Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes hat geantwortet: “gern beantworten wir Ihre Anfrage, vielen Dank dafür. Allerdings bitte ich Sie um eine konkrete Angabe der Aussage, welche aus Ihrer Sicht auf Diskriminierung geprüft werden soll. Soweit ich das erkenne, geht es um diesen Absatz: “Und die Wirklichkeit ist, dass in diesem Lande viele Muslime leben”, sagte er. “Ich hätte einfach gesagt, die Muslime, die hier leben, gehören zu Deutschland.”
Liebe Antidiskriminierungsstelle des Bundes: ich beziehe mich auf den Anfang des betreffenden Absatzes im Zeit-Interview: Denn dass die Muslime zu Deutschland gehören, ist nach Artikel (4) 1 des Grundgesetzes unbestreitbar – jedenfalls solange es nicht geändert wird. Im Zeit-Text heißt es: “Gauck distanzierte sich von der Einschätzung seines Vorgängers, der Islam gehöre zu Deutschland. Diesen Satz könne er so nicht übernehmen…”
Ich bin der Ansicht, dass Gauck mit seiner Aussage – der Islam gehöre nicht zu Deutschland – Muslime diskriminiert. Denn der Islam lässt sich nicht von den in Deutschland lebenden Muslimen trennen. Er sagt zwar – im Konjunktiv – die Muslime gehören zu Deutschland. Er spricht nicht von Ausländern oder von Deutschen muslimischen Glaubens, sondern von Muslimen, denen er allerdings die konstituierende Basis, den Islam, vorenthält.
Die Muslime gehören zu Deutschland. Aber der Islam gehört nicht zu Deutschland. Netto-Aussage: Die Muslime sind irgendwie Unpersonen und auf keinen Fall Deutsche, für die die Religionsfreiheit nach Artikel 3 (3) des Grundgesetzes gilt. Gauck spricht von Muslimen, nicht von Deutschen muslimischen Glaubens, ebenso wie zur Zeit des Nationalsozialismus keine Rede war von Deutschen jüdischen Glaubens, sondern von Juden.
Darüber hinaus besteht in der positiven Aussage – Muslime gehören zu Deutschland – eine zusätzliche Negierung der Aussage seines Amtsvorgängers in dem Sinne, dass die Wiederholung in einem anderen Kontext so funktioniert wie die Rede von Mark Anton im Shakespeare-Stück Julius Cäsar: Brutus ist ein ehrenwerter Mann. Das eine sagen und das andere meinen. Und alle verstehen, was gemeint ist, denn in Deutschland steigt bekanntlich die Islamophobie, wie durch die Heitmeyer-Studie aus dem letzten Jahr belegt ist.
Wenn Otto Normalverbraucher also sagt, der Islam gehöre nicht zu Deutschland, dann ist das bedauerlich, aber nicht wirklich überraschend. Wenn der Präsident aller Deutschen ohne Not eine solch diskriminierende Aussage macht, dann ist zu befürchten, dass dieser Mann den Rahmen seines Amts noch nicht begriffen hat. Schade: Nach der sehr seltsamen Vertreibung seines Amtsvorgänger Christian Wulff können wir das gleiche nicht nochmal durchziehen und Gauck absetzen, weil er die Würde des Amtes als Schwätzer beschädigt.
Aber es hilft in diesem Fall vielleicht, wenn Sie Ihres Amtes walten und Herrn Gauck ganz diskret auf die Diskriminierung einer der hier gelebten Religionen hinweisen. Oder greift das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz nur bei so Sachen wie dem Urlaubsanspruch jüngerer Arbeitnehmer, wie neulich durch die Medien ging?