Eine Kollegin sprach mir neulich kurzerhand so lange meine Kompetenz als Literaturbloggerin ab, bis ich “Der Medicus” gelesen hätte. Es sei nämlich so ein tolles Buch und jeder sollte es kennen. Was soll ich sagen? Challenge accepted. Sie hat es mir netterweise gleich ausgeliehen und jetzt kann ich endlich mitreden.
Da es schon alle außer mir kennen, kann ich mir eine weitschweifige Inhaltsangabe sparen: Der Waisenjunge Rob wird von einem reisenden Bader als Gehilfe aufgenommen. Wir schreiben das 11. Jahrhundert, und Bader waren auf den Dörfern eine Mischung aus Alleinunterhaltern, Medizinern und Apothekern. Rob und der Bader führen Zaubertricks und Jonglagekunststücke auf, behandeln Krankheiten und Verletzungen und verkaufen ein selbstgebrautes Wunderelixier, das vor allem aufgrund seines hohen Alkoholgehalts Wunder wirkt.
Rob entdeckt sein Talent fürs Heilen, und als der Bader nach einigen Jahren des gemeinsamen Umherziehens stirbt, beschließt Rob, sich zum Medicus ausbilden zu lassen. Ein Medicus hatte damals um einiges mehr an Wissen über die Heilkunst und konnte daher Krankheiten besiegen, denen ein Bader machtlos gegenüber stand. In England gibt es zwar einige Stätten, wo man diese Ausbildung genießen kann, aber den besten Ruf dafür hat das persische Isfahan. Rob hat sich schnell entschieden, dass er diese weite und gefährliche Reise auf sich nehmen muss, um seinen großen Traum zu verwirklichen.
Das ist der Startpunkt eines großen Abenteuers, in dessen Folge Rob mit einer Karawane nach Konstantinopel und vorn dort aus weiter nach Isfahan reist. Dort lebt er dann der Einfachheit halber undercover als Jude, lernt Persisch und wird tatsächlich als Medizinstudent angenommen. Er schafft es sogar, ein Vertrauter des Schahs zu werden – was ihm zwar Privilegien bringt, aber nicht ganz ungefährlich ist.
Also, ich wurde nicht enttäuscht. “Der Medicus” ist wirklich eine schöne, stimmige Abenteuergeschichte, die zwar ein paar (wenige) Längen hat und einen Protagonisten, der mir manchmal ein bisschen zu sehr Mr. Superman war, die aber dafür meistens mit Spannung und viel, viel Zeitkolorit punktet. Hab ich gern gelesen.
ISBN: 978-3453471092848 SeitenOriginaltitel: The PhysicianHeyne Verlag€9,99