trotz aller Schonungslosigkeit, für Leser von 14 Jahren an geeignet. Und, so meint der Rezensent, die Deutschlehrer könnten damit durchaus ihren Unterricht, wenn es um den Aufbau von Dramen geht, bereichern, anschaulicher machen. Und damit dem Angeödetsein von nicht wenigen Schülern vorbeugen.

Siegfried R. Krebs

Kaja Bergmann: Der Mephisto-Deal. Roman. 182 S. Klappenbroschur. Edition 211 im Bookspot-Verlag. München 2014. 12,95 Euro. ISBN 978-3-95669-012-9

[Erstveröffentlichung: Freigeist Weimar]

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