Der Islamophobie ein wenig Weltläufigkeit

Islamist war irreführend. Trotzdem wurde der Begriff über Jahre unkritisch verwendet. Das hat gefruchtet. Der Islam war just eine Ideologie, keine Religion mehr - und er wurde mit Gewalt verbunden, entgegen der Wirklichkeit, in der Abermillionen von Moslems friedlich leben und beten. Der Begriff verschwindet allerdings in letzter Zeit immer mehr. Der Salafist ist nun Modewort. Jeder konservative Moslem ist nun nicht mehr gleich Islamist, er ist Salafist - das ist in etwa so, wie wenn ein Verteidiger des katholischen Zölibats als Mitglied des Opus Dei tituliert würde oder man ihm unterstellte, er würde sich hart am Glauben kasteien. Salafist ist demnach so falsch wie Islamist - und doch war der wörtliche Gebrauch des Islamisten ehrlicher.
Ein besonders gescheites Wort

Jetzt sprechen sie alle von Salafisten. Man hört das Wort beim Einkauf, im Radio, im Treppenhaus. Man hat bei diesem Wort, das vormals als massentauglicher Terminus hierzulande keine Existenzberechtigung hatte, immer irgendwie den Eindruck, da schwafeln besonders gut informierte, besonders gescheite und weltläufige Bildungsbürger. Menschen, die etwas wissen; die wissen, was Salafisten sind, was der Sufismus, wer die Charischiten. Tatsächlich gelingt es diesen "Bildungsbürgern" allerdings nicht mal, zwischen Schiiten und Sunniten zu unterscheiden. Ja, schlimmer noch, sie kratzen sich am Kopf, wenn sie erfahren, dass es im Islam verschiedene Strömungen und Gruppen gibt. Trotzdem gebrauchen sie den Begriff, den die Medien seit geraumer Zeit gehäuft benutzen - sie plappern nach, was medial fabriziert wird. Kritiklos, ohne Fragen nach Herkunft, ohne auch nur eine der W-Fragen anzubringen.
Als man noch vom Islamisten sprach, da war das gleichwohl falsch - aber irgendwie konnte man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass da jemand spricht, der generalisiert, über einen Kamm schert, nicht den Hauch einer Ahnung hat. Jemand, der der westlichen Islamophobie unterlegen ist. Man ärgerte sich, dass da jemand diesen Kampfbegriff benutzte. Aber gleichwohl wusste man, dass man da einem Menschen lauschte, der völlig ungeniert und einfältig Begriffe benutzt, die eine Welt propagieren, die es a) so nicht gibt und von der er b) überhaupt keinen Schimmer hatte. Vereinfacht gesagt, so dumm es auch war, von Islamisten zu sprechen, so ehrlich war es, weil es offenlegte, mit welchem Gemüt man es zu tun hatte.


Kosmopolitisch anmutende Nebelkerze
Salafisten überall. Und man hat den Eindruck, in einem Land zu leben, das vor Islamologen nur so strotzt. So wie es in Fragen der Wirtschaft im Trend liegt, wie es an jedem Stammtisch mit ökonomischen Fachausdrücken aufwartet. Als hätte die Debatte um Sarrazin und seine islamfeindlichen Thesen aus Deutschland ein Land von Experten in Islamwissenschaften gemacht.
Nicht, dass es den Salafismus nicht gibt. Aber nicht jeder Moslem, der das Messer zückt ist einer - und nicht jeder konservative Knochen, der bestimmte Ideale des Islam favorisiert, ist ein Gewalttäter. Salafisten werden sie nun aber fast alle gerufen. Das Wort klingt fachmännisch, aufgeklärt, gebildet. Es ist eine Nebelkerze, das Blendwerk der Xenophobie, das die fungierende Dummheit, die Welt in "guter Westen" und "böser Islam" zu scheiden, übertünchen soll. Als man noch so dümmlich von Islamisten sprach, wirkte man provinziell - jetzt spricht man wie ein Experte und gibt dem Dummkopf eine kosmopolitische Note in Wort und Schrift.
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