Der Kleine hat die Nase vorn

Der Kleine hat die Nase vornBeady Eye
„Be“

(Sony)
Ganz so verwegen ist die These ja nun nicht mehr: Mittlerweile nämlich können selbst die treuesten und letztverbliebenen Fans von Oasis nicht mehr leugnen, dass der Band der Gebrüder Großmaul gar nichts Besseres hätte passieren können als ihre Auflösung vor vier Jahren. Während das schwergewichtige Mutterschiff damals hilf- und inspirationslos in seichtem Wasser dahindümpelte, spornen sich die beiden Gallaghers nun, seit sie der Bürde der geschwisterlichen Zwangsgemeinschaft entledigt sind, gegenseitig zu Bestleistungen an – man kann sich zwar immer noch nicht riechen, duelliert sich aber seither mit angestacheltem Ehrgeiz und musikalischen Mitteln. Wobei sich die ihnen zugedachten Berufsbilder bzw. deren Grenzen, also hier Sänger (Liam) und da Songschreiber (Noel), nach und nach zu vermischen scheinen.
Nachdem Liams Start als Alleinunterhalter mit altbekanntem Stammpersonal (Bell, Archer, Sharrock) auch für ihn selbst etwas unbefriedigend und holprig verlief („At the end of the day, people just didn’t f*cking buy it ... I mean, we were great, but...“, shortlist.com) – „Different Gear, Still Speeding“ war dennoch eine unerwartet gelungene Sache – legten Noel und seine Highflying Birds mit ihrem Debüt die Messlatte gleich mal um ein deutliches Stück höher, der ältere der Brüder hatte also in der Endabrechnung die Nase ein Stück weiter vor dem jüngeren. Bis jetzt – denn mit „Be“, dem neuen Album von Beady Eye, sollte sich dieser Vorsprung ins Gegenteil verkehrt haben. Dass dieser Erfolg zu großen Teilen dem Engagement und der Arbeit von Produzentenguru David Sitek zu verdanken ist, darf gern spekuliert werden (dem Vernehmen nach war es ein nervenaufreibender und selten friedvoller, gleichwohl aber doch erfolgreicher Ideenwettstreit zweier unnachgiebiger Egomanen) – das Ergebnis jedenfalls gibt der Entscheidung zweifelsohne Recht.
Woran es bei „Different Gear...“ noch mangelte, „Be“ hat sie nun – die Juwelen, die sich unweigerlich im Gehör festhaken und so schnell nicht wieder herauskommen möchten: „Flick Of The Finger“ ist mit seinen fetten Bläsersätzen und zentnerschweren Gitarren grandios und wahrscheinlich der beste Primal-Scream-Song, der nicht von Primal Scream geschrieben wurde. Ebenso famos gelingt „Soul Love“, Liams Stimme liegt seltsam nölfrei und eigentümlich nah über den trockenen Beats, es klirrt und klimpert nach Herzenslust. Da sind wieder die gewohnten Anleihen bei Gallaghers Adoptivvätern Paul, Ringo, John und George (hier: „Face The Crowd“, „Iz Rite“), die liebenswerten, psychedelischen Schwurbeleien („Second Bite Of The Apple“) und mit „Shine A Light“ die perfekte Mischung aus allem, inklusive bratziger Synthbegleitung obendrauf.
Ein wirklich witziges Highlight ist dem Youngster mit „Don’t Brother Me“ gelungen. Man glaubt den Provokateur in Liam Gallagher gut genug zu kennen um zu wissen, wieviel Spaß ihm Wortspielereien wie die des Titels und Zitate wie „Come on now, give peace a chance, take my hand, be a man“ machen. Den Familienbezug mag er gar nicht leugnen, ebensowenig die Ernsthaftigkeit, die dahintersteckt, also: “But anyway, there’s a lot of love in there, but there’s also a couple of – humorous, I think – digs. I love the song. I’m not gonna change the title to make my life easier (shortlist.com).“ Zwei schwelgerische Lennon-Momente hält er für den Zuhörer am Ende noch bereit, dann ist Schluß. Man darf annehmen, dass dieses Album, wenn es denn den verdienten Erfolg einfährt, dem angekratzten Ego des Frontmannes wieder aufhelfen wird. Und dass sich Noel schon jetzt ein paar Gedanken mehr machen muss, wie seine Antwort, wann auch immer sie kommt, ausfallen soll... http://www.beadyeyemusic.com/
02.07.  Berlin, C-Club
03.07.  Hamburg, Uebel und Gefaehrlich
05.07.  München, Backstage
22.08.  Köln, Gloria Theater

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