Nachdem Nick mit einigen üblen Typen aneinander geraten ist, sieht er keinen anderen Ausweg als von zu Hause wegzulaufen. Ohne die geringste Idee, wo genau er hingehen soll, läuft ihm Peter, der merkwürdige Junge mit den spitzen Ohren, scheinbar zum richtigen Zeitpunkt über den Weg. Er bietet Nick an, dass er mit ihm nach Avalon in seine Feste kommen kann. Ein merkwürdiges Angebot, wie Nick findet, doch trotzdem nimmt er es an, denn sonst hat er keine Möglichkeiten irgendwo unter zu kommen. Nichtsahnend was ihn erwartet, folgt Nick Peter durch den Nebel nach Avalon. Eine Entscheidung, die er schon bald bereut, aber ein Erlebnis, das ihm vor Augen führt, was wirklich wichtig ist.
Nachdem Peter Nick nach Avalon geführt hat, wo Nick nun eine sehr aufregende Zeit bevor steht, trennen sich die Wege der beiden zunächst wieder. Im Wechsel werden Nicks Erlebnisse auf der Insel und Peters weitere Vorhaben beziehungsweise seine gesamte Geschichte erzählt. Die Verwebung von Gegenwart und Vergangenheit wurde sehr geschickt gestaltet, sodass man als Leser das Gefühl hat, wirklich in Peters Kopf zu stecken und sich in seinen Erinnerungen zu verlieren. Peter als Charakter ist wirklich besonders. Er schreckt vor Gewalt nicht zurück und handelt an einigen Stellen wirklich zweifelhaft, weshalb man ihm als Leser nicht unbedingt eine große Sympathie entgegenbringt, aber dennoch kann man ihn und seine Motive verstehen - was nicht nur an der genauen Beleuchtung seiner Vergangenheit liegt. Peter ist einfach einzigartig, nicht zu vergleichen.
Die Atmosphäre im Buch ist durchweg düster. Die Insel liegt komplett im Nebel und die grauenvollen Wesen und die rätselhaften Fleischfresser, die dort leben, lassen diesen Ort wirklich nicht besonders freundlich erscheinen. Zusätzlich, wie bereits erwähnt, ist das Buch von einer gewissen Brutalität geprägt und der Autor hält sich mit detaillierten Beschreibungen von enthaupteten Leibern und ähnlichem wirklich nicht zurück. Für jemanden, der zartbesaitet ist, ist dieses Buch eindeutig nicht zu empfehlen, beim Lesen musste ich an einigen Stellen vor Ekel ein paar Mal tief durchatmen. Zum Teil war es mir eindeutig zu heftig. Auf der anderen Seite muss man genau dies auch lobend erwähnen: Dadurch, dass einem beim Lesen auch mal leicht übel wird zeigt doch, dass der Autor es versteht, den Leser mitzureißen! Deswegen hat mich dieses Buch absolut fasziniert. Die Charaktere - Nick, Peter, die Teufel und viele andere - sind sehr detailliert ausgearbeitet und geben der atemberaubenden Geschichte das besondere Etwas. Vor allem die Wandelbarkeit und die Entwicklungen, die einige der Charaktere vollziehen, sind erstaunlich. So mag nicht jeder wirklich so sein, wie er auf den ersten Blick erscheint.
Zwischenzeitlich hat sich meines Empfindens nach die Handlung ein wenig gezogen, lange Zeit wusste ich nicht, worauf genau alles hinaus läuft, aber trotzdem hat mich Der Kinderdieb völlig mitgerissen. Ich wurde überrascht, schockiert, beeindruckt und habe mit Peter, Nick und allen anderen mitgefiebert. Ein tolles Extra sind die Illustrationen, die zu Beginn eines jeden Kapitels stehen und auch weitere Zeichnungen der Charaktere in der Mitte des Buches. So sieht man Peter und die übrigen Charaktere beim Lesen noch deutlicher vor seinem inneren Auge. Der Kinderdieb ist ein wahres Abenteuer. Es lohnt sich, sich von Peter nach Avalon entführen zu lassen - wenn auch nur als Leser, denn so schön es klingt niemals erwachsen zu werden, einer von Peters Teufeln möchte ich trotzdem nicht werden.
4 von 5 Herzen
664 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag Verlag: PAN Verlag (inzwischen leider aufgelöst) Erscheinungsdatum: 15. Februar 2012 Der Kinderdieb bei Amazon