„Der Lärm der Fische beim Fliegen“. Teufel züchten Lachs

In vielen Rezensionen zu dem norwegischen Ökothriller „Der Lärm der Fische beim Fliegen" aus der Feder von Lars Lenth heißt es, man würde nach dem Lesegenuss so bald keinen Appetit mehr auf Lachs aus dem Supermarkt verspüren. Da trifft es sich ganz gut, dass ich Lachs ohnehin nicht mag. Mir konnte dieser Roman außer Zeit also von vornherein nichts stehlen.

Die norwegische Lachszucht-Industrie wird in „Der Lärm der Fische beim Fliegen" nicht mit Samthandschuhen angefasst. Genau genommen wird sie mit dem Gesicht voran so richtig in die Jauche getunkt. Die Antagonisten dieses Romans sind skrupellose Lachszüchter, die nur ihren Profit im Sinn haben und vor Gewalt nicht zurückschrecken. Ihnen gegenüber steht eine Gruppe von Protagonisten, die zwar prinzipiell für die richtige Sache kämpft, aber nicht unbedingt mit den richtigen Mitteln und auch nicht immer aus den richtigen Gründen. „Der Lärm der Fische beim Fliegen" oder „Antihelden gegen Schurken an der Küste Norwegens".

Während Leo Vangen noch immer nicht der Sprung vom Rechtsreferendar zum Anwalt gelungen ist (und wohl auch nie gelingen wird), hat sich sein alter Schulfreund Axel Platou ein Fischzuchtimperium aufgebaut. Nachdem ein Anschlag auf einer von Axels Tochterunternehmen, einer Lachszucht in Brønnøysund, verübt wurde, bittet der Geschäftsmann den überraschten Leo darum, sich der Sache anzunehmen und Schlimmeres zu verhindern. Aus gutem Grund. Das Tochterunternehmen wird geleitet von den Vega-Brüdern, die für ihre Methoden berüchtigt sind. Allerdings verschweigt Axel seinem alten Freund bewusst einige brisante Details über die Geschäftspraktiken in Brønnøysund.

Über den ganzen Schwein- ... oder besser Lachskram in Brønnøysund im Bilde ist die junge Meeresbiologin Liv Kongevold, die sich hat kaufen lassen und dies nun bitter bereut. Sie spielt der Umweltaktivistin Erna Solbakken heimlich Informationen zu, die wiederum den blutjungen und unerfahrenen Öko-Touristen Jokke einweiht. Der ist heillos überfordert, bis er den flüchtigen Verbrecher Rino kennenlernt. Mit Gewalt kennt sich Rino verdammt gut aus. Als Leo in Brønnøysund ankommt, hat sich die Lage schon gewaltig zugespitzt, es gibt einen toten Wissenschaftler und Erna Solbakken ist verschwunden.

Brønnøysund ist kein fiktiver Ort, sondern eine norwegische Küstenstadt mit rund 5.000 Einwohnern. Hier wurde einst tatsächlich der Grundstein für ein großes, in Oslo ansässiges Unternehmen gelegt, das für die Missachtung ökologischer, rechtlicher, sozialer und medizinischer Standards in der Lachszucht viel Kritik einstecken musste. „Der Lärm der Fische beim Fliegen" erschien in Deutschland erstmals im März 2018.

Lachs und Spiele

Ökothriller neigen ja durchaus dazu, heftig die moralische Keule zu schwingen, um dem Leser ihre Botschaft einzuhämmern. Das heißt nicht, dass diese Romane nicht hochklassig wären, nur bleibt der Unterhaltungswert mitunter etwas auf der Strecke. „Der Lärm der Fische beim Fliegen" führt uns viele unappetitliche Details über die moderne Lachszucht vor Augen, über die man sehr wohl nachdenken kann und sollte, verzichtet dabei aber auf den erhobenen Zeigefinger. Die Bösen sind bewusst überzeichnet und die Guten sind wahrlich keine strahlenden Helden. Die ganze Szenerie ist gespickt mit ungewöhnlichen Details und skurrilen Charakteren, die man so im Vorfeld nicht unbedingt erwartet.

Das Team „Lachszucht", wenn man es so nennen möchte, oder auch schlichtweg die Bösen, sind die Brüder Torvald und Gunnar Vega. Der dritte Bruder, Einar, hält den beiden als Polizeichef den Rücken frei, zweifelt jedoch zusehends an seiner familiären Loyalität. Die Brüder wurden sehr von ihrem gewalttätigen Vater geprägt, der ein (gescheiterter) Historiker mit Vorliebe für das antike Rom war. So entdeckt man in der Art, wie die Vega-Brüder ihre Geschäfte betreiben und sich verhalten, sehr viele offensichtliche sowie auch subtilere Parallelen zur römischen Antike, was ich überraschend und interessant fand. Über den Brüdern Vega steht Axel Platou, der Imperator, dessen Rolle in dem ganzen Drama sich nach und nach enthüllt.

Norwegens Lachszüchter, zumindest jene, die gänzlich frei von schwarzem Humor und Selbstkritik sind, dürften wenig erfreut darüber sein, wie sie in diesem Roman repräsentiert werden, es entsteht beim Leser aber nicht der Eindruck, als wären tatsächlich alle Lachszüchter so. Reale Methoden der Lachszucht von hoher Fragwürdigkeit werden hier absichtlich mit grotesk-dubiosen Charakteren verbunden.

Dem Team „Lachszucht" gegenüber steht ein Team, das zu benennen äußerst schwierig ist. Es besteht aus ganz unterschiedlichen Charakteren, die nicht wirklich zusammenpassen und von deren Methoden sich die meisten Umweltschützer gar nicht schnell genug distanzieren könnten. Wir haben einen erfolglosen Juristen, der eigentlich gar nichts mit der Sache zu haben will, eine Whistleblowerin, die sich einst für Geld und gegen ihre Moralvorstellungen entschieden hat und nun einen Weg zurück sucht, einen Jüngling, der nicht weiß, wo sein Platz ist, einen Kriminellen, der Gewalt als legitimes Mittel ansieht, und eine Umweltaktivistin, die mehr redet als selbst zu handeln. Im Prinzip verkörpern diese Protagonisten zumindest teilweise das Spektrum der menschlichen Reaktionen auf das Thema Umweltschutz und keiner von ihnen hat die perfekte Antwort. Vermutlich, weil es die in der Realität gar nicht gibt.


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