„Der Kunde hat keinen Anspruch auf ein bestimmtes Mobilfunknetz“

Diesen bahnbrechenden Satz hat kürzlich der Anbieter Drillisch geprägt, in dem er seinen Kunden mitteilte, die allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) für seine Mobilfunkangebote zu ändern.

Oder extrem formuliert: Seien Sie froh, daß Sie überhaupt mobil telefonieren dürfen.

 

Ich habe ja schon viel im Mobilfunk erlebt, aber die Aussage von Drillisch hat eine neue Qualität. Der Kunde soll mobil telefonieren und keine lästigen Fragen nach der Qualität oder der Existenz der Netzversorgung stellen. Es gibt 4 mobile Netze in Deutschland und alle sind flächendeckend und stabil ausgebaut?

Schön wärs.

Als der digitale Mobilfunk in Deutschland begann, gab es zwei Netze und eine Handvoll Service-Provider. Der Kunde wählte zunächst nach dem entscheidenden Kriterium: Wo bin ich und wo bewege ich mich und habe ich dort Netzversorgung? So entstanden Präferenzen für D1 (Telekom) oder D2 (Mannesmann, heute Vodafone).

Dann kam E-Plus mit einem – logischerweise – löchrigen Netz und dafür günstigen Preisen. Und VIAG Interkom (heute o2) versuchte beides: Gutes Netz und günstige Preise zu kombinieren. Und das ist… schwierig. Das D1-Roaming war ein klarer Startvorteil, den man sich durch ein mehr als ungeschicktes „Erst Abschalten und dann mal schauen, wo wir noch Funklöcher haben“ komplett vernichtet hat.

Die Service-Provider verkauften anfangs Original-Tarife mit ihrem Etikett und trauten sich erst später, eigene Tarife zu kreieren, die sie „intern“ wieder in die Original-Tarife umrechnen mußten, die sie mit 20 oder 30% Rabatt einkaufen konnten, denn von irgendwas müssen sie ja auch leben.

Mit dem Start der Handy-Tarif-Discounter tauchten immer mehr Marken und Produkte auf, wo erst auf den vierten Blick herauszufinden ist, in welchem Netz diese Produkte eigentlich angeboten werden, ein weltweites Phänomen.

Anfangs fanden die Discount-Angebote hierzulande im o2 oder E-Plus-Netz statt, während D2 sich massiv gegen den Preisverfall wehrte. D1 gründete relativ mit Congstar einen eigenen Discounter und belieferte auch andere Anbieter, aber immer mit einem gewissen Magengrimmen. Die Discount-Preisführerschaft fand und findet im E-Plus-Netz und teilweise auch im o2-Netz statt. Relativ spät stieß D2 hinzu, erst mit bezahlbaren Datentarifen, inzwischen auch mit bezahlbaren Minutenpreisen. Der Kundenservice kann dabei gut sein, solange keine Sonderwünsche auftauchen, kann aber auch gruslig oder gar nicht vorhanden sein.

Der Service-Provider Drillisch begann als reiner D2-Netz-Anbieter, mit dem Einkauf von „Victor Vox“ kam der damals erste (und einzige) E-Plus-only-Service-Provider dazu, später folgten dann auch D1 und o2 im Portfolio.

Kürzlich kam es zwischen Drillisch und der Telekom zum handfesten Krach und Bruch. Ob die hemdsärmeligen Aktionen bei Drillisch (allerlei „kreative“ Tarife und Nebenbedingungen wie ein SIM-Karten-Pfand, das auch von konkurrierenden Anbietern wie Talkline übernommen wurde oder die „unfreundliche“ Übernahme des mittelständischen Service-Providers „TelCo“) und insbesondere die Schaltung von angeblich 30.000 ungenutzten SIM-Karten im D1-Netz der wahre Grund sind oder ob man bei der Telekom eher darüber enttäuscht war, daß Drillisch immer mehr mit den „Andern“ und immer weniger mit D1 machte, wie es einige Insider vermuten, wissen nur wenige Beteiligte.

Fakt ist: Die Deutsche Telekom hat der Drillisch AG gekündigt und offenbar ist man dabei, diese Ehe jetzt auch systematisch zu scheiden.

Da Drillisch mit seinen zig Untermarken die im D1-Netz telefonierenden Kunden nicht einfach so ziehen lassen will, erhielten einige Kunden schon neue SIM-Karten zugeschickt: Die Rufnummer bleibt, das Netz ändert sich. Welches Netz der Kunde bekommt, erfährt er offiziell nicht und vor dem Wechsel schon gar nicht.

Im nächsten Schritt hat Drillisch völlig korrekt seinen Kunden der Marke „maXXim“ eine AGB-Änderungsmitteilung geschickt: „Der Diensteanbieter erbringt gegenüber dem Kunden in Deutschland Telekommunikationsdienstleistungen. Zu diesem Zweck bezieht der Diensteanbieter die Netzleistungen von einem Netzinfrastrukturlieferanten (z.B. dem Betreiber eines Mobilfunknetzes). Die Auswahl des Netzinfrastrukturlieferanten einschließlich eines Wechsels des Lieferanten während der Vertragslaufzeit liegt im Ermessen des Diensteanbieters; der Kunde hat insbesondere keinen Anspruch auf Nutzung eines bestimmten Mobilfunknetzes.“

Vier Diskussionen zum Thema „Funklöcher“ im Telefon-Treff-Forum offenbaren bei ALLEN ANBIETERN erschreckende Funklöcher (Telekom D1, Vodafone-D2, E-Plus, Telefonica-o2) nicht nur in der tiefsten Einöde, sondern auch in als „versorgt“ geltenden Ballungsgebieten. Interessanterweise melden sich in diesem Forum im Moment die enttäuschten Kunden von Telekom D1 und o2 bisher am deutlichsten zu Wort.

Sind die Funklöcher bei E-Plus entweder nicht so dramatisch (weil deren Kunden mit so etwas rechnen) und ist Vodafone D2 wirklich so flächendeckend versorgt, wie es die fehlenden Diskussionsbeiträge vermuten lassen? Eher nicht. Es zeigt wohl eher die Präferenzen der Forenschreiber.

Für den aufmerksamen Kunden sollte neben dem Tarif auch die Netzwahl im Vordergrund stehen.

Was ein flächendeckender Netzausbau bedeutet, weiß die Deutsche Telekom nicht erst seit gestern … in den USA. Dort wurde der Mega-Deal „Verkauf von T-Mobile USA an AT&T“ nun endgültig beerdigt. Als klarer Sieger aus der Aktion ist m.E. die Telekom hervorgegangen. Sie bekommt 3 Milliarden Bares und darf jetzt Teile des AT&T Netzes mitbenutzen, speziell in Gegenden, wo es bisher keine Roaming-Abkommen gab.

Vielleicht wird das nächste Jahr 2012 ein Jahr des mobilen Netzausbaus? Ohne ausreichend Netz ist die mobile Gesellschaft nur ein Schlagwort ohne Inhalt.


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