Der Kuss der Lüge - Die Chroniken der Verbliebenen von Mary E. Pearson

Von Paperdreams @xGoldmarie


Als Lia, die älteste Tochter des Königshauses Morrighan mit einem Prinzen verheiratet werden soll, den sie zuvor noch nie gesehen hat, beschließt die Prinzessin kurzerhand ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen. Zusammen mit ihrer engsten Zofe Pauline flieht sie und beginnt, getarnt als Schankmädchen und weit von zu Hause entfernt, ein neues Leben. Dort lernt sie zwei Männer kennen, die sie vom ersten Augenblick an faszinieren. Was sie jedoch nicht weiß: der eine, wurde ausgesandt, um sie zu töten und der andere ist ausgerechnet der Prinz, den sie hätte heiraten sollen...


Eine Prinzessin, die vor ihrer Hochzeit mit einem unbekannten Prinzen flieht, ein Meuchelmörder, der ausgesandt wurde, um die Prinzessin zu töten und der unbekannte Prinz, den die Prinzessin hätte heiraten sollen - eine interessante Konstellation, die Mary E. Pearson da schafft, auch wenn der bittere Nachgeschmack einer hintergründigen, sich zumindest andeutenden Dreiecksgeschichte auf der Zunge bleibt und der Geschichte ein wenig die Originalität raubt. Da der Leser durch die verschiedenen Perspektiven bis zu einem gewissen Punkt nicht weiß, wer der Prinz und wer der Meuchelmörder ist, kommt ein spannendes Rätselraten hinzu, das dem Buch ein bisschen Pfeffer gibt. Hinzu kommt eine toughe Protagonistin, die nicht auf den Mund gefallen ist, Rückgrat beweist und für sich selbst einsteht, interessante (vor allen Dingen weibliche) Nebenfiguren und eine faszinierende Welt, die noch mehr Erklärungen und Beschreibungen bedarf. Doch funktioniert dieses Konstrukt? Ich würde sagen: Jein.

Ein Buch hat es immer ein bisschen schwieriger, wenn man es von vorne herein um jeden Preis lieben möchte und vermutlich hat auch "Der Kuss der Lüge" unter diesem Fluch ein wenig gelitten. Die Geschichte um Prinzessin Lia beginnt stark, mit einem tollen Erzählstil, der nicht einer gewissen Poesie entbehrt, und einer Protagonistin, die mir von Anhieb sympathisch ist. Auch die Flucht Lias und ihre Anfänge in dem neuen Ort lesen sich noch sehr gut bis schließlich die beiden Männer, Kaden und Rafe, dazu kommen. Und da beginnt die Geschichte für mich zu schwächeln und stellenweise konstruiert zu wirken. Der Kniff, dass man von vorne herein nicht weiß, wer von den beiden der Prinz und wer der Mörder ist, ist clever inszeniert und sicherlich gut umgesetzt, doch irgendwie wirken die beiden männlichen Figuren dadurch auch etwas blass und distanziert. Zu keinem von beiden konnte ich eine wirklich Bindung aufbauen, auch wenn Pearson merklich versucht, besonders Rafe für den Leser (und auch für Lia) sympathisch zu machen. Man muss ihr tatsächlich zu Gute halten, dass es nicht um die Frage geht, wen Lia denn nun lieben soll und dass die Liebesgeschichte - zumindest in diesem Teil - relativ geradlinig verläuft.


Der Mittelteil ist dementsprechend sehr auf Lias Beziehung zu den beiden männlichen Protagonisten (vor allen Dingen zu einem von beiden) fokussiert und plätschert ein wenig vor sich hin. Erst danach nimmt die Geschichte wieder Fahrt auf und bringt dem Leser die faszinierende Welt näher. Und trotzdem: irgendetwas fehlt mir. Lia scheint zu präsent, zu dominant und überschattet die anderen Figuren charakterlich bei Weitem, sodass ich oft das Gefühl hatte, man hätte die Liebesgeschichte einfach weglassen können und das Buch wäre womöglich um einiges reizvoller gewesen. Da noch drei Bände folgen, wäre genug Platz um die Beziehungen weiter auszubauen, die, wie ich vermute, in den Folgebänden noch um einiges komplizierter werden. Und trotzdem ist "Der Kuss der Lüge" ein spannender Auftakt, der sich schnell und unterhaltsam liest und eindeutig neugierig macht, gerade der letzte Teil des Buches hat mir gut gefallen. Auch wenn mich "Der Kuss der Lüge" letztlich nicht umgehauen hat, bin ich gespannt, wie es weitergeht und kann die Geschichte jedem empfehlen, der eine starke Protagonistin und eine faszinierende Fantasywelt mag.