Die Besatzung des Space Shuttle Atlantis und der ISS haben heute einen Spacewalk, einen Weltraumspaziergang durchgeführt. Es war der letzte in der dreißigjährigen Geschichte des Orbiters, und ich wünschte, ich hätte dabei sein können.
In diesen Tagen bedaure ich wirklich sehr, dass ich einen Alltag habe. Ich komme einfach nicht dazu, den Funkverkehr zwischen Shuttle und Bodenstation so intensiv zu verfolgen, wie ich gern würde. Aber ich bin ein sammler historischer Dokumente, und darum schneide ich so viel wie möglich von dem Ereignis mit. Manche fragen mich, was ich daran so spannend finde?
Da ist zunächst einmal das Abenteuerliche einer außergewöhnlichen Situation. Da sind Menschen, die in einen unglaublichen Raum vorstoßen, einen unendlichen, scheinbar lebensfeindlichen Raum, aber man lässt sich etwas einfallen, um ihn doch betreten zu können. Das fasziniert mich. Dann ist da natürlich die Bewunderung für die Kreativität, mit der Menschen es schaffen, diesen fremden Raum begehbar zu machen, wenn auch nicht im wahrsten Wortsinne. So fremdartig ist dieser Raum, dass sogar die körperliche Orientierung verloren geht, und die uns auf der Erde umgebende Luft nicht vorhanden ist. Welche Kniffe und Methoden haben wir Menschen, um dies zu erreichen. Und natürlich ist auch da der Gedanke, etwas historisch bedeutsames zu erleben, den Fall einer Grenzschicht, den nächsten Schritt in unserer Entwicklung.
Das mag sich für einen sozialkritisch geprägten Menschen furchtbar kitschig anhören, aber ich stehe dazu. Das heißt nicht, dass ich nicht auch die Raumfahrt kritisch betrachte, aber es heißt, dass ich mich ihrer grundsätzlichen Faszination nicht entziehen kann und will. Ich wäre gern mit geflogen, würde gern in den engen Räumen der ISS die Schwerelosigkeit erkunden, würde gern helfen, die Fracht des Shuttles in der Raumstation zu verstauen, so lange es auch dauert, das Gepäck ein paar Meter vom Orbiter zur Station zu bewegen. Ich würde gern aus einem der Fenster auf die Erde sehen, oder in der absoluten Schwerelosigkeit im All schweben im Raumanzug, um die Erde mal über, mal unter mir zu sehen, ohne das Gefühl zu haben, mich zu drehen. Und vieles mehr.
In Gesprächen, die ich über die Raumfahrt führe, halten mir die Menschen vor, dass sie viel kostet, und dass man sich doch besser dabei stünde, das Geld für naheliegendere Projekte auszugeben. Als ob es bei der Raumfahrt nicht um naheliegende Projekte ginge: Um Energieversorgung, um Medizin, um Solarkraft und um so vieles mehr, was unseren Alltag erleichtern kann. Die Frage ist, ob der langfristige Nutzen die kurzfristigen Kosten aufwiegt. Diese Frage muss man immer wieder neu stellen. Ich glaube, dass der Nutzen enorm ist, solange die Raumfahrt friedlich betrieben wird.
Inzwischen sind die Besatzungen am Ende ihres fünften Flugtages zu Bett gegangen. Allein 2 Tage hat das Shuttle benötigt, zur ISS aufzuschließen und anzudocken. Allein das Docking, das mit äußerster Präzision durchgeführt werden muss, dauerte mehrere Stunden. Jetzt werden die Crew-Mitglieder wohl bereits ihre Schlafplätze eingenommen haben. Wenn sie sich nicht an der Wand im Stehen festgeschnallt haben, werden sie in seltsamer Haltung in der Luft hängen, die Arme fast nach vorn vor den Körper gestreckt, das soll in der Schwerelosigkeit wohl sehr entspannend sein. Oder eben sie stehen an der Wand. Das nimmt weniger Platz weg als ein Bett, und in der Schwerelosigkeit sind Liegen und Stehen ein und dasselbe. Ich würde gern wissen, wie sich das anfühlt, in der Schwerelosigkeit zu schlafen. Wenn man einmal in der Schwerelosigkeit gelebt hat, kann man dann wohl in Träumen dieses Gefühl noch nachempfinden, wenn man wieder auf der Erde ist?
Natürlich interessiert mich auch der wissenschaftliche Aspekt der Weltraummissionen, doch zunächst einmal möchte ich mir den Alltag vorstellen können. Wo leben und Arbeiten die Frauen und Männer, die gleichzeitig Techniker und Wissenschaftler sein müssen. Wie leben Sie, wie gewöhnen sie sich an die ungewohnte Umgebung?
In ein paar Tagen wird die Atlantis zum letzten Mal zur Erde zurückkehren. Danach wird eine der bis dato führenden Raumfahrtnationen darauf angewiesen sein, dass sie bei anderen Nationen mitfliegen darf. Ein guter Zeitpunkt, nüchtern über die bisherigen Ergebnisse von 50 Jahren bemannter Raumfahrt nachzudenken. Und wer weiß? Vielleicht höre ich ja noch den ersten menschlichen Funkspruch vom Mars?