Einst war ein alter Mann im fernen Osten von Kham, der als der Mani-Mann bekannt war, weil er Tag und Nacht mit dem hingebungsvollen Drehen seiner kleinen, handgemachten Gebetsmühle angetroffen wurde. Die Mühle war mit dem Mantra des Großen Mitfühlenden – OM MANI PADMA HUM – gefüllt. Der Mani-Mann lebte mit seinem Sohn und ihrem einzigen ausgezeichneten Pferd. Der Sohn war die Freude im Leben des Mannes, der Stolz und die Freude des Sohnes war das Pferd.
Die Frau des Mannes war nach einem langen Leben in Tugend und Dienst schon lange zuvor für weitere glücklichere Wiedergeburten verstorben. Vater und Sohn lebten frei von übermäßigen Wünschen und Bedürfnissen in einem von mehreren Steinhäuser in der Nähe eines Flusses am Rande der Ebene.
Eines Tages verschwand ihr Ross. Die Nachbarn betrauerten den Verlust des einzigen materiellen Vermögens des alten Mannes, aber der stoische alte Mann drehte einfach seine Gebetsmühle und rezitierte OM MANI PADME HUM, das nationale Mantra von Tibet. Jedem der sich erkundigte oder sein Beileid ausdrückte, sagte er einfach: „Sei dankbar für alles. Wer kann sagen, was gut oder schlecht ist? Wir werden sehen…“
Nach einigen Tagen kehrte das prächtige Geschöpf zurück, gefolgt von einem Paar wilder Mustangs. Diese wurden rasch vom alten Mann und seinem Sohn trainiert. Dann sang jedermann feierliche Lieder und gratulierte dem alten Mann wegen seines unerwarteten Glücks. Der Mann lächelte über seiner Gebetsmühle und sagte: „Ich bin dankbar… aber wer weiß? Wir werden sehen.“
Dann während eines Ritts auf einem der Mustangs fiel der Junge herab und zerschmetterte sein Bein. Ein paar Nachbarn trugen ihn nach Hause, verfluchten das Wildpferd und betrauerten das Los des Jungen. Aber der alte Mann, auf der Bettkante seines geliebten Sohnes sitzend, drehte einfach wieder und wieder seine Gebetsmühle, während er sanft das Mantra des Großen Mitgefühls des Chenrezig murmelte. Er beklagte sich nicht, noch antwortete er auf ihre Klagen über das Schicksal, aber er nickte freundlich mit seinem Kopf, wiederholte was er zuvor gesagt hatte. „Der Buddha ist segensreich, ich bin dankbar für das Leben meines Sohnes. Wir werden sehen.“
In der nächsten Woche erschienen Militärbeamte und suchten nach jungen Wehrpflichtigen für einen beginnenden Krieg an der Grenze. Alle örtlichen Jungen wurden sofort mitgenommen, außer dem bettlägerigen Sohn des Mani-Mannes. Dann gratulierten die Nachbarn dem alten Mann für sein großes Glück und fügten hinzu, dass solch ein Glück vom angesammelten guten Karma kommt, da der alte Mann unaufhörlich die Gebetsmühle dreht und beständig Mantras auf seinen rissigen Lippen hat. Er lächelte und sagte nichts.
Eines Tages als der Junge und sein Vater ihre ausgezeichneten Pferde beim Grasen auf der Grasebene zusahen, begann der schweigsame alte Mann plötzlich zu singen:
Das Leben dreht sich und dreht sich, auf und ab wie ein Wasserrad,
unsere Leben sind wie seine Eimer, die immer wieder und wieder geleert und angefüllt werden.
Gleich dem Ton eines Töpfers wird unsere körperliche Existenz
von einer Form in einer anderen wieder hergestellt.
Die Schatten zerbrechen und bilden sich wieder und wieder,
die Niederen werden erhaben und die Hohen fallen hinunter,
das Dunkel wird zum Licht wachsen und die Reichen verlieren alles.
Wenn du, mein Sohn, ein außergewöhnliches Kind wärest,
dann würden sie dich als eine Wiedergeburt zu einem Kloster mitnehmen.
Wenn du zu intelligent wärst, mein Sohn,
von den Streitigkeiten anderer Leute würdest du in einer Amtsstube sein.
Ein Pferd ist des einen Mühe wert.
Vermögen ist gut,
aber zu bald verliert es seinen Geschmack
und kann am Ende eine Last, eine Quelle von Streit sein.
Niemand weiß, welches Karma uns erwartet,
aber was wir nun säen wird geerntet
in Leben, die kommen. Das ist gewiss.
Also sei gütig zu jedem und allen
und sei nicht voreingenommen,
basierend auf Illusionen von Gewinn und Verlust.
Hege kein Hoffen oder Fürchten, weder Erwartungen noch Ängste,
sei allem dankbar, was immer auch dein Los sein mag.
Akzeptiere alles, akzeptiere jeden und
folge dem unausweichlichen Gesetz des Buddha.
Sei einfach und sorgenfrei, lebe natürlich in Ruhe und Frieden.
Du kannst Pfeile in den Himmel schießen, wenn du magst,
mein Sohn, aber sie werden unausweichlich auf die Erde zurückfallen.
Als er so sang, flatterten die Gebetsfahnen über Kopf und die alte Gebetsmühle, die mit hunderttausenden handgeschriebenen Mantras angefüllt war, begann sich zu drehen. Dann verstummte der alte Mann.