Der Knoten ist geplatzt


Ich hatte in der vergangenen Woche ein sehr emotionales Erlebnis. Ein Erlebnis, das mir immer wieder zeigt, wie wichtig der Blick über den Tellerrand ist, das Einlassen auf mein Gegenüber und nicht nur das Abarbeiten von Indikationen, was sowieso nicht meine Art ist.
Seit April dieses Jahres habe ich eine ältere Dame in der Beratung. Es geht ums Thema Übergewicht.
Schon beim ersten Telefonat hatte ich den Eindruck: Sehr kontrolliert.
Im Telefonat hat sie mir kurz und knapp gesagt:“Mein Mann ist vor kurzem gestorben. Jetzt kann ich mich um mein Übergewicht kümmern.“
Jeder Mensch geht mit dem Thema „Tod“ anders um, auf mich wirkte es rational. Aber es ist nicht meine Aufgabe solche Dinge zu bewerten.Ich habe mit ihr also über das Thema Übergewicht besprochen, Ernährungsprotokolle angesehen, halt das, was ich in einer solchen Beratung für wichtig halte. Wir haben an kleinen Stellschrauben gedreht, wie z.B. Snackingoder den Blick auf die Trinkmenge. In fast jedem Termin kam das Wort „Stillstand“ vor, wenn ich nach dem Gewicht gefragt habe. Ich frage auch nach dem „Körpergefühl“, damit meine ich, ob z.B. die Kleidung weiter wird.
In diese Richtung hat sich auf jeden Fall etwas getan, auch weil sie mit Aquagymnastik begonnen hat.In der vergangenen Woche ist das Beratungsgespräch dann in eine andere Richtung gelaufen.
Ich habe so nebenbei erklärt, dass sich viele übergewichtigen Menschen einen Panzer zum Schutz aufbauen, was sich dann auch in Form von Übergewicht äußern kann.In diesem Moment glitzerten die Augen und dann flossen Tränen, ganz viele.
Dann hat meine Klientin mir ganz viel erzählt aus ihrer Kindheit, aus ihrem Berufsleben, wie es ihr jetzt gerade so geht, auch mit dem Tod ihres Mannes. Ich will da nicht ins Detail gehen. Aber da ist der oben genannte Knoten geplatzt.Sie sagte mir, dass sie ihr Übergewicht noch nie als Schutz gesehen hätte, aber das ich da recht hätte.Dann hat sie zwei Sätze gesagt, die mich sehr berührt haben und die ihr jetzt wahrscheinlich weiterhelfen werden ihren Weg zu gehen:
„Das hat mir gerade ganz viel Luft gegeben“ und „Ich habe das Gefühl, mein Herz schlägt wieder in der richtigen Spur.“Und wenn man am Ende der Beratung gefragt wird: „Darf ich Sie mal in den Arm nehmen?“ und fest gedrückt wird…. Das sind Erlebnisse, die mir zeigen, dass ich den richtigen Beruf gewählt habe.Ich wünsche Euch allen viele schöne Erlebnisse und bleibt gesund.Der Knoten ist geplatzt Bildquelle: Pixabay

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