Michaela Preiner
„The Jaguar and the Snake“ (Foto: Marc Domage ) Amanda Piña agiert in der neuen nadaproduction-Show „The jaguar and the snake“ als Wissensvermittlerin. Das ist zumindest ihr Anliegen. Denn sie möchte kontinentübergreifend der westlichen Vorstellung von unterschiedlichen Entwicklungsstufen – frei nach Darwin – jene der indigenen Völker Amerikas gegenüberstellen. Piña nennt diese selbst „amerindian people“.Das Volk der Wixárika, in Mexiko ansässig, ist nicht der Meinung, dass der Mensch vom Tier abstammt, sondern vielmehr, dass auch Tiere ehemalige Menschen sind. Oder, präziser ausgedrückt, humanoide Lebewesen, die sich nur in einer anderen „Haut“ befinden.
In einem Interview erklärte die Tänzerin und Choreografin, die in Wien lebt und chilenisch-mexikanische Eltern hat, dass die Menschheit dringend das alte Wissen der Ureinwohner jeglicher verwestlichter Länder benötigt. Deren anderer Zugang zu Tieren und Pflanzen ist für sie ein Schlüssel zu einem anderen Umgang mit unserer Umwelt.Um dies zu illustrieren, schlüpfte sie selbst, sowie Lina Maria Venegas und Yoan Sorin im Tanzquartier in verschiedene Tiergestalten, Hybrid- und Fabelwesen – wie wir in Österreich sie benennen würden. In Südamerika selbst wären es Lebewesen mit Zügen von Menschen. Meist solchen von Ahnen, zu welchen der jeweilige Schamane die Verbindung herstellen kann. So kommt es, dass sich Piñas am Boden windende Schlangen lachen können und ihre Panther, während sie ruhig von einem Fuß auf den anderen das Gewicht verlagern, sehr ernst ausssehen.
In ihrer kontemplativen Choreografie – bis auf wenige, ganz kurze Augenblicke am Schluss – verbindet sie verschiedene Kunstgattungen übergreifend miteinander. Die Fertigung von Plastikperlenschmuck wird von Tulama Ramirez Muñoz in bunter Tracht am Rande der Aufführung – für das Publikum sichtbar – hergestellt. Kleine Skulpturen, die wie Mischwesen aus Konsumabfall und organischen Stoffen wie Federn und Knochen aussehen und von Yoan Sorin stammen, stehen einer großen, runden und silbrig glänzenden Wolke gegenüber, die sich während der Vorstellung langsam senkt. Im letzten Bild hüllt sie Piña und Venegas völlig ein und lässt von ihnen eine zeitlang nur die Beine noch sichtbar. (Bühne Daniel Zimmermann)
In ihrer Produktion führt die Choreografin eine neue Art von „Kostümierung“ ein, nämlich jene der Zungen der Tanzenden. Auf diese werden Federn, Plastikschlangen, Stoffe und Blätter aufgesteckt, die den Menschen mit diesen „Zungenkostümen“ ad hoc ein extremes tierisches Aussehen und Gehabe verleihen.
Ein elektronischer Sound, der einen beinahe unmerklichen, rhythmischen Puls aufweist, verändert sich während der Vorstellung nur marginal. Er steht in direktem Kontrast zum Auftritt von José Luis „Katira” Ramirez, der mit einer volkstümlichen, kleinen, 2-saitigen Geige aufspielt und ein kurzes Lied aus seiner Heimat intoniert.
Kunsthandwerk dieses Volkes kann das Publikum nach der Vorstellung zu selbst gewählten Preisen kaufen. Das daraus erzielte Geld geht direkt an die Wixárikas, dessen Vertreterpaar auch in den Lectures und Workshops ihr Wissen an die Teilnehmerinnen und Teilnehmer weitergaben. Dieses Angebot rundete die Tanzproduktion ab und ermöglichte vielen Interessierten, in deren Gedankenwelt und Piñas choreografische Umsetzung einzutauchen.