Der Markt funktioniert doch!

Ist schon interessant: Genau dort, wo der Markt beweist, dass er tatsächlich funktioniert, ist das ein Skandal. Etwa wenn Ärzte bestimmten Patienten, die mehr zahlen können oder wollen als andere, eins der raren Organe für die benötigte Transplantation zuschanzen. Oder an der Tankstelle. Egal, was die Spritkonzerne haben wollen, es wird gezahlt. Klar mault der Bürger über die hohen Spritpreise, aber deshalb steigt er doch wieder ins Auto. Was bleibt ihm auch übrig, wenn der ebenfalls hervorragend funktionierende Wohnungsmarkt ihn aufs Land “verteilt” hat, weil die Mieten in der Stadt für ihn einfach zu hoch sind. Für diejenigen, die es sich leisten können, ist genau das gerade gut, dann nehmen ihnen die ganzen Normalos nicht die Wohnungen in den Gegenden weg, die gerade angesagt sind. Die legen ohne mit der Wimper zu zucken Mieten hin, die das Gehalt eines herkömmlichen Geringverdieners weit übersteigen – genau so funktioniert Markt. Er verteilt die Güter an diejenigen, die sie sich leisten können. Deswegen war es fast schon wieder putzig, dass vor ein paar Tagen plötzlich die Skandalmeldung durch die Medien ging, dass plötzlich ganz viele Sozialwohnungen fehlen – ja, wie konnte das denn passieren?!

So idyllisch ist der Markt leider nicht.

So idyllisch ist der Markt leider nicht. Vor allem nicht, wenn er funktioniert.

Als ob genau diejenigen, die einstmals öffentlich geförderte Wohnungsbaugesellschaften an private “Investoren” verscherbelt haben, nicht genau gewusst hätten, was sie tun! Sie haben halt darauf gesetzt, dass der Markt das dann schon regelt. Und genau das ist passiert: Die Investoren haben nur in ihren eigenen Gewinn investiert, die Mieten erhöht, die Gebäude vernachlässigt und trotzdem wohnen noch immer Menschen dort – weil es wo anders eben auch keinen günstigen Wohnraum mehr gibt. Und noch einmal: Genau so funktioniert Markt. Es geht nicht darum, dass jeder, der irgendwo wohnen muss, eine Wohnung bekommt. Sondern darum, dass Angebot und Nachfrage so aufeinander abgestimmt werden, dass für die Immobilienbesitzer unterm Strich ein möglichst hoher Gewinn heraus kommt. Deshalb zahlen sogar Menschen, die es sich eigentlich gar nicht leisten können, für die letzten Löcher noch Halsabschneider-Mieten – der Markt sorgt schon dafür. Und die Notwendigkeit. Man kann ja nicht einfach nicht wohnen.

Und Markt funktioniert auch im Bereich der Grundnahrungsmittel – durch die Dürren in den USA und in Russland werden die Ernten schlecht ausfallen, die Preise für Mais, Weizen, Soja und so weiter ziehen bereits kräftig an. Zwar wird es irgendwie unanständig empfunden, wenn mit Lebensmitteln spekuliert wird, aber so ist das halt mit dem Markt: Hier kann man jetzt richtig fett Kohle machen – Mais und Weizen sind eben auch nur Produkte, die für den Markt produziert werden und eben nicht, um die Weltbevölkerung satt zu machen. Wenn es darum ginge, bräuchte man keinen Markt. Dann würde man einfach Felder bestellen und die Ernte verteilen. Dann gäbe es keine Schlagzeilen wie heute in der Süddeutschen: Furcht vor Hungerrevolten. Hunger gibt es nicht, weil der Markt versagt, sondern weil er funktioniert. Nein, ich will nicht auf die nächste Hungersnot hoffen, damit die Leute endlich revoltieren. Was dabei heraus kommt, kann man in Tunesien oder Ägypten besichtigen. Die Leute sind unter anderem auf die Straße gegangen, weil die Lebensmittel so teuer geworden sind, während sie andererseits kaum Möglichkeiten hatten, genug Geld zu verdienen.

Und was haben sie jetzt davon? Jedenfalls keine billigen Nahrungsmittel oder bessere Lebensbedingungen. In Tunesien gehen die Frauen derzeit auf die Straße, um gegen eine neue Verfassung zu protestieren, die ihre Rechte entscheidend einschränken wird. Noch ist Tunesien das einzige Land im arabischen Raum, das Frauen die gleichen Rechte einräumt wie den Männern. Aber dank der famosen Revolution kann sich das bald ändern.



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