Der Marktwert eines Menschen

fussballPfingsten ist auch Reisezeit und deshalb waren meine Frau und ich mit der Bahn nach München gefahren. Im Zug lag das aktuelle Magazin der Deutschen Bahn, “mobil”, aus und dort las ich den Artikel “Darum werden wir Weltmeister”. Unter dieser Überschrift werden 15 Titelhelden der deutschen Fußball-Nationalmanschaft vorgestellt.

Ich interessiere mich nicht für Fußball. Gerade deshalb traute ich meinen Augen nicht und mußte es zwei Mal lesen. Denn am Ende der kurzen Infos über jeden Fußballer steht auch ”Marktwert”.

Der Marktwert ist der durch einen konkret vereinbarten Preis bestimmte Wert eines Gutes im Zeitpunkt der Transaktion. (so Wikipedia). Ich fragte mich, wer bestimmt den Marktwert eines Fußballspielers? Letztendlich bestimmt das der Verein, der den Spieler “besitzt”, dessen Wert.

Ich kam ins Grübeln. Sind “unsere Spieler” etwa ein Wirtschaftsgut? Und somit sogar Sklaven? Und gehören sie lt. FOCUS vom 22.11.2013 zu den ca. 10.000 Menschen, welche in Deutschland wie Sklaven leben?

Oder sind die Fußballprofis Menschen und der im Grundgesetz verankerte Begriff der Menschenwürde scheint in solchen Zusammenhängen ungebräuchlich zu sein? Der Wert und Nutzen eines Menschen besteht nach den wirtschaftsliberalen Theorien (“Humankapital”) ausschließlich darin, was er einem Unternehmen oder der Volkswirtschaft bringt und welche Kosten er verursacht. Aus dieser Kosten-Nutzen-Rechnung ergibt sich ein Marktwert, der keine inneren Werte berücksichtigt, sondern nur wirtschaftliche.

“Definieren sich Wert und Würde des menschlichen Lebens nur über den Job, werden Arbeitslose und ältere Menschen wert- und würdelos und an den Rand der Gesellschaft gedrängt”, so Stephan Schulmeister, Ökonom am Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO). Die sprachkritische Aktion “Unwort des Jahres” hat den Begriff Humankapital sogar zum Unwort des Jahres 2004 gewählt. Das Wort degradiere nicht nur Arbeitskräfte in Betrieben, sondern Menschen überhaupt “zu nur noch ökonomisch interessanten Größen”, lautete die Begründung des sechsköpfigen Gremiums.

In einem Staat, wo die Mehrheit der Menschen alle Werte nur am Geld messen, dort ist es nicht möglich, eine gerechte Gesellschaft aufzubauen. Wer kein Geld hat, der hat auch keinen Lebensmut. Er fürchtet allerorten zurückgesetzt zu werden, glaubt jede Demütigung ertragen zu müssen und zeigt sich allerorten in schwachem Lichte.
KNIGGE, Über den Umgang mit Menschen, 1788

Auch daran sollte man angesichts der medialen und merkantinen Rummels um die Fußball-Weltmeisterschaft denken.

Stanislav Sedlacik

[Erstveröffentlichung Freigeist Weimar]


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