Sling “Der Mensch, der schiesst”, 399 Seiten, 24,90 €, Lilienfeld, ISBN: 978-3940357274;
Egon Erwin Kisch, der Urvater des Reportagen schreibenden Journalisten, ist bis heute in aller Munde, sein zu Lebzeiten kaum weniger bekannter Berufskollege Paul Felix Schlesinger ist inzwischen vergessen. Völllig zu Unrecht, wie diese Sammlung der besten Geschichten des Gerichtsreporters der einst hoch renommierten Vossischen Zeitung zeigt. Sie sind auch heute noch lesenswert.
Jeder Journalist weiß, das Schwierigste ist immer der Einstieg in einen Artikel. Die richtigen Worte zu finden, die der Wirklichkeit nahe sind und trotzdem spannend bleiben. Schlesinger, seinerzeit bekannt unter seinem Künstlernamen Sling, ist ein Meister dieser Texteinstiege. Ein glänzender Beobachter und ein Meister der prägnanten Worte. Schon diese ersten (Ab-)Sätze machen die Anthologie lesenswert.
Siehe den Buchtitel: “Der Mensch, der schießt”, fängt eine Reportage von 1926 an, “ist ebenso unschuldig wie der Kessel, der explodiert, die Eisenbahnschiene, die sich verbiegt, der Blitz, der einschlägt, die Lawine, die verschüttet. Alles tötet den Menschen, auch der Mensch tötet den Menschen.” Ein Weichei war er nicht, der Sling, aber Mitgefühl entwickelte er schon, gerade für die kleinen Leute, die der Bannstrahl der Justiz bisweilen heftiger erwischt als die sogenannten großen Leute.
Kritisch begegnete der Self-Made-Reporter auch der Justiz: In einem der dokumentierten Fälle in diesem Buch geht es um einen Eierhändler, der wegen Betrugs verurteilt wird, obwohl kein Ermittler nachgemessen hatte, ob die Kiste mit Eiern tatsächlich weniger wog, als sie hätte müssen, so wie es der Ankläger behauptet hatte.
Bewertung: *****