Sommer in Sepia
Marie Velden
dtv, 2014
978-3423215183
9,95 €
Hinter der Fassade seines intakten Familien- und Berufslebens ist der 45-jährige Psychotherapeut Thomas Bachmann ein einsamer Mann. Die Ehe mit Veronika ist schal, seine Kinder gehen bereits eigene Wege, sein bester Freund stirbt. Erst die Begegnung mit der geheimnisvollen Florentine weckt verblasste Sehnsüchte und holt ihn zurück ins Leben.
Thomas ist ein Mann, der sich anscheinend noch nie Gedanken über sein Leben gemacht hat. Will ich so Leben? Bin ich glücklich? Kleine Dinge bringen ihn neuerdings völlig aus dem Konzept und immer wieder entdeckt er, dass er seinen Patienten etwas predigt, was er selbst nicht einhalten kann. Dabei hätte sein Leben auch eine andere Wendung nehmen können. Vor allem die Konfrontation mit dem Tod lässt ihn aufhorchen und nachdenken.
Florentine muss eine nette und liebenswerte Frau sein, wenn sie nicht nur eine Figur wäre ;) Ich mag es, wie sie durch ihr Leben stürmt und mal schreitet. Sie behält ihren Schmerz bei und der Leser ist ganz nah dran, wenn sie beginnt damit anders umzugehen. Denn ein Leben muss nicht immer traurig bleiben …
Veronika und die Kinder von Thomas spielen zum Anfang eine eher kleine Rolle. Veronika ist mir gleich etwas unsympathisch, zeigt sie doch auf, was an Ehen falsch laufen kann. Die Kinder sind nur Randfiguren, aber als Setting sehr wichtig.
Eine große Stadt in der viele einsame Menschen wohnen, aber auch welche, die (fast) glücklich sind. Ich mochte die Beschreibungen des Blumenladens, der mir wie ein Kleinod vorkam. Das Familienleben von Thomas war dagegen sehr traurig und fade, aber auch diese Atmosphäre hat Marie Helden gut eingefangen. Ich bin immer wieder überrascht, wie sehr ich ihre kleinen, poetischen Sätze mag und sei es nur, sie redet über Musik aus dem Radio.
Allzu viel darf ich gar nicht schreiben, denn wenn Ihr dann das Buch lest, hätte ich schon viel verraten. Ich kann Euch aber verraten, dass ich vom ersten Buch der Autorin “Lilienrupfer” zu Tränen gerührt war. Und jeder Leser kann mir sagen, was er will: wenn Dir das einmal passiert ist, möchtest du es beim nächsten Buch wieder. Die Erwartungshaltung war demnach sehr hoch. Das war die erste Anmerkung, die zweite ist, dass ich mit Büchern, in denen Protagonisten so um die 40 sind und in der Lebenskrise stecken, meist nichts anfangen kann, denn die Vorstellungen wollen noch nicht in meinen Kopf rein. Ich fühle mich dafür noch etwas “jung”, trotzdem weiß ich natürlich, dass ich irgendwann auch so alt sein werde.
Es ist die Geschichte von Thomas, Florentine und Veronika. Jede dieser Figuren bekommt eigene Kapitel, wobei Veronika erst ganz zum Schluss ihre Meinung dazugeben darf. Diese getrennten Kapitel haben der Geschichte das gewisse Etwas gegeben, denn so konnte der Leser manche Situationen zweimal erleben und merken, wie unterschiedlich die Gedanken dazu waren. Aber keine Angst: die Situationen, die sich überschneiden, sind bei der zweiten Person sehr kurz gehalten. Langweile gibt es also nicht.
Marie Velden erzählt sehr ruhig, Aufregung gibt es bei ihr nicht. Der Schmerz der Figuren kommt mitten aus dem Leben und dem Herzen. Immer wieder finde ich schöne Sätze, die wirklich poetisch sind und die es verdient haben, zweimal gelesen zu werden. Die Gefühle sind immer recht greifbar und sie werden gut erklärt, auch wenn sie nur unterschwellig wirksam sind.
Das Buch ist in drei Teile aufgeteilt und beginnt mit Zitaten aus dem “Ebenholzturm” von John Fowler. Dieses Buch spielt im Verlauf eine kleine, aber nicht unbedeutende Rolle. Die Charaktere verändern sich im Laufe und nehmen den Leser mit auf eine Reise zu sich selbst. Dabei ist es auch wichtig, die Frage zu beantworten: Darf ich das, auch wenn ich jemandem Leid zufüge? Und wie gehe ich mit meinem persönlichen Leid um? Diese Fragen werden mit Sorgfalt und viel Gefühl eingestreut und zum Teil beantwortet. Letztendlich muss aber jeder selbst auf seine passende Antwort kommen.
Was mich davon abhält 5 Bücherpunkte zu geben, ist, dass ich zwar den Verlauf der Geschichte sehr mochte, mit dem Ende aber unzufrieden bin. Es war mir etwas zu makellos und zu Happy Ending, obwohl es noch nicht einmal zu 100 % ein Happy End ist. Das ist ein Punktabzug, den ihr verschmerzen könnt, denn das Buch ist wirklich schön und eine nette Lektüre, die das Herz auf eine andere Art berührt.
“Sommer in Sepia” hat ein schönes, schlichtes Cover. Die Blumen haben eine Bedeutung, die dem Roman zuspielt und auch darin eine Rolle spielen. Die Farbe erinnert wirklich an Sepia – also würde ich sagen: alles richtig gemacht.
Es war schön, es war still und es war ein Sommer mit vielen Veränderungen. Aber das Ende war mir etwas zu elegant und deswegen gibt es nur: