Natürlich gebraucht auch er kein Verb. Kennen wir ja. Welches sollte das auch sein? Kuscheln? Küssen? Kopulieren?
Die völlige Entleerung der Wahlkampfpraxis soll 1998 begonnen haben. Unter Politologen und PR-Fachleuten gilt jener damalige SPD-Wahlkampf als erster moderner seiner Art in der Bundesrepublik. "Innovation und Gerechtigkeit" stand überall geschrieben. Konkret war da nichts. Es war nur die auf Pappe gebannte ästhetische Untermalung einer gärenden Wechselstimmung im Lande. Womöglich hätte man in jenen Jahren der Spaßgesellschaft sogar mit dem Currywurst-Plakat, das die nordrhein-westfälische SPD Jahre später aufstellen sollte, die Wahl für sich entschieden.
Wahlkampf auf der Straße war nie geprägt von der Dominanz politischer Inhalte. Es wurde immer vergröbert, geschliffen und zum Zwecke des leichten Verstehens simplifiziert. Aber so grob missachtet wurden Inhalte zuvor kaum. Natürlich ging es vor 1998 auch stets um Gesichter und um eingängige Parolen. Dahinter steckte dann aber doch manchmal mehr.
Selbstverständlich war Brandt als Name auch schon fast eine Inhaltsangabe. Aber eben nicht ausschließlich. Der Mann war ja wirklich eine Alternative zum revisionistischen Politikbetrieb jener Tage. Auch auf den Plakaten von damals stand nicht das ganze Konzept. Und trotzdem wussten die Wähler, was sie mit Brandt erwarten würde. Die Plakate damals sollten auf den Geschmack bringen - heute sind sie nur geschmacklos. Und das, obgleich das Prinzip immer ähnlich war: Ein Kopf, ein Name, eine Parole.
Heute haben wir es jedoch mit reinem Personenkult und die allzeitige Bereitschaft zu tun, ständig Parolen zu repetieren, die völlig unbeleuchtet bleiben. Modern würde man sagen, dass die Wahlkampfparolen früherer Tage eine Art Teaser waren, die mehr bargen. Heute sind sie schon der ganze Text. Und oft nicht mal das.
In einem derart intellektuell verkümmerten Biotop ist es ganz normal, dass man sich mit seiner Frau ablichten läßt, um damit Werbung zu machen. Als sei es irgendwie aussagekräftig, dass da ein Kerl ein Frauenzimmer länger an sich binden konnte. Das soll wohl ein Zeichen von charakterlicher Stärke suggerieren, von Eignung für dieses Amt. Als sei die (eheliche?) Partnerschaft etwas, was den Kandidaten adelt oder prädestiniert. Er drängt sich ja schließlich in die Rolle des Ernährers und Versorgers. Und des Besorgers. Ein toller Hecht in allen Nischen. Und das kommt an.
Insofern trifft der vorher genannte "Phallus auf sittliche Weise" durchaus zu. Denn auf diese Potenz als Mann und Partner kommt es an, wenn man seine Frau mit auf das Werbeplakat zerrt. Der Inhalt seiner Botschaft ist der, dass er es kann, weil er noch kann. Er spielt mit allgemeinen Vorstellungen, spricht unbewusste Reflexe in der Masse an. Der Häkeldeckchen-Konservatismus verbindet mit Ehepartnern Konstanz, Sicherheit und Verantwortungsgefühl.
Meiner Großmutter waren Schröder und Fischer Dornen in ihren Augen, weil beide schon mehrfach verheiratet waren und nie bei einer Frau bleiben wollten. Jauch ärgerte sie, weil er seine Tante ewig nicht ehelichte. Ehe, eine nachhaltige Ehe, war für sie stets ein Gütesiegel. Mit der Ehe verbindet noch heute ein großer Teil der Gesellschaft nur Gutes. Jugendfrei nur Gutes. Dahinter gibt es jedoch die Metaebene, die fragt, was das Gute begründet. Und da landen wir zwangsläufig bei strotzenden Phalli, bei antiken Skulpturen mit steifen Schwanz, bei symbolischen Ausdrücken von Kraft und Ausdauer, von Fruchtbarkeit und Glück. Alles, was in patriarchalischen Bildern von glücklichen Eheleuten latent mitschwingt.
Wer allerdings als Politiker sonst nichts an inhaltlicher Ausrichtung hat, muss schon ein ganz armer Kerl sein. Was wäre er denn ohne seine Frau? Nicht mal als Ministerpräsident wählbar ...
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